Nachtschalter, Notfallklappe oder Türspalt – die meisten Apotheken im Kreis beteiligten sich an dem gestrigen Protesttag. Die Mitarbeiter informierten dabei Kunden über ihre Forderung nach einer Erhöhung der Honorare. Foto: SB

Viele Apotheker aus dem Kreis machen mit Protest auf ihre Forderung aufmerksam / Nicht alle ziehen mit

Zollernalbkreis - In vielen Apotheken im Zollernalbkreis wurden die Kunden gestern nur noch durch die Notfallklappe bedient. Mit Schildern im Eingangsbereich machten die Apotheker auf ihre Forderung nach höheren Honoraren aufmerksam.

Die Türe der Rosenfelder Stadt-Apotheke war nur einen Spalt breit geöffnet, an der Treppe stand auf einem Aufsteller in großen Buchstaben "Warnstreik" zu lesen. Wer gestern dort etwas kaufen wollte, wurde durch den Türspalt bedient und bekam auch noch einen Handzettel, auf dem die Gründe für den Warnstreik aufgelistet waren.

"Wir machen das aus Solidarität", informiert eine der drei Angestellten einen älteren Kunden. "Ja, das habe ich schon gehört", antwortete der.

Viele, aber nicht alle Kunden waren bereits vorab über den Protesttag informiert, etwa durch den Schwarzwälder Boten. Vor der Friedrich-Apotheke in Balingen etwa bildeten sich immer wieder kleine Schlangen – oder die Kunden schauten verwundert, um dann abzudrehen, weil sie meinten, es sei geschlossen.

Inhaberin Friederike Brodbeck und ihr Mitarbeiter Michael Egelhaar erklärten – wie viele andere Kollegen im Zollernalbkreis –, weshalb es die Medikamente gestern nur am Nachtdienstschalter gab: "Wir verdienen uns keine goldene Nase", so Brodbeck. Die angebotenen 25 Cent mehr Honorar je Arzneipackung glichen nicht einmal den Kostenanstieg der vergangenen Jahre aus. Bei den Kunden stieß sie auf Verständnis – die zusätzliche Wartezeit schien keinen Balinger zu stören.

Anders als in der Kreisstadt hatte die Elisabeth-Apotheke in Burladingen ganz normal geöffnet; die Sonnenapotheke in Bisingen und ihre Geislinger Zweigstelle auch. Die Inhaberin der Sonnenapotheken, Katharina Prowald, sagt: "Wir haben in der Vergangenheit noch nie gestreikt, und wir werden auch in Zukunft nicht streiken." Das Anliegen der Apotheker sei zwar gerechtfertigt, aber den Streit dürfe man nicht auf dem Rücken der Kunden austragen. Aus Protest die Türen geschlossen zu lassen und durch die Notfallklappe zu bedienen, sieht die Inhaberin der Sonnenapotheken als "schlechten Service" an.

Keine geschlossene Streikfront

In Albstadt war es nicht gelungen, eine geschlossene Streikfront auf die Beine zu stellen: Die Ebinger Apotheken waren gestern alle geöffnet. Wie Hans-Joachim Hofmann, Inhaber der Tailfinger Langenwand-Apotheke, auf Anfrage bestätigte, waren die Ebinger Kollegen zwar, von einer Ausnahme abgesehen, streikwillig, aber die Ausnahme gab den Ausschlag, da die Ebinger Linie "Alle oder keiner" lautete. Die vier Tailfinger Apotheken und jeweils eine in Onstmettingen und Truchtelfingen blieben dagegen geschlossen.

Hofmann, der dem Beirat des Landesapothekerverbands angehört, verwies gegenüber dem Schwarzwälder Boten darauf, dass die durch den Ausstand entstandenen Engpässe langfristig dauerhafte Realität werden könnten, wenn Inflation, steigende Angestelltenlöhne und durch wachsende Bürokratie verursachte Investitionen weiter an der ökonomischen Substanz zehrten. Hier müsse ein Ausgleich geschaffen werden. Das derzeitige Angebot der Bundesregierung sei völlig ungenügend.

"Sie habet Reacht", begrüßte gleich ihr erster Kunde gestern die Hechinger Apothekerin Petra Spranger. Den ganzen Tag über, während dem sie mit ihren Kolleginnen an der Notfallklappe bediente, überwogen bei der Kundschaft die zustimmenden und aufmunternden Kommentare.

"Wir Apotheker gelten immer noch als reich", erklärt sie. Mit der Aktion wolle man auch signalisieren, dass diese Zeiten vorbei seien, dass sich die Situation seit den 1980er-Jahren permanent verschlechtert habe. Das betreffe nicht nur ihre Berufskollegen. "Immer mehr kleine Apotheken müssen schließen. Außerhalb der Städte gibt es kaum mehr welche", erklärt sie.

Sich an diesem Warnstreik zu beteiligen, habe sie Überwindung gekostet, aber die Forderungen seien ihrer Ansicht nach berechtigt. Und sie ist entschlossen, hier nicht locker zu lassen. "Ich glaube, dass die Streiks noch nicht vorbei sind", meint sie.

Seit 35 Jahren betreiben Hans-Joachim und Liselotte Kasten die Obere Apotheke in Haigerloch. Gestern haben auch sie sich dem Streik angeschlossen und ihre Apotheke im Haigerlocher Gesundheitscentrum geschlossen.

Hauptsächlich aus Solidarität mit vielen jüngeren Kollegen, wie Hans-Joachim Kasten erklärte. Die Erhöhung der Vergütung pro Abgabe eines Medikaments von 8,10 Euro auf 8,35 Euro bezeichnet er als "Frechheit". Das sei lediglich eine Steigerung von drei Prozent in zehn Jahren.

Dabei müssten die Apotheker finanziell und technisch permanent aufrüsten. Denn jeder Fehler, den sie machten, werde von den Krankenkassen mit "Nichtbezahlen" bestraft. Vergessen werde laut Kasten allzu leicht, dass jede Apotheke pro Medikament 2,05 Euro an die Krankenkasse als Rabatt abführen müsse, es den Apotheken aber selbst verboten sei, von den Medikamentenherstellern Rabatte anzunehmen. Gestattet sei nur ein Abschlag im Skontobereich. Weil er wie alle anderen Apotheken eine Fürsorgepflciht hat, erfolgte die Medikamentenabgabe bei ihm gestern in Form eines "Notdienstes" über die Klappe.