Friedrich Pommerencke feiert morgen seinen 70. Geburtstag – und will auch weiterhin ein Motor bleiben / Deutscher Meister war er auch

Von Karina Eyrich

Albstadt-Tailfingen. Wer mit Friedrich Pommerencke über den Wochenmarkt, den er nach Tailfingen geholt hat, geht, kennt hinterher die halbe Stadt und ihre Geschichte. Es hat sich herumgesprochen, dass er morgen 70 Jahre alt wird. Und warum ihm alle gratulieren wollen – das würde Bücher füllen.

Für einen Ur-Tailfinger könnte man ihn halten, Friedrich Pommerencke. Dabei wurde er am 21. Dezember 1944 in Heidenheim an der Brenz geboren – in eine Bäckerfamilie hinein. Seine früheste Wunde: Als Pommerencke zwölf Jahre alt war, verloren er und seine Schwester ihre Mutter, und seine Stiefmutter "war eine", sagt er heute. Deshalb entschloss sich der Waldorfschüler mit dem Faible für Naturwissenschaften, nicht zu studieren, sondern eine Bäckerlehre zu machen, "weil das Kost und Logis bedeutete", und er zog aus nach Neu-Ulm, noch keine 15 Jahre alt.

Heute empfindet Pommerencke das als die vielleicht größte Chance seines Lebens: selbständig werden, organisieren und improvisieren müssen, sich von kleinen Verhältnissen in der Dachkammer ohne Dusche, wo manchmal Eis die Scheiben beschlug, hocharbeiten: Pommerencke hat es geschafft und schon in der Berufsschule bewiesen, dass er ein Anführer sein kann: "Es war die Rock’n’Roll-Zeit und ich wollte in meiner Freizeit nicht in der Lederjacke herumhängen, also habe ich eine Wandergruppe gegründet."

Mit dem Gesellenbrief in der Tasche – ein "Sehr gut" stand im Zeugnis – kam er mit 17 zurück in seine Heimatstadt und arbeitete ein Jahr im elterlichen Betrieb, ehe er sich aufmachte, um in Reutlingen Geselle zu werden und nebenbei die Meisterschule zu besuchen, die er mit 21 als jüngster Bäckermeister des Landes verließ. Dass Pommerencke das Intermezzo in seiner Heimatstadt eingelegt hatte, sollte sein Leben nachhaltig positiv beeinflussen, denn in der Tanzstunde lernte er seine Hannerose kennen, die er 1966 heiratete und von der er nach 48 Jahren Ehe immer noch sagt: "Sie ist mein bestes Stückle – ohne sie hätte ich vieles nicht geschafft."

Noch im selben Jahr kam ihre Tochter Petra zur Welt, fünf Jahre später Sohn Harald, der von seinem Vater eine Leidenschaft geerbt hat, die wohl nur wenige von Pommerencke kennen: Modellflugzeugbau. Schon mit zwölf Jahren hatte er sich mit einem spektakulären Hang-Start, dem ein 315-Sekunden-Flug folgte, die deutsche Meisterschaft gesichert.

Legendäre Bälle und Seminare

Mit nur 22 Jahren hatte ihn die Berufsschule zum Fachlehrer berufen – ein Tätigkeitsfeld, das Pommerencke nutzte, um das Junghandwerk zu gründen, um Chancen junger Handwerker zu verbessern und den Kontakt zu den älteren zu vertiefen. Legendär sind die Wochenendseminare, die er später – schon von Tailfingen aus – mit den Junghandwerkern in Hotels abhielt und zu denen auch mehr und mehr ältere kamen, "weil sie so mal rauskamen aus der Werkstatt", oder die Bälle in der Groz-Beckert-Messe mit Länder-Motto und bis zu drei Kapellen, die dem jungen Bäckermeister viele, oft jahrzehntelange Kontakte zu führenden Politikern bescherten. Denn schon früh war Pommerencke ein politisch denkender Kopf, der schnell gemerkt hatte, "dass etwas falsch läuft in unserer Volkswirtschaft": Eine sich jährlich nach oben drehende Lohnspirale und die Abwälzung der Sozialkosten allein auf Arbeitende – das musste vielen kleinen Betrieben, die nur bedingt rationalisieren konnten, früher oder später das Genick brechen. Er sollte recht behalten.

Dennoch blieb Pommerencke der Backstube treu, als er 1973 mit seiner Frau Hanne nach Möglichkeiten suchte, sich selbständig zu machen, und in Tailfingen fündig wurde, wo er erst eine Bäckerei übernahm und 1987 dann eine neue baute.

Noch gut erinnert sich der Lokalpatriot an die Nacht vor dem "Geburtstag" der Stadt, die 1975 gegründet wurde. "Heute sind wir noch Tailfingen, morgen sind wir Albstadt" hat er damals zu seinen Mitarbeitern gesagt und in eben jener Nacht aus dem Rest des Laugen-Teigs die ersten 180 Albstadt-Mäusle kreiert, die nicht nur eingetragenes Warenzeichen, sondern auch sein Markenzeichen sind – und das seiner Stadt. Denn dass Pommerencke Gesamt-Albstädter ist mit Leib und Seele, das weiß jeder, der ihn im Gemeinderat erlebt, wo er von 1979 bis 1988 und nun seit 2009 wieder für die CDU agiert und für ein gesamtstädtisches Denken kämpft.

Das Ende des Dornröschenschlafs

Dennoch: Wann immer Pommerencke die Werbetrommel für Tailfingen rühren konnte, tat er es, zumal er ab 1978 auch Vorsitzender des Gewerbe-, Handels- und Verkehrsvereins Tailfingen (GHV) war, der ihn bei seinem Abschied vom Amt 2001 zum Ehrenvorsitzenden gemacht hat. Aus dem Dornröschenschlaf hatte er den GHV wieder geweckt, zunächst kleine Feste und später sogar große Open-Air-Konzerte in der Adlerstraße organisiert.

Erwin Teufels Idee, jedes Jahr ein Landesfest in einer anderen Stadt zu veranstalten, bei dem die Vereine eine kostenlose Attraktion für Kinder auf die Beine stellen sollten, bescherte ihm eine noch immer andauernde Freundschaft mit Gunter Haug, später Abteilungsleiter im Fernseh-Landesprogramm des SWF und SDR, heute Südwestrundfunk: Pommerencke war es gewesen, der die Vereine zum Mitmachen bewogen hatte.

Der Freundschaft mit Haug ist es auch geschuldet, dass Pommerencke Fernsehkarriere machte. "Sensation: Bäcker von der Schwäbischen Alb tritt gegen milliardenschwere Satelliten an" lautete die Ankündigung eines Beitrags, in dem der Bäckermeister das Wetter vorhersagte – weil die Reaktion seines Sauerteigs das beste Barometer war. Mit Star-Koch Johann Lafer ist er aufgetreten, um die Vorteile eben jenes Teiges publik zu machen, der als einziger die Schutzstoffe im Magen aktiviere: "Wer Brot aus Roggen-Sauerteig isst, hat acht mal mehr Krebs-Abwehrstoffe", weiß der Bäckermeister. Und einmal ist Haug mit dem Fallschirm vor laufender Kamera über Tailfingen abgesprungen, um "Pommi", wie er liebevoll in der Stadt genannt wird, einen Besuch abzustatten.

Mäuschen machen für die Prominenz

Apropos Prominenz: Die Liste der Persönlichkeiten, denen Pommerencke seine Albstadt-Mäusle überreicht hat, reicht von Helmut Schmidt und Hans Filbinger über Uwe Seeler und Fritz Walter, Franz-Josef Strauß, Lothar Späth und Günther Oettinger, Gerhard Stoltenberg und Wolfgang Schäuble bis zum heutigen Bundespräsidenten Joachim Gauck.

Doch auch wenn Friedrich Pommerencke viel Freude daran hat, politisch auch heute noch etwas zu bewegen und sich für sein Tailfingen und sein Albstadt einzusetzen, ob als Stadtrat oder Stellvertreter des Oberbürgermeisters: Wichtiger noch ist ihm etwas anderes: Seine Familie, zu der auch die Enkel Daniel und Julia gehören – und sein Glaube. Zwei Mal allein war der bekennende evangelische Christ und Mitbegründer der Tailfinger Kirchenstiftung in jüngerer Zeit in Israel, wo doch zuvor Florida sein bevorzugtes Urlaubsziel war.

Noch stundenlang könnte Friedrich Pommerencke beim Kaffee im Backhaus Mahl in seinem früheren Geschäft aus seinem reichen Leben und von seinen nach wie vor engagierten Zielen sprechen – auf dem Wochenmarkt würde ihm das nicht gelingen. Denn dort wissen die Kunden, die längst nicht nur aus Albstadt kommen, dass sie seinem Mut den schönsten Wochenmarkt der Region zu verdanken haben – gegründet 1986, kurz nach dem Atomunglück in Tschernobyl, abgehalten an einem Freitag bis in den Nachmittag: Niemand hatte dieser Kombination eine Chance gegeben. Und doch: Pommerencke hatte einmal mehr ein goldenes Näschen, das ihn nicht nur auszeichnet, wenn es um Wettervorhersagen aus dem Sauerteig geht.