An den Rändern franst es aus: Die Grafik zeigt die Marktanteile der beiden Häuser des Zollernalb-Klinikums. Viele Patienten wandern demnach in Krankenhäuser in umligenden Landkreisen ab. Grafik: Zollernalb-Klinikum

Aktuelle Erhebung zeigt: Einzugsgebiet der Klinik ist deutlich kleiner als der Zollernalbkreis.

Zollernalbkreis - Was ist die Aufgabe des Zollernalb-Klinikums? Ganz klar: die medizinische Versorgung der Bevölkerung aus dem Zollernalbkreis. Um eine Strategie für die Zukunft erarbeiten zu können, sind anhand der Postleitzahlen die Patientenströme erfasst worden.

Zu wissen, was gebraucht wird, ist eine wichtige Voraussetzung bei der Planung eines Zentralklinikums. Das vorläufige Ergebnis: Der Haupteinzugsbereich ist deutlich kleiner als der Landkreis. "Vor allem an den Rändern verlieren wir Patienten an die Mitbewerber", fasst Klinik-Geschäftsführer Gerhard Hinger zusammen.

Dabei seien deutliche Unterschiede zu erkennen: Während aus dem Raum Balingen 100 Prozent der Patienten ins Zollernalb-Klinikum kommen, seien es im Raum Albstadt nur noch 80 Prozent. "Dort haben wir den Mitbewerber direkt vor der Haustüre", sagt Hinger. Sigmaringen. Und aus dem Raum Hechingen und Burladingen würden sich viele Patienten in Richtung Tübingen oder Reutlingen orientieren. Aus dem Schlichemtal und vom Kleinen Heuberg gingen Patienten hingegen häufig nach Rottweil. Fazit: "Es ist noch Potenzial vorhanden, wir haben Abwanderungen", fassen Hinger und der Ärztliche Direktor des Klinikums, Michael Bitzer, zusammen.

Blick auf die Marktanteile

Es gibt aber auch noch eine andere Betrachtungsweise: die der Marktanteile. Um herauszufinden, wie viele Patienten mit einer bestimmten Erkrankung ins Zollernalb-Klinikum gehen und wie viele ein anderes Krankenhaus aufsuchen, wurde auf Daten des Statistischen Landesamts und der Kreisverwaltung zurückgegriffen – und hochgerechnet. "Man weiß zum Beispiel, wie häufig Darmkrebs je 1000 Einwohner auftritt", erklärt Hinger. Warum in diesem und in einigen anderen Bereichen fast die Hälfte der Patienten ein anderes Krankenhaus als das Zollernalb-Klinikum aufsuchen, kann er nur so erklären: "Sie wissen nicht, dass das auch hier behandelt werden kann." Die Meinungsbildung spiele wohl eine wesentliche Rolle.

Dazu komme noch ein anderer Aspekt: "Wir wissen, dass etwa 16 Prozent der Patienten privat versichert sind. Tatsächlich kommen aber nur sechs Prozent der Privatversicherten ins Zollernalb-Klinikum." Warum das so ist? Haben sie kein Vertrauen? Sind sie beruflich anderswo unterwegs? "Wir wissen nicht, warum. Wir wissen nur, dass es so ist. Da gibt es auf jeden Fall Verbesserungspotenzial", sagt Hinger. Er will die Kompetenzen besser herausstellen, Schwerpunkte wie Darmzentrum, Herzkatheterplatz und Endoprothetik "in die Köpfe bringen".

Ein weiteres Beispiel: Die Geburtenabteilung habe einen sehr guten Ruf, auch Patientinnen aus dem Raum Sulz und Horb kämen her. "Aber nur 53 Prozent der Neugeborenen im Zollernalbkreis sind hier zur Welt gekommen. 47 Prozent der Schwangeren schenken uns nicht das Vertrauen", so Hinger. Klar: Eine Pädiatrie, also Kinderabteilung, gebe es hier nicht, für eine Zulassung seien die Hürden zu hoch. "Hätten wie eine Chance auf Zulassung, wären wie die Letzten, die Nein sagen."

Um die Zukunftsfähigkeit zu sichern, muss laut Michael Bitzer berücksichtigt werden, welche Erkrankungen es in den kommenden 20 oder 30 Jahren geben werde: "Die Menschen werden immer älter. Das bringt aber auch Erkrankungen mit sich, die man vor 20, 30 Jahren nicht gekannt hat." Zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, neurologische Erkrankungen oder Tumorerkrankungen. "Da ist es notwendig, sich gut aufzustellen", sagt Bitzer. Geplant sei, das Tumorzentrum auszubauen, eine neurologische Klinik zu etablieren und die Stroke-Einheit durch einen Neurologen zu stärken.

"Wir haben eine breite Verantwortung im Gesundheitswesen, auch bei der Ausbildung künftiger Allgemeinmediziner", sagt Bitzer. In den nächsten Jahren würden viele Allgemeinmediziner aufhören, es gebe keine Nachfolger. Das Modell der Zukunft könnten Medizinische Versorgungszentren mit unterschiedlichen Betreibern sein, in denen die Ärzte angestellt werden.

Vor allem für Frauen sei das wichtig, die Arbeit und Privates unter einen Hut bringen wollen: Sie seien durch das Anstellungsverhältnis abgesichert. "Auch hier ist das Klinikum mit in der Verantwortung. Ohne Zentralklinikum werden wir in Zukunft auch keine niedergelassenen Ärzte mehr haben", sagt Michael Bitzer.

Die neue Erhebung zu den Patientenströmen und den Maektanteilen ist auch für die Kreisräte von Bedeutung: Die Analyse kann ein Fingerzeig dafür sein, an welcher Stelle ein mögliches Zentralklinikum gebaut werden soll. Der Kreistag befasst sich mit dieser Frage in der Sitzung am Montag, 11. Dezember. Drei Standorte sind im Gespräch: das Areal Firstäcker zwischen Balingen-Dürrwangen und Albstadt-Laufen, das Gebiet Bisingen-Nord sowie "Kelleregert", eine Fläche nahe Weilstetten.