Jennifer Eberling hat das Verkaufsfahrzeug Bonbon-Onkel wieder flott gemacht. Schon vor Ende der Pandemie steuert das feuerrote Mobil wieder erste Stationen an. Zuversicht strahlt auch ihr Lebensgefährte Jonas Bratkus aus.Foto: Wursthorn Foto: Schwarzwälder Bote

Pandemie: Jennifer Eberling bleibt Familienbetrieb treu / Rotes Süß-Mobil wieder auf dem Wochenmarkt

Das rote Süß-Mobil, das 2019 seinen 100. Geburtstag feierte, versucht in der Pandemie, wieder in die Spur zu kommen. Der Lastwagen war auf dem Hüfinger Wochenmarkt präsent.

Hüfingen (wur). Das hätte sich Jennifer Eberling vor zwei Jahren nicht träumen lassen: 2019 feierte der Bonbon-Onkel, das feuerrote Verkaufsfahrzeug voller Süßigkeiten, das von Behla aus Märkte und Veranstaltungen im Südwesten ansteuert, seinen 100. Geburtstag. Dieser Tage, im zweiten Jahr der Pandemie, startete die 35-jährige Chefin des Familienbetriebs in vierter Generation einen zaghaften Versuch, wieder in die Spur zu kommen.

Der Lastwagen mit dem rollenden Verkaufsstand mit gebrannten Mandeln, Magenbrot, Schoko-Obst und einer ganzen Front voller Haribo-Fruchtgummis war am Donnerstag erstmals seit langer Zeit auf dem Hüfinger Wochenmarkt präsent: ein Heimspiel, vor allem auch durch das Entgegenkommen der Stadtverwaltung ermöglicht.

Süßigkeiten werden verschenkt

Dem Neustart ging eine Grundsatzentscheidung voraus. Vor der Pandemie wollte die Unternehmerin noch expandieren. "Ich wollte ein kleineres Fahrzeug kaufen und mit Angestellten auf den Weg bringen", erinnert sie sich. Doch dann kam Corona. Im vergangenen März war Schluss. Der Verkauf war gestoppt, das Fahrzeug stand in einer Garage in Behla, zuvor war das "Bordmaterial" im Verwandten- und Freundeskreis verschenkt worden. So musste es nicht wegen des abgelaufenen Haltbarkeitsdatum vernichtet werden, wie es einem Großhändler passierte. Er musste Tonnen von Süßigkeiten abschreiben.

In Behla hielt sich der Verlust in Grenzen. "Wir standen noch vor dem Saisonstart", erinnert sich Eberling. In dieser Phase war noch nicht so viel Ware bestellt, man schaut noch ein bisschen, wie sich Trends entwickeln. Gleichwohl folgte ein Jahr ohne Einnahmen aus dem Süßigkeiten-Geschäft. Und wenn auch durch den rollenden Verkaufsstand keine Miete anfiel, musste doch der Lebensunterhalt bestritten werden. "Da ging es ums reine Überleben", sagt die fröhliche schwarzhaarige Frau. Corona-Hilfen für Dezember habe sie beantragt, aber noch kein Geld bekommen.

Unterstützung durch Lebensgefährten

Unterstützung fand sie bei ihrem Lebensgefährten Jonas Bratkus. Sie konnte in seinem Versicherungsbüro arbeiten, er unterstützt sie, wie am Donnerstag in Hüfingen, ab und an im Verkaufsgeschäft. Eberling ist gelernte Großhandelskauffrau und ausgebildete Heilpraktikerin. Zwischenzeitlich hatte sie auch überlegt, sich beruflich anderweitig zu orientieren. Das wäre das Ende für das feuerrote Kuriosum gewesen, das im Zeitalter von Großmärkten und Internetkauf so herrlich aus der Zeit gefallen scheint. Denn neben einem neuen Beruf wäre das nicht gegangen.

Die Entscheidung fiel pro Tradition. Und sie wird auf Basis des Vorhandenen getragen. Ein Start in Pandemiezeiten: Diese Form von Mut und Geschäftsoptimismus kennt die Familie. Denn der erste rollende Verkaufswagen in Deutschland feierte 1919 mitten in der Spanischen Grippe und im Jahr nach Ende des Ersten Weltkriegs den Start.

Zu den Anfängen 2021 gehört unter der Woche ein Standplatz beim XXL-Möbelhaus in Villingen. Was fehlt, sind die Veranstaltungen wie zum Beispiel die Freiburger Frühjahrsmesse. Märkte seien ohnehin nicht mehr die großen Umsatzbringer. Was zeitlos ist, ist die Lust auf Süßes. "Unsere Schokofrüchte sind sehr gefragt", zieht die junge Unternehmerin eine Nasch-Zwischenbilanz. Diese Kreationen in Eigenproduktion sind relativ neu im Programm. Aber auch Mandeln, Magenbrot und Lakritz, Schnuller, Bärchen oder Schlangen des Bonner Süßwarenherstellers in der selbst gemixten "gemischten Tüte" sind immer wieder der Renner. Und was ist der Hit unter den Fruchtgummi-Gestalten? Es sind die blaugrünen Schlümpfe, wie an der einsamen weißen Schaufel im leeren Glas zu erkennen ist.

Langjährige Beziehungen helfen

Dabei füllen sich die Gläser und Schachteln nicht von alleine. Eberling ist bei den meisten Produkten von Großhändlern abhängig: etwa für die Fruchtgummis oder Schoko-Leckereien. Diese Großhändler sitzen aber derzeit auf dem Trockenen. Sie besorgen sich keine Ware, weil sie ja auch nichts verkaufen können.

Da helfen die langjährigen, fast freundschaftlichen Geschäftsbeziehungen. Jennifer Eberling fährt direkt zum Händler und handelt eine definierte Abnahmemenge aus. Nicht bei allen Süßigkeiten geht das aber. Einem Magenbrot-Händler, einer der wenigen in Deutschland, stehe das Wasser so zum Hals, dass der Verkauf des leckeren, lebkuchenartigen Gebäcks wohl dauerhaft auf der Kippe steht.

Seit 1919 bereichert das rollende Verkaufsgeschäft Märkte und Veranstaltungen im Südwesten. Der Urgroßvater der heutigen Firmeninhaberin Jennifer Eberling gründete, so weiß es die Familiengeschichte, das erste fahrende Verkaufsgeschäft in Deutschland. Direkt nach Ende des Ersten Weltkriegs und mitten in der Spanischen Grippe, einer Pandemie mit Millionen Opfern. Dabei soll der Mittfünfziger bereits von Anfang an mit einem motorisierten Gefährt von Markt zu Markt unterwegs gewesen sein. Seine Urenkelin Jennifer Eberling übernahm das feuerrote Mobil vor zehn Jahren von ihren Eltern Peter und Barbara Eberling.