Für Flüchtlinge aktiv (von links): Dekan Anton Bock, Karlo Gerstenecker, Martin Franzki, Astrid Kiefer-Kirsamer, Micha Haasis, der junge Syrer Sami, Pfarrer Markus Gneiting und Pfarrer Philippus Maier. Auf dem Bild fehlt Johannes Herter. Foto: Schwarzwälder-Bote

Talk in der Ochsenscheuer: Gäste berichten von ihrer wertvollen Arbeit für Flüchtlinge

Besser besucht denn je war der "Talk in der Ochsenscheuer" zum kleinen Jubiläum: Für den fünften Abend im Rahmen der "Woche für das Leben" hatten die evangelische und die katholische Kirchengemeinde als Veranstalter ein hochaktuelles Thema gewählt.

Albstadt-Onstmettingen. Flüchtlinge – das Thema ist in aller Munde und bestimmt seit anderthalb Jahren die Fernsehtalkshows auf allen Kanälen. Von einer "Flüchtlingskrise" wollten die Veranstalter des "Talk in der Ochsenscheuer" allerdings nicht sprechen, sondern Wege aufzeigen, wie Integration gelingen und was jeder dazu beitragen kann.

Dekan Anton Bock von der katholischen und Pfarrer Philippus Maier von der evangelischen Kirchengemeinde hatten dafür die perfekten Gesprächspartner ausfindig gemacht, darunter einen Kollegen: Markus Gneiting, evangelischer Pfarrer in Pfeffingen und Burgfelden, ist Mitinitiator und höchst aktiv im Freundeskreis Asyl, der Hausaufgabenbetreuung, individuelle Begleitung zum Arzt oder zum Amt anbietet und im Asylcafé Gäste verschiedenster Volksgruppen zusammenbringt. Was ihn und seine Mitstreiter frustriert: Manche hätten – trotz guter Integrationsprognose – kaum Chancen, bleiben zu dürfen, und könnten sie auch durch Ausbildungs- und Spracherfolge nicht steigern.

Als "Schande" für die Europäische Union bezeichnete Gneiting die Zustände an der mazedonischen Grenze, in Idomeni, wo die Polizei am Mittwoch gar Tränengas eingesetzt hatte, um Flüchtlinge am Grenzübertritt zu hindern.

Nicht weniger schockieren Gneiting die Aussagen von AfD-Vertretern gegen Flüchtlinge: "Noch nie habe ich von der Kanzel eine Empfehlung gegeben, was man nicht wählen sollte – heuer habe ich es getan", sagte Gneiting entschieden.

Den jungen Syrer Sami, der bereits ausgezeichnet Deutsch spricht, wie er dem Publikum in der voll besetzten Ochsenscheuer bewies, hatte Karlo Gerstenecker aus der Landeserstaufnahmestelle in Meßstetten mitgebracht. Dort habe er – ebenso wie die anderen ehrenamtlichen Helfer – bislang durchweg positive Erfahrungen mit den Bewohnern gemacht – obwohl er keinen "Anti-Fettnäpfchen-Kurs" besucht habe. Ein einziges Mal habe ihm eine Frau den Handschlag verweigert – "und das war dann auch okay", sagte Gerstenecker, der freilich eins bedauert: dass nur wenige Einheimische den Weg ins Begegnungszentrum finden.

Die Führungen durch die Lea unter dem Motto "Mensch von nebenan" seien aber durchweg gut besucht und die Meßstetter der Lea größtenteils wohlgesonnen. Dass sie als Vorzeigeeinrichtung gilt, führt der frühere Kripo-Chef nicht nur auf das ideale Gelände zurück, sondern vor allem auf das große Engagement der rund 150 Ehrenamtlichen.

Gleich vier junge Afghanen – die Bewohner der neuen Wohngruppe in Onstmettingen – hatten die Talk-Gäste vom Diasporahaus Bietenhausen mitgebracht: Teamleiter Micha Haasis, Sozialdiakon Martin Franzi, Astrid Kiefer-Kirsamer als Bereichsleiterin für mobile Dienste und Johannes Herter, Mitarbeiter der Jugendwohngruppe, kümmern sich um unbegleitete Minderjährige, die – nicht selten mit dem Auftrag, Familiennachzug zu organisieren – nach Deutschland kommen.

Während Franzki den Jugendlichen in der Lea Sprachunterricht erteilt, mit ihnen spielt, handwerkelt und ihnen auch sonst vieles beibringt, geht es in der Wohngruppe noch stärker darum, die Jugendlichen auf ein selbständiges Leben vorzubereiten.

Obwohl sie kein Wort verstehen, hören sie ruhig und konzentriert zu

Hautnah erleben die vier traumapädagogisch ausgebildeten Experten, welche Traumata die Jugendlichen mitbringen, nachdem sie zu Hause oft Gefängnis und Folter, danach die gefährliche Flucht erlebt hätten. Alle Vier waren voll des Lobes über die hohe Lern- und Integrationsbereitschaft, die handwerklichen Fähigkeiten und die große Sozialkompetenz der Jugendlichen. Tatsächlich verfolgten diese über zwei Stunden die lebhafte Diskussion, von der sie kein Wort verstanden, ruhig und konzentriert, ehe sie selbst zu Wort kamen: Dass es "Männle, Weible und Onstmettinger" gebe, wie das Sprichwort sagt, hätten sie schon gemerkt, scherzte der junge Mohammed auf Englisch. "Aber die dritte Kategorie ist die Beste."

Kein Wunder, gehören dazu doch Ehepaare wie Anke und Michael Bitzer, die einen jungen Flüchtling bei sich aufgenommen haben und von ihren Erfahrungen berichteten. Flüchtlingsgeschichten aus der Bibel – allen voran die von Jesus, Maria und Josef nach Ägypten, hatte Philippus Maier mitgebracht, während Anton Bock das Nürtinger Modell vorstellte: Dort übernehme die Kirchengemeinde als eine Art Schirmherrin Mitverantwortung, wenn Familien im Ort Flüchtlinge bei sich aufnehmen, und sei Ansprechpartnerin.

Alle Talk-Gäste betonten, wie gut ihnen persönlich die Zusammenarbeit mit den Flüchtlingen tue, wie sehr sie ihren Blick auf die Welt verändert habe – und sie hatten Tipps mitgebracht, wie jeder helfen kann: Micha Haasis wünscht sich, dass Handwerker im Ruhestand sich um junge Flüchtlinge kümmerten. Markus Gneiting ermunterte die Zuhörer, Flüchtlinge einfach anzusprechen, zu fragen, ob sie Hilfe brauchten. Und Martin Franzki brachte das Beispiel eines jungen Syrers, den ein Geschenk enorm überrascht hatte: "Neuen Nachbarn Brot und Salz schenken – das gibt es bei uns zu Hause auch." So einfach kann Kontakt funktionieren.