Wenn wir frisch verliebt sind, dreht sich alles nur noch um diese eine Person in unserem Leben. Foto: dpa/Christina Horsten

Auf einmal zählt nur noch der Partner. Warum lassen wir alles links liegen, wenn wir verliebt sind? Forscher ergründen, auf welchen Wegen Verliebtsein unser Gehirn komplett auf den Kopf stellt.

Liebe macht sprichwörtlich blind. Frisch Verliebte neigen dazu, den geliebten Menschen auf ein Podest zu stellen: Er wird idealisiert, alle Gedanken kreisen um ihn, man möchte ihm körperlich nah sein und seine Wünsche und Bedürfnisse erfüllen. Alles andere bleibt dabei oftmals auf der Strecke.

So funktioniert die Chemie der Liebe. Foto: dpa-Infografi/k

Wenn wir frisch verliebt sind, dreht sich alles nur noch um diese eine Person in unserem Leben. Warum wir uns so verhalten, versuchen Forschungsteams seit Jahrzehnten zu ergründen. Anteil hat einer neuen Analyse australischer Wissenschaftler zufolge ein durch positive Anreize angeregter Mechanismus, der bestimmte Verhaltensweisen aktiviert.

Bestimmte Hirnareale sind besonders involviert

Das überschäumende anfängliche Verliebtsein ist mit neuronaler Aktivität in Hirnbereichen verbunden, die etwa bei Belohnung und Motivation, Emotionen sowie sexuellem Verlangen und Erregung involviert sind.

Bekannt ist, dass bestimmte Hirnareale, die bei romantischer Liebe eine Rolle spielen, sich mit dem sogenannten Annäherungssystem oder auch Verhaltensaktivierungssystem, kurz BAS (Behavioral Activation System), überschneiden.

Das BAS bewirkt, dass wir positive Reize verstärkt wahrnehmen, uns mehr für sie interessieren, neugieriger sind und selbstbewusster handeln, wie Forscher im Fachjournal „Behavioural Sciences“ erläutern. Dabei unterscheidet sich die BAS-Sensitivität und damit die Stärke der Reaktion auf positive Anreize bei einzelnen Menschen.

Außergewöhnlicher Sinnes- und Verhaltensrausch

Dass wir geliebten Menschen eine besondere Bedeutung zukommen lassen, liegt am Zusammenspiel der Hormone Oxytocin und Dopamin. Foto: dpa/Annette Riedl

Ist das BAS aktiviert, führt dies zu einem Belohnungsgefühl, wie es ähnlich nach dem Konsum von Kokain, Amphetaminen, Heroin oder Alkohol auftritt. Diese Belohnungen sind sämtlich mit dem dopaminergen System verknüpft.

Kann eine geliebte Person so ein positiver Reiz sein, der das typische Verhalten von Verliebten mit auslöst? „Menschen, die romantische Liebe erleben, zeigen eine Reihe von Kognitionen, Emotionen und Verhaltensweisen, die auf eine gesteigerte BAS-Aktivität hindeuten“, heißt es in der Studie von Adam Bode von der Australien National University in Canberra und Phillip Kavanagh von der University of Canberra. Sie untersuchten den möglichen Zusammenhang zwischen BAS und romantischer Liebe nun genauer.

Hormone schärfen die emotionale Wahrnehmung

Ein Mann betrachtet sogenannte Liebesschlösser, die frisch Verliebte als Zeichen ihrer Treue an ein Geländer am Alten Strom in Rostock aufgehängt haben Foto: dpa/Jens Büttner

Den Ergebnissen zufolge gibt es tatsächlich ein Zusammenhang zwischen BAS und Verliebtsein, es reagiert auf Reize in Bezug auf die geliebte Person. Mit ihrer neu entwickelten Methode konnten die Forscher sogar erfassen, wie stark das Annäherungssystem jeweils auf den geliebten Menschen reagiert.

„Dass wir geliebten Menschen eine besondere Bedeutung zukommen lassen, liegt am Zusammenspiel der Hormone Oxytocin und Dopamin, die unser Gehirn freisetzt, wenn wir verliebt sind“, erläutert Kavanagh. „Im BAS sorgen diese Hormone dafür, dass soziale Reize – wie etwa der oder die Geliebte – stärker wahrgenommen werden. Im Wesentlichen aktiviert Liebe also Mechanismen im Gehirn, die mit positiven Gefühlen verbunden sind.“

Neurochemischer Cocktail wie unter Drogeneinfluss

Die rosarote Brille birgt auch Risiken. Foto: dpa/Jens Kalaene

„Ein heftig verliebtes Gehirn ist einem besonderen neurochemischen Cocktail ausgesetzt. Der Zustand ist ein wenig wie unter Drogeneinwirkung“, erklärt Christian Weiss, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.

Diese Veränderung im Botenstoff- und Hormonhaushalt könne auch mit risikobereiterem Verhalten einhergehen,so Weiss. „Die berühmte rosarote Brille, durch die verliebte Menschen die Welt sehen, lässt sie potenzielle Risiken eher ausblenden und Handlungen ausführen, die jenseits einer ‚vernünftigen‘ Kosten-/Nutzenrechnung liegen.“

Ähnlichkeiten mit einer Zwangsstörung

Verliebtsein lässt sich nicht nur mit der Wirkung von Drogen vergleichen, sondern weist sogar Parallelen mit einer Zwangsstörung auf. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Das bestätigt auch Paartherapeut Eric Hegmann: „Aus der Hirnforschung wissen wir, dass das Belohnungssystem von Liebenden vergleichbare Reaktionen zeigt wie beim Konsum. Ebenso kann Liebeskummer vergleichbare Entzugserscheinungen hervorrufen.“

Verliebtsein lässt sich nicht nur mit der Wirkung von Drogen vergleichen, sondern weist sogar Parallelen mit einer Zwangsstörung auf. „In bestimmten Hirnregionen kann man sowohl bei Verliebten als auch bei Menschen mit einer Zwangsstörung erhöhte Aktivitätsmuster beobachten.

Diese Bereiche sind Teil des Belohnungssystems und werden mit Gefühlen der Euphorie und Motivation verbunden», erläutert Weiss. „Damit erklären sich die intensiven Gedanken und vielleicht Verhaltensweisen, die auf ein spezifisches Ziel oder eine Person gerichtet sind und von denen man einfach nicht ablassen kann.“

Verliebtsein ist keine Frage des Alters

Liebe und Verliebtsein? Keine Frage des Alters. Foto: dpa/Sina Schuldt

Die Forscher erfragten bei 1556 jungen Erwachsenen, die sich selbst als „verliebt“ bezeichneten, was sie für ihren Partner bereit wären zu tun und welche Gefühle ihr Partner bei ihnen hervorruft.

Obwohl die Autoren der Studie nur Verliebte im Alter von 18 bis 25 Jahren befragt hatten, ist intensives Verliebtsein keineswegs nur jungen Menschen vorbehalten. Studien haben gezeigt, dass die Gehirnaktivitäten in der frühen Phase der Verliebtheit bei jüngeren und älteren Menschen ganz ähnlich sind, so Weiss. Auch Hegmann sagt: „Sich Hals über Kopf verlieben kann man in jedem Alter.“