Die Treppe vom Bahnsteig zur Calwer Bischofstraße ist von Abfall gesäumt: Treppennutzer lassen dort offenbar einfach alles fallen, was sie loswerden möchten. Das ist das eine Problem. Das andere: Für die Reinigung fühlt sich die Deutsche Bahn nicht zuständig. Aus Sicht der Stadt ist sie es aber.
Eine Dönerbox, leere Pappbecher, dafür eine volle Windel, eine offensichtlich schmutzige Unterhose, leere Flaschen, Scherben, noch mehr Scherben und überall Kippen: Wer mit der Kulturbahn nach Calw kommt und die nördliche Treppe benutzt, um vom Bahnsteig in die Stadt zu gelangen, der sollte seinen Blick lieber auf die Stufen lenken. Rechts und links davon finden sich nämlich unappetitliche Hinterlassenschaften von Treppennutzern, die ihren Müll offenbar lieber ins Grüne werfen, statt in die dafür vorgesehenen Behältnisse.
Situation In den vergangenen Wochen und Monaten hatte sich wieder auffällig viel Abfall angesammelt. Am Dienstagmorgen vergangener Woche war das Schlimmste verschwunden: Offenbar auf unsere Anfrage hin hatte die Stadtverwaltung den Baubetriebshof beauftragt, sauber zu machen. Wieder einmal: Denn der Stadt ist das Problem durchaus bewusst – seit Jahren ist es es ein großes Ärgernis für Calw.
Zuständigkeiten „Die Sauberkeit am ZOB ist der Stadt extrem wichtig“, sagt die städtische Pressesprecherin Stefanie Schweigert. Schließlich ist der Bahnhof für viele Ankömmlinge das Erste, was sie von Calw sehen. Die Verwaltung sei mit der Situation auch sehr unzufrieden und arbeite an einer Lösung. Nur: So einfach ist das nicht. Denn aus Sicht der Stadt ist die Deutsche Bahn zuständig.
Für die wiederum ist das Thema schnell erledigt, wie die Anfrage unserer Redaktion ergibt. „Für die Treppe ist vollumfänglich die Stadt zuständig. Es handelt sich nicht um einen offiziellen Bahnsteigzugang“, teilt eine Sprecherin des Unternehmens dazu mit. Darüber hinaus würden der Bahn „keine Beschwerden“ zur Situation an der Treppe vorliegen. Lediglich auf dem Bahnsteig sei die DB für die Reinigung sowie das Leeren der Mülleimer zuständig.
Sechs knappe Sätze, mehr gibt es nicht zum Thema aus der Stuttgarter Bahn-Pressestelle. Dabei ist das Thema eines, das seit Jahren für Streit zwischen dem Unternehmen und der Stadt, beziehungsweise den Stadtwerken, führt.
Blick zurück Vor fünf Jahren war die Müllsituation schon einmal so schlimm: Damals fanden sich neben normalen Abfällen auch Spritzen an der Treppe. Die führt nicht nur zum Bahnsteig, sondern auch neben einem Wohnhaus in der Bischofstraße entlang. Ein Anwohner hatte damals berichtet, dass dies nicht das erste Mal sei, dass benutzte Spritzen herumlagen.
Doch zuständig fühlte sich für den Müll bereits damals niemand. Das Problem ist altbekannt und Folgendes: Die Deutsche Bahn wickelt den Verkehrsbetrieb am ZOB als Mieter ab, die Stadtwerke Calw betreiben das Parkhaus und die Anwohner nutzen die Treppe, um ins Haus zu gelangen. „Weder die Stadt Calw, noch die Stadtwerke Calw, beziehungsweise die ENCW sind zuständig“, hatte Rainer Stotz von den Stadtwerken vor fünf Jahren bereits erklärt. „Die Verkehrssicherungspflicht und die Reinigung dieses Bereiches obliegt alleine der Deutschen Bahn. Und im Mietvertrag ist die ganze Treppe eingezeichnet.“
Dokument verweist auf Bahn
An dieser Sicht hat sich auch 2024 nichts geändert. Den Stadtwerken liegt ein Vertragsdokument aus dem Jahr 1989 vor, unterzeichnet vom damaligen OB und einem Bahnvertreter, in dem der Bahnsteig und die Treppe farbig markiert sind. Versehen mit dem handschriftlichen Hinweis, in den markierten Bereichen sei die DB für Reinigung und Verkehrssicherung zuständig.
Aus Sicht der Stadt ist die Sache deshalb ebenfalls klar. Nur: Das allein sorgt noch nicht dafür, dass die Bahn die Reinigung und Maßnahmen, um die Nutzung der Treppe sicher zu machen, auch übernimmt. Als sie im vergangenen Sommer von Dornen fast zugewuchert war, war es am Ende wieder die Stadtverwaltung, die den Baubetriebshof beauftragte, die Triebe zu stutzen.
Selbstverantwortung Was natürlich ebenfalls helfen würde: Wenn die Nutzer der Treppe ihren Müll schlicht in die vorhandenen Mülleimer statt in die Natur werfen würden. Selbst wenn es direkt an der Treppe keinen gibt: Dass ein Exemplar dort viel ändern würde, bezweifelt Pressesprecherin Stefanie Schweigert. Im innerstädtischen Bereich befänden sich 60 Abfalleimer – und trotzdem ist wilder Müll zu finden. „Mehr Mülleimer lösen das Problem nicht“, ist die Erfahrung der Stadt.
Ausblick Auch die Auseinandersetzung mit der Bahn bleibt ein Ärgernis für Calw. „Wir sind mit der Situation auch nicht zufrieden und arbeiten an einer Lösung“, erklärt Schweigert. Zumal der ZOB gerade für die Hermann-Hesse-Bahn ertüchtigt wird. In Zukunft werden dort mehr Menschen denn je ankommen – und hoffentlich einen anderen ersten Eindruck von Calw haben als der, denn die vermüllte Treppe bietet.