Stuttgart - Keine Krise dauert ewig. Beim VfB Stuttgart ist ein Ende aber nicht in Sicht. Und das Programm bis zur Winterpause lässt keine Zeit, um Luft zu holen. Jetzt kommt im Pokal-Achtelfinale auch noch der FC Bayern.

Es gibt im Fußball so viele Möglichkeiten, zum Sieg zu kommen, wie Wege nach Rom führen. Doch ganz gleich, wie ein Team die Sache angeht, die Erfolgsformel lautet in allen Fällen 1 x 11 und niemals 11 x 1. Hätte der VfB Stuttgart das kleine Einmaleins des Mannschaftssports in Wolfsburg ein wenig stärker berücksichtigt, wäre von der Reise nach Niedersachsen vielleicht mehr geblieben als das Negativerlebnis einer 0:2-Niederlage und die Gewissheit, dass es viel leichter ist, in den Tabellenkeller hineinzupurzeln als wieder herauszuklettern.

Die Aufgaben in den kommenden Wochen sind auch so schon schwer genug. Das Mammutprogramm in Liga und Europapokal wird kurz vor Weihnachten gekrönt von zwei Spielen gegen die alten Rivalen vom FC Bayern. Auf das Duell um Punkte am 19. Dezember (Mercedes-Benz-Arena, 17.30 Uhr) folgt wenige Tage später (21./22. Dezember) das Achtelfinale im DFB-Pokal. "Das ist ein Hammerlos", sagt Keller, "aber für mich noch weit weg. Wir müssen zuerst in der Liga punkten, dann kommt der Rest."

Fürs Erste muss er also noch erklären, was so ohne weiteres nicht zu erklären ist. Zum Beispiel, warum die Mannschaft in den weinroten Trikots in Wolfsburg so spielte, als setze sie sich aus lauter kleinen Egoisten zusammen. Warum seine Hasenfüße nach dem 0:1-Rückstand weiter so furchtsam handelten, als müssten sie eine Torflut verhindern. Und warum sie während des Spiels so notdürftig miteinander kommunizierten, als hätten sie ihre Stimmbänder für Soli in der Stuttgarter Oper zu schonen.

Keine Rücksicht auf Einzelschicksale

Jens Keller kennt die Antworten, blieb sie in der Öffentlichkeit aber schuldig. "Das bereden wir intern, sonst können wir die Presse gleich in die Umkleidekabine bitten", sagte er ein wenig knatschig. Statt in die Tiefe zu gehen, zog er es vor, den sicheren Pass zu spielen. "Wolfsburg war nicht viel besser als wir", sagte er und: "Wir haben bei zwei Standardsituationen geschlafen und deshalb das Spiel verloren."

Man muss ihn verstehen: Die Lage ist heikel, und jeder Trainer ist gut beraten, wenn er die Spieler nichtöffentlich brandmarkt, die er wenige Tage später wieder braucht. Manager Fredi Bobic verriet immerhin so viel, dass es während der Halbzeitpause deutliche Ansagen gegeben hat. Nach dem Schlusspfiff habe Jens Keller dann noch "einige grundsätzliche Dinge" angesprochen. Angeblich war vom Teamgeist die Rede und davon, dass man auf Einzelschicksale in Zukunft keine Rücksicht mehr nehmen werde.

Jens Keller mangelt es jedoch an personellen Alternativen, um die üblichen Verwerfungen einer Hochleistungsgesellschaft zu kompensieren. In Wolfsburg fehlten sieben Spieler, darunter Kapitän Matthieu Delpierre (Rotsperre), Pawel Pogrebnjak, Ciprian Marica, Georg Niedermeier und Arthur Boka (alle verletzt). Weshalb der Trainer seiner Mannschaft zumindest öffentlich keine Vorwürfe machen wollte. "Wir haben aufwendig geführte Spiele auf schweren Böden gegen St. Pauli und Chemnitz hinter uns", sagte Keller, "da ist es doch klar, dass wir nicht 90 Minuten in aller Frische auftreten konnten."

Viel Zeit zur Regeneration bleibt nicht. Am Donnerstag tritt der VfB in der Europa-Liga in Madrid zum Rückspiel beim FC Getafe an (21.05 Uhr/Sky), am Sonntag kommt Werder Bremen (Mercedes-Benz-Arena, 17.30 Uhr/Sky). Es ist der Auftakt zu den Stuttgarter Schicksalswochen. "Da müssen wir jetzt durch", sagte Jens Keller. Und es klang, als sei er ziemlich entschlossen.