Führende Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre neue Konjunkturprognose vorgestellt (Symbolbild). Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Der Frühling hat begonnen - für die deutsche Konjunktur aber nicht. Institute sehen Gegenwind. Die Wirtschaft sei «angeschlagen».

Berlin - Die deutsche Konjunktur kommt nur langsam wieder in Schwung. Führende Wirtschaftsforschungsinstitute schrauben ihre Wachstumserwartungen für dieses Jahr deutlich herunter. Sie erwarten für dieses Jahr nur noch ein Wachstum von 0,1 Prozent. Im Herbst waren sie von einem Plus des Bruttoinlandsprodukts für 2024 von 1,3 Prozent ausgegangen "Die Wirtschaft in Deutschland ist angeschlagen", sagte Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft in Berlin. 

Deutschland in der Konjunkturflaute 

2023 war die Wirtschaftsleistung in der größten Volkswirtschaft Europas um 0,3 Prozent zurückgegangen. Die deutsche Wirtschaft "kränkelt", heißt es in der Frühjahrsprognose der Institute. Es gebe Gegenwind aus dem In- und Ausland. Der private Konsum sei weniger dynamisch als erwartet - wegen Unsicherheiten warten viele Verbraucherinnen und Verbraucher ab, legen Geld beiseite und scheuen größere Anschaffungen. 

Dazu kommt, dass die Ausfuhren der Exportnation Deutschland trotz steigender weltwirtschaftlicher Aktivität gesunken sind, wie es weiter hieß. Durch ein tiefes Tal gehe die Baubranche. Auch hohe Krankenstände bremsten das Wachstum. Die Institute sehen zudem eine "Politikunsicherheit", die Unternehmen bei Investitionen hemme.

Nur langsame Erholung

Mit einem schnellen Aufschwung rechnen die Institute nicht. Zwar dürfte ab dem Frühjahr eine Erholung einsetzen - die Dynamik werde aber nicht allzu groß ausfallen. Zur wichtigsten Triebkraft dieses Jahr werde der private Konsum. Der Arbeitsmarkt sei robust. Die Löhne stiegen wieder stärker als die Verbraucherpreise. Sprich: viele Verbraucher haben mehr Geld in der Tasche. Im kommenden Jahr wachse dann vermehrt auch das Auslandsgeschäft, so die Institute. Sie rechnen für 2025 mit einem Wachstum von 1,4 Prozent.

Inflation sinkt

Gute Nachrichten gibt es zur Inflation: Nach hohen Raten in den beiden Vorjahren schwächt sich die Teuerung deutlich ab, unter anderem wegen gesunkener Energiepreise. Die Institute erwarten für 2024 einen Anstieg der Verbraucherpreise um 2,3 Prozent und um 1,8 Prozent im kommenden Jahr.

Wichtige Indikatoren deuten darauf hin, dass sich die Stimmung in der Wirtschaft aufhellt. Im März war das Ifo-Geschäftsklima deutlich gestiegen. Nach dem zweiten Plus in Folge lag der wichtigste Frühindikator für die deutsche Wirtschaft so hoch wie zuletzt im vergangenen Sommer. 

Zudem heißt es in der Prognose der Institute, der Gegenwind von den Finanzierungsbedingungen flaue allmählich ab. Eine im Sommer erwartete Zinssenkung der Europäischen Zentralbank könnte etwa dafür sorgen, dass der Wohnungsbau wieder Tritt fast. 

Wachstumsimpulse für den Standort

Vor kurzem hatten Bundestag und Bundesrat ein Wachstumspaket unter anderem mit steuerlichen Verbesserungen für Firmen verabschiedet - das Entlastungsvolumen aber schrumpfte in einem Vermittlungsverfahren merklich. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Mittwoch: "Das Gesetz war nur ein Anfang. Notwendig sind weitere Wachstumsimpulse, daran arbeiten wir in der Regierung."

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer forderte ein Aufbruchssignal. Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben nannte hohe Bürokratiebelastungen oder einen sich verschärfenden Fachkräftemangel. Die Rahmenbedingungen müssten dringend verbessert werden, um private Investitionen anzustoßen.

Habeck könnte bis zum Sommer zusammen mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) ein Paket vorlegen - die Frage aber ist, wie umfassend dies ist. So macht die FDP eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, die nur in einem geringen Umfang neue Schulden erlaubt, nicht mit.

Reformen gefordert - Kritik an Subventionen

Die Forschungsinstitute empfehlen eine "behutsame" Reform der Schuldenbremse. Dies wäre aber kein "Allheilmittel". Als wichtiger erachten sie eine Neugestaltung der Finanzverfassung über eine neue Föderalismusreform. Das Ziel: die Investitionen der Kommunen, die gut 40 Prozent der gesamten öffentlichen Investitionen ausmachten, sollten von kurzfristigen Haushaltsnöten abgeschirmt werden. Konkret ließen sich die Einnahmen der Kommunen etwa durch einen Hebesatz auf die Einkommenssteuer anstelle der Gewerbesteuer weniger abhängig von der Konjunktur gestalten. 

Ökonomen kritisierten außerdem den Kurs der Bundesregierung. Mit milliardenschweren staatlichen Subventionen für Unternehmensansiedlungen zum Beispiel in der Chipindustrie habe man den falschen Weg eingeschlagen, sagte Torsten Schmidt vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Es gehe vielmehr darum, bessere Rahmenbedingungen für alle Firmen zu schaffen - damit der Standort Deutschland attraktiver wird. 

"Es gibt nicht den einen Hebel, den man jetzt umlegen müsste", sagte Kooths. Er nannte zum Beispiel eine Reform bei den Unternehmenssteuern - die Wirtschaft klagt seit langem darüber, die Steuern seien im internationalen Vergleich zu hoch. Weitere Felder: mehr Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland oder Verbesserungen bei der Infrastruktur. 

Daneben geht es um Strukturreformen: Timo Wollmershäuser vom Ifo-Institut sagte, es wäre Aufgabe der Politik, den Menschen "reinen Wein" einzuschenken, sagte. So sei das bisherige Rentenniveau wegen der zunehmenden Alterung der Gesellschaft künftig nicht mehr finanzierbar. Experten erachteten als einzige Lösung, die Lebensarbeitszeit zu verlängern. 

Aus der Opposition kam erneut die Forderung nach einem Kurswechsel. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte: "Es braucht jetzt einen Comeback-Plan für Deutschland mit geringeren Unternehmenssteuern, wettbewerbsfähigen Energiepreisen und weniger Bürokratie."