Da ist die Luft raus: Im Zollernalbkreis beteiligten sich immer weniger Vereine an den Wertungsspielen. Die Anforderungen seien zu hoch. (Symbolfoto) Foto: Maier

Viele Orchester fühlen sich abgehängt. Profis und Hobby-Musiker haben teils widerstrebende Interessen.

Zollernalbkreis - Ist die Literatur für Blasmusikorchester bei den Wertungsspielen zu schwer geworden? Haben die Verantwortlichen beim Landesmusikverband den Brotkorb für Blasmusiker und Dirigenten in den letzten Jahren zu hoch gehängt?

Zwischen Höchst- und Oberstufen-, Mittel- und Unterstufenorchestern scheint mittlerweile nicht nur im Zollernalbkreis ein harter Wettbewerb um die Einstufung zu herrschen. Viele Orchester fühlen sich abgehängt und werfen das Handtuch.

Im Musikverein Jungingen wurde das Thema kontrovers diskutiert. Obwohl der ehrgeizige junge Dirigent Thomas Brolde gern dabei gewesen wäre, entschieden sich die meisten Aktiven dagegen und winkten – zumindest für 2014 – dankend ab. Jetzt hofft Brolde darauf, seine Musiker wenigstens noch für das Wertungsspiel 2015 motivieren zu können.

Konflikt schwelt seit langem

Doch das Junginger Orchester ist nur ein Beispiel unter vielen. Die Teilnahme am Wertungsspiel ging im Zollernalbkreis in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurück. 1969 waren es noch 34 Orchester, die sich den Juroren zwecks einer Höher-Einstufung stellten, 1979 kamen 22, 1986 waren es 21, 2001 traten nur noch zwölf an und in diesem Jahr werden es wieder zwölf, vielleicht auch 15 Orchester sein.

Der Konflikt schwelt seit langem. Denn beim Thema Wertungsspiele stoßen ambitionierte Berufsmusiker, die meist auch hinterm Pult stehen und als Funktionäre in den Kreis- und Landesverbänden aktiv sind, auf Hobby-Bläser, die der Musik zur Entspannung und in ihrer Freizeit frönen. Und was den Bläser-Nachwuchs angeht: "Zu den Blasmusik-Vereinen stoßen ja auch oft musikbegeisterte Kinder, deren Eltern die Beiträge für die Jugendmusikschule nicht aufbringen können oder wollen", sagt eine Mutter. Die Kinder seien in den Schulen immer mehr eingespannt, haben ständig nachmittags Unterricht, im Musikverein sollen sie jetzt auch noch auf Leistung getrimmt werden. Man könne auch was Einfacheres spielen, das schön klingt. Hauptsache sei doch, dass der Nachwuchs die Lust an der Musik nicht verliere.

Der Landesverband widmet dem Thema in der März-Ausgabe der Fachzeitschrift "Forte", dem offiziellen Organ der baden-württembergischen Blasmusiker, eine ganze Seite. Unter der Überschrift "Fachbereich Musik veröffentlicht Informationsschrift zum Wertungsspiel", nimmt die zuständige Kommission Stellung, räumt "Ungereimtheiten in den Listen" der Pflicht- und Selbstwahlstücke ein und erklärt ausführlich das Verfahren.

Verfasser des Textes ist Bruno Seitz, Landesmusikdirektor des Blasmusikverbandes. Er sagt: "Es ist unbestritten und sehr erfreulich, dass durch die qualifizierte Ausbildung, die landauf und landab unseren Jungmusikerinnen und Jungmusikern zuteil wird, das Niveau der Blasmusik stark gestiegen ist. Durch über Jahrzehnte gut geführte Ausbildungsstrukturen in den Vereinen und zielführende Vorgaben der Landesverbände wurde dies erreicht. Deshalb ist es notwendig, bestimmte Werke neu einzustufen oder sie aus der Liste herauszunehmen, weil die Grundvoraussetzungen anders geworden sind."

Gerhard Schuler, Vorsitzender des MV Jungingen hält dagegen: "Leichtere Anforderungen würden mehr Kapellen zum Wettstreit animieren und eine abgestufte Bewertung wäre dennoch in der ganzen Bandbreite möglich. Ich habe den Eindruck, dass bei den Entscheidungsträgern des Landesverbands der Bezug zur Basis gelitten hat. 80 Prozent aller Musiker/-innen machen Musik als Hobby, zur Freude, engagieren sich gerne im Verein, genießen das Gemeinsame, die Kameradschaft, wollen musikalisch etwas erreichen, benötigen dazu aber nicht zwingend ein Wertungsspiel."

Sein Vereinskamerad Gustolf Kohler, Urgestein der Blasmusik, seit 58 Jahren aktiv, Ehrungssachbearbeiter und Beirat im Kreisverband, stößt ins gleiche Horn: "Besonders fällt in den letzten Jahren auf, dass Vereine, die nicht über eine optimale Besetzung in allen Registern verfügen, die Anforderungen der Pflichtstücke mangels Besetzung beim Vortrag nicht erfüllen können. Die Vergabe der Wertungen ist auch oft ein Ärgernis, denn es kann nur schlecht nachvollzogen werden, warum ein Verein zum Beispiel mit 80,5 Punkten die Note gut erhält und der andere mit 81 Punkten sehr gut. Ist das so genau messbar?"

Joachim Mager, Kreisverbandsdirigent und Dirigent des Oberstufenorchesters MV Obernheim, räumt unumwunden ein, dass er ein Fan des Stundenchores ist. "Das ist eigentlich das Aussagekräftigste, weil es ein bisher neues Stück ist, das noch niemand kennt und die Juroren zwischen den Stundenchor-Teilnehmern, die alle das Gleiche spielen und die gleiche Vorbereitungszeit hatten, den direkten Vergleich haben. Für die Orchester, die sich für den Stundenchor entscheiden, bedeutet es auch eine Zeitersparnis bei den Proben. Sie müssen in der Vorbereitung des Kreismusikfestes und des Wertungsspiels nur ein Stück einstudieren, ihr Selbstwahlstück."

u Im Zollernalbkreis gibt es rund 6000 Blasmusiker, die in 83 Vereinen aktiv sind. Wertungsspiele finden üblicherweise im Rahmen des Kreismusikfestes statt, in diesem Jahr vom 18. bis 21. Juli in Dotternhausen. Die Orchester müssen dabei zwei Musikstücke vortragen – ein Pflichtstück und ein Selbstwahlstück, welches sie selber aus den Listen des Landesverbandes aussuchen.

Das Selbstwahlstück können sie durch die Teilnahme am so genannten Stundenchor ersetzen. Dieses Stück bekommen sie 60 Minuten vor dem Auftritt genannt und haben dann eine Stunde Zeit, es einzuüben.