Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Max Kovalenko

Huch! Irgendwie fühlt man sich auf dem steilen Waldweg vom Aichtal bis zum Aussichtspunkt Uhlbergturm beobachtet. Und tatsächlich: Da streckt dem Wanderer doch ein Waldschrat die Zunge raus. Der sieht aus wie Einstein und gehört zu einem Fratzenweg mit 36 schaurig-schönen Gesichtern.

Aichtal - Der Uhlbergturm bei Filderstadt-Plattenhardt ist eines der beliebtesten Ausflugsziele auf den Fildern: Am Kiosk kann man samstags, sonntags und an Feiertagen Würstchen kaufen und gleich grillen. Die Aussicht auf 470 Meter Höhe ist grandios.

Von dort führt ein Waldweg 2,5 Kilometer steile 150 Meter hinunter nach Aichtal-Neuenhaus, wo am Ende des Wegs Adelbert Bachofer wohnt. Er ist der Vater unzähliger Holzskulpturen. Sie grüßen von Bachofers Hauseingang aus und warten in seiner Werkstatt darauf, entdeckt zu werden. Sie sind aber auch ein Vorgeschmack darauf, was Fremde im nahen Waldstück erwartet. „Die meisten Wanderer finden beim ersten Mal nicht alle Gesichter“, sagt der 71-Jährige. Kein Wunder: Die Fratzen schmiegen sich harmonisch ins Wurzelwerk oder in Astlöcher. Manchmal nimmt Bachofer auch einen Ast ab und lässt nur einen Knubbel stehen. Den nutzt er dann als Nase: „So muss ich nicht so tief ins Holz reinschneiden.“

Bäume nehmen keinen Schaden

2008 hat Bachofer, der von Beruf Ofensetzer ist, aber auch schon mit Antiquitäten gehandelt und für eine Werbefirma gearbeitet hat, angefangen, Gesichter in Baumstämme zu schnitzen. Zuerst waren es die Bäume nahe bei seinem Haus. Die Gesichter wirken noch vorsichtiger, schüchterner als die späteren. 2009 bat ihn dann der Albverein, am Uhlbergturm tätig zu werden. Dort musste ein jüngerer Mammutbaum gefällt werden, Bachofer sollte den drei Meter hohen Stumpf bearbeiten. Seither grüßt dort ein hölzerner Wandersmann. Der brachte Bachofer aber auch auf die Idee des Fratzenwegs. 36 Gesichter hat er inzwischen erschaffen, in jedes zwischen zwei und sechs Stunden Zeit investiert. „Wenn ich eine Idee habe, bin ich wie besessen“, sagt er. Dann geht er ohne Frühstück aus dem Haus und werkelt mit Kettensäge, Stecheisen und Klüpfel (runder Holzhammer), bis die ersten Konturen zu sehen sind. Daraus entwickelt sich der Charakter fast von allein. Je nach Stimmung und Tagesform des Künstlers wird die Mimik frech oder böse, fröhlich oder furchterregend. Mal sind scharfe Beißerchen im Mund zu sehen, mal ein lachender roter Clownmund. Die Augen sind oft ausdrucksstark und stechend, mal auch kalt und abweisend.

Den Wulst, der sich um viele Gesichter wie ein Schalkragen legt, hat aber nicht Bachofer herausgearbeitet, sondern der Baum selbst. Der holt sich pro Jahr einen halben bis einen Zentimeter der Schnitzfläche zurück. Kleinere Bäume wachsen schneller, größere langsamer. In ein paar Jahren wird die Open-Air-Holzschnitzkunst demnach Vergangenheit sein.

Dass die Bäume die Kunstfläche wieder schließen, zeigt aber auch, dass sie durch den Eingriff keinen Schaden nehmen. Bachofer hat dem Förster zugesichert, für alle Bäume zu bezahlen, die durch den Eingriff absterben. Bisher ist das nicht passiert. Der Holzschnitzer achtet außerdem darauf, nur Bäume auszuwählen, die ohnehin Brennholz werden sollen. Die gerade gewachsenen stattlichen, die für Furniere oder Holzmöbel geeignet sind, rührt er nicht an. Anders als die meisten Holzschnitter bearbeitet er lieber hartes Holz als weiches, also Eiche, Buche und Robinie lieber als etwa Linde: „Schließlich war mein ganzes Leben hart.“

Spaziergänger geben den Fratzen Namen

Eine Lieblingsfratze hat Adelbert Bachofer nicht. Oder zumindest nicht lange: „Es ist immer die, an der ich gerade arbeite.“ Wenn sie fertig ist, eventuell noch koloriert, hat sie für Bachofer an Spannung verloren. Immerhin hat er einigen von ihnen einen Namen gegeben. „Das ist Jakob, der Verschmitzte“, sagt er. Und das Antlitz mit der großen roten Zunge ist natürlich Einstein. „Vor allem sind es aber die Besucher, die Namen geben“, weiß der Künstler. Kinder sind da sehr kreativ. Kein Wunder, dass immer mehr Lehrer den Fratzenweg als Ausflugsziel für ihre Schulklassen entdecken.

Nahe bei seinem Haus am Bonländer Weg kann man Bachofer bei der Arbeit beobachten. Er fertigt auf einer Wiese Skulpturen, massive große für den Garten oder filigrane für den Wohnbereich: „Bei denen glätte ich das Holz, damit die Maserung besser sichtbar wird.“ Auf der Wiese steht seit dem vergangenen Sommer eine Holzbank, deren Sitzfläche – wer hätte es gedacht – von geschnitzten Figuren getragen wird. Der Wald liefert Bachofer aber nicht nur Holz, sondern auch Ton. Denn ganz in der Tradition der Häfner, für die sein Heimatort Neuenhaus bekannt ist, fertigt er auch Tongefäße und -skulpturen. Die brennt er im offenen Holzfeuer: Er platziert sie in einem Loch, legt Holz darauf und zündet es an. Wenn das Holz verbrannt ist, ist das Objekt fertig.