An diesem Montag beginnt in Baden-Württemberg das neue Schuljahr – doch es stehen nicht genug Lehrer zur Verfügung. Foto: Sven Hoppe/dpa

Mehr Schüler, aber zu wenige Lehrer – die Schulen im Kreis Calw stehen im an diesem Montag beginnenden Schuljahr vor einer Mathe-Aufgabe, die nicht aufgehen kann. Das Schulamt spricht schon jetzt von drohenden Einschränkungen im Unterricht.

Kreis Calw - Noch im Juli hatte das baden-württembergische Kultusministerium offen für den Landkreis Calw geworben. "Lehrkräfte gesucht: Noch attraktive Stellen im Nachrückverfahren für das neue Schuljahr im Landkreis Calw verfügbar", überschrieb das Ministerium ihren Aufruf, und Kultusminsterin Theresa Schopper (Grüne) lud ein: "Machen Sie sich ein Bild von den Schulen im Landkreis Calw, von ihrer pädagogischen Ausrichtung, von den Zielen und Leitideen."

Am Freitag wurden nun im Spiegelsaal des Liebenzeller Kurhauses die neu eingestellten Lehrer im Schulamtsbereich Pforzheim (Kreis Calw, Enzkreis, Stadt Pforzheim) begrüßt – doch die Zahl bleibt hinter den Erwartungen zurück: 175 neue Lehrer sind es, davon 78 an den Grundschulen, 25 an den Werkrealschulen, 37 an den Realschulen, 16 an den Gemeinschaftsschulen und 19 an den Sonderpädagogischen Bildungs-und Beratungszentren (SBBZ).

Vor allem mehr Grundschüler

Dem gegenüber steht eine wachsende Zahl an Schülern. 17 630 Kinder und Jugendliche werden im an diesem Montag beginnenden Schuljahr eine Schule im Schulamtsbereich Pforzheim besuchen – ein Plus von rund 450. Im Kreis Calw trifft dieses Plus vor allem auf die Grundschulen zu. 5743 Grundschüler wird es nun geben, im vergangenen Schuljahr waren es nur 5585. Ähnlich ist die Entwicklung im Enzkreis und in der Stadt Pforzheim. Die Zahlen der Werkrealschüler (999) und der Realschüler (3416) bleiben im Kreis Calw nahezu unverändert. Gemeinschaftsschüler werden es in diesem Schuljahr 1269 sein – ein Plus von 54.

In einer Pressemitteilung räumt das Schulamt Pforzheim ein, dass der Lehrermangel Spuren am Unterricht hinterlassen wird: "Im Vergleich zu Vorjahren ist die Organisation der Unterrichtsversorgung deutlich herausfordernder geworden. Der Bedarf ist gestiegen, und die Bewerberzahlen sind insgesamt nicht überall ausreichend." Und weiter: "Durch noch unbesetzte Stellen oder neue langfristige Ausfälle kann es an einzelnen allgemeinen Schulen zum Schuljahresbeginn zu Einschränkungen im Unterricht kommen. Insbesondere im Bereich Sonderpädagogik kann aufgrund von deutlichem Bewerbermangel die sonderpädagogische Förderung nicht im notwendigen Maße erfolgen."

Größere Klassen?

Das Kultusministerium bringt ins Spiel, dass aufgrund des Lehrermangels im Kreis Calw auch an die Klassengrößen herangegangen wird. Pressesprecher Benedikt Reinhard sagt auf Nachfrage unserer Redaktion: "Wenn auch im Umfeld nicht ausreichend Personalressourcen gewonnen werden können, können organisatorische Maßnahmen wie die Bildung größerer Klassen oder Gruppen erforderlich werden."

Wie hoch das Lehrer-Defizit im Kreis Calw genau ist, kann das zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe auf Nachfrage unserer Redaktion nicht sagen. Pressesprecherin Irene Feilhauer erklärt: "Es sind weiterhin unbefristete Stellen für alle Lehrämter für den Kreis Calw ausgeschrieben. Die Besetzung dieser Stellen wird erst nach dem 30. September abgeschlossen werden, daher können wir dazu noch keine abschließende Aussage treffen."

Klar ist nur: Unbefristet beschäftigt sind an den Schulen im Kreis Calw im Schuljahr 2022/23 an den Grund-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen 912 Lehrer, an den SBBZ 121, an den Gymnasien 287 und an den beruflichen Schulen 326 Lehrer. Davon sind laut Feilhauer neu eingestellt an den Grund-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen 61, an den SBBZ elf, an den Gymnasien 13 und an den beruflichen Schulen 14 Lehrer. Befristet eingestellt sind bislang an den Grund-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen 33, an den SBBZ fünf, an Gymnasien zehn und an den beruflichen Schulen ebenfalls zehn Lehrer.

Kreis Calw gilt als unattraktiv

Keinen Hehl machen Schulamt, Regierungspräsidium und Kultusministerium daraus, dass der Kreis Calw bei Bewerbern als unattraktiv gilt. Kultusministerium-Sprecher Reinhard macht deutlich: "In Heidelberg, Karlsruhe und Freiburg bewerben sich auffallend viele Lehrkräfte und überwiegend nur in einem begrenzten räumlichen Radius. Dagegen fehlen im Großraum Stuttgart Bewerber, obwohl auch hier Lehrkräfte ausgebildet werden und ein urbanes Umfeld mit sehr guter Infrastruktur auch mit Blick auf den ÖPNV gegeben ist. Angeführt werden hier zum Teil die hohen Lebenshaltungskosten – insbesondere mit Blick auf Wohnraum. In vom Mangel betroffenen Regionen im ländlichen Raum spielen die Lebenshaltungskosten sicher keine Rolle. Wie der Landkreis Calw haben die Regionen viel zu bieten. Die geringe Zahl an Interessenten an Stellen in ländlicheren Regionen ist ein Phänomen, das nicht nur bei Lehrkräften existiert, sondern auch bei anderen Berufsgruppen, wie beispielsweise Ärzten."