Kinderspielplatz im Stuttgarter Rosensteinpark. Foto: dpa

Stuttgart hinkt Zielen hinterher - Stadtplanungsamt sieht kein Potenzial für neue Flächen.

Stuttgart - Seit Jahren orientiert sich die Stadt am so genannten Spielflächenleitplan. Doch mit der Orientierung ist es so eine Sache. Trotz der Erkenntnis über den Mangel hat es die Stadtplaner nicht zielgerichtet auf den richtigen Weg geführt. In einigen Stadtteilen herrscht chronischer Mangel an qualitativ hochwertigen Spielflächen. Zudem entsprechen städtische Spielplätze nicht immer den modernen Entwicklungen und Trends, die dem Freizeitverhalten junger Familien.

Auch quantitativ hinkt Stuttgart seine Zielen hinterher. Aktuell hat die Stadt 106 Hektar an Spielflächen. Das ergibt in Relation zur Bevölkerungszahl einen Versorgungsgrad von 71 Prozent. Im Vergleich zu den Ergebnissen von 2007 hat sich der Fehlbedarf um 1,9 Hektar auf 42,9 Hektar reduziert. Aber für Bürgermeisterin, Isabel Fezer, ist das kein Grund zum Jubeln. Denn die Zahlen ergeben ein schiefes Bild. Nach Einführung der Zweitwohnsitzsteuer 2011 wurde die Einwohnerzahl nach unten korrigiert. Bedeutet: In dieser Rechnung hat nicht die Zahl der Spielflächen zugenommen, sondern die der Einwohner abgenommen.

Geringe Kinderfreundlichkeit

In einer Drucksache der Stadt heißt es: „Es besteht die Herausforderung bei Neubauvorhaben vorausschauend ein kinderfreundliches Umfeld einzufordern.“ Eine andere, wichtigere Erkenntnis lautet: „In den stark verdichteten und einwohnerstarken Innenstadtbezirken besteht seit Jahren eine hohe bis sehr hohe Unterversorgung an Spielflächen.“ Das Wohnumfeld im Westen, im Osten, in Stuttgart Mitte, Zuffenhausen und Bad Cannstatt zeichne sich durch eine geringe Kinderfreundlichkeit aus. Verstärkt werde dies, so heißt es in der Expertise der Stadt, durch eine starke Verkehrsbelastung und einen Mangel an zugänglichen Grün- und Freiflächen.

Mangel erkannt, Not gebannt. Keinesfalls. Was allgemein zutreffen mag, lässt sich auf diese Problematik nicht übertragen. Das Fazit der Stadt lautet: Man könne auf Grund „der hohen Nutzungskonkurrenz keine neuen Flächen installieren“. Oder wie es Ulrich Dilger vom Stadtplanungsamt formuliert: „Es ist in diesen Bereichen schwierig, neue Flächen zu schaffen, also können wir nur an der Qualitätsschraube drehen.“

Kinder und Eltern in den unterversorgten Bezirken dürfen demnach hoffen, dass sich etwas tut. Auch wenn nicht alles machbar ist, was manche Stadträte für denkbar halten. So fordern etwa die Grünen, den radikalen Rückbau von normalen Straßen zu Spielstraßen.

Streit um Qualität

Rose von Stein (Freie Wähler) setzt wie Bürgermeisterin Fezer den Impuls, „Schulhöfe als entlastendes Element einzusetzen“. Fezer hat zudem die Hoffnung, „jahrelang brach liegende Flächen“ der Stadt oder von privaten Eigentümern nutzen zu können. Nur Iris Ripsam (CDU) vertritt die Ansicht: „Ich habe in der Stadt gut gestaltete Spielflächen gesehen. Die Qualität ist hoch.“ Zu dem meint sie, „dass wir es manchmal übertreiben. Kinder können sich doch auch mal auf irgend welchen Freiräumen aufhalten.“

Das ist die Sicht einer Erwachsenen, die freilich nicht weiß, wie die Welt aus.1,30 m Augenhöhe aussieht. Um den genauen Bedarf zu kennen, kann es hilfreich sein, die Perspektive von Kindern und Jugendlichen einzunehmen. Diesen Ansatz gehen Ulrich Dilger und seine Kollegin Ulrike Kieninger vom Jugendamt. Ämterübergreifend starten die beiden ein Pilotprojekt Seelberg/Bad Cannstatt. Kinder im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren sollen dort ihr Quartier auf Mängel und Potenziale durchsuchen. „Sie wissen doch am besten, was fehlt und was sie brauchen“, sagt Ulrike Kieninger.

„Manchmal sind es Kleinigkeiten, die verändert werden müssen“

Die Ergebnisse der Kinder werden auf einem Forum zusammengetragen, präsentiert und von Paten aus der Fachverwaltung sowie der Lokalpolitik an die Abteilung Stadtentwicklung weitergegeben. Dann wäre wieder der Gemeinderat am Zug, um diese Vorschläge zu beschließen.

Mit großem Erfolg haben ähnliche Projekte in Mannheim und Karlsruhe zu einer Verbesserung der Spielflächenqualität geführt. „Manchmal sind es Kleinigkeiten, die verändert werden müssen, aber große Auswirkungen auf die Qualität haben“, sagt Kieninger. Sie denkt an eine bessere Erreichbarkeit von Spielflächen, wenn die durch Straßenschluchten für Kinder schwer zugänglich sind. „Uns geht es nicht nur um die Inseln in diesen Quartieren“, sagt Ulrich Dilger, „sondern auch um die nutzbaren Räume dazwischen.“

Die Einbindung der Kinder in diesen Qualitätsprozess hat noch weitere Vorteile. „Die Akzeptanz der Spielfläche bei den Kindern steigt, wenn sie bei der Entwicklung mitreden können“, sagt Ulrike Kieninger. Zudem würden sie auf diese Weise lernen, wie Demokratie funktioniere. Erfahrungen in anderen Städten hätten auch gezeigt, dass durch die Einbindung und Mitbestimmung der Kinder der Vandalismus auf Spielplätzen zurückgegangen sei. Auch bei diesem Thema scheint es sich also zu lohnen, die Welt mit Kinderaugen zu betrachten.