Jasper Paulus, Frontmann des Orchesters, erweckte den Protagonosten mit stimmlicher Wandlungsfähigkeit zum Leben. Fotos: Retter Foto: Schwarzwälder-Bote

Literaturtage: Das "Midnight Story Orchestra" lehrt sein Publikum im Lautlinger Schloss das Gruseln

Das Gastspiel des "Midnight Story Orchestra" bei den Albstädter Literaturtagen hat mittlerweile Tradition – das Ensemble besitzt in Albstadt eine feste Gemeinde, Genussmenschen, welche die Freude am "schönen Schauder" – so Hannah Pfaff vom Kulturam – verbindet.

Albstadt-Lautlingen. Auf dem Programm stand diesmal ein musikalisches Hörspiel frei nach Gustav Meyrink, dem österreichischen Okkultisten, Theosophen, Freimauer, Buddhisten und Schauerromanautor, dessen berühmtestes Werk der "Golem" ist, die Geschichte vom Mann aus Lehm, den der Prager Rabbi Löw zu illegitimem Leben erweckt. Das "Midnight Story Orchestra" ließ diesmal den Golem Golem sein und widmete sich einer anderen Schauermär, der vom "großen Alchemisten", die Meyrink in seinem Roman "Der Engel vom westlichen Fenster" erzählt. Sie handelt von John Dee, einem englische Universalgelehrten, Astrologen, Magus und Alchemisten aus dem 16. Jahrhundert, der am Hof von Königin Elisabeth in politische Machtkämpfe im Spannungsfeld zwischen Reformation und Inquisition verstrickt ist, es aber auf der Suche nach dem Geheimnis der Unsterblichkeit und des Steins der Weisen auch mit höchst unirdischen Widersachern zu tun bekommt. Ein gefundenes Fressen für Jasper Paulus, den Frontmann des "Midnight Story Orchestra". Er erweckt seinen Protagonisten mit Hilfe seiner stupenden mimischen und stimmlichen Wandlungsfähigkeit zu beunruhigend intensivem Leben: Mal flüstert er nur, dann brüllt und ächzt er, als sei der Leibhaftige höchstpersönlich aus der Geschichte heraus- und in ihn hineingefahren.

In musikalischer Hinsicht bewegt sich der überaus eigentümliche Stilmix des Ensembles zwischen fröhlicher Beschwingtheit und kakofonischem Furor. Florian Bührich am Vibrafon und den Perkussionsinstrumenten hatte an diesem Abend viel zu tun, an der E-Gitarre hinterließ Andreas Wiersich nachhaltigen Eindruck, und auch Keyboarder Toni Hinterholzinger, Bassist Alex Bayer und Schlagzeuger Stephan Ebn trugen das Ihre zum schaurig-schönen Klangkunstwerk bei, das mal experimentell, mal feierlich, mal rockig und mal jazzig einher kam und mit jeder Minute abenteuerlicher anmutete.

Der frenetische Applaus zum guten Schluss war so erwartbar wie verdient. Fürs leibliche Wohl der Besucher in der Pause sorgte – wieder traditionsgemäß – der Wintersportverein.