Die Transportunternehmen sahen sich nie vor mehr Hürden gestellt. Der Geschäftsführer von Bächle Logistics, Marius Neininger, schildert eindrücklich, welche Auswirkungen Corona, der Ukraine-Krieg und die explodierenden Energiekosten haben. Foto: Schimkat

Ukraine-Krieg, die Explosion der Energiekosten, die Corona-Pandemie, der Fachkräftemangel – noch nie legte das Schicksal der Wirtschaft im Schwarzwald-Baar-Kreis so einen Haufen Steine in den Weg wie jetzt.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Eigentlich war es eine Pressekonferenz, welche die Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg veranstaltet hatte, um auf die Probleme hinzuweisen, die auf die Betriebe in der Region durch die Explosion der Energiekosten gerade mit Wucht zukommen. Doch rasch wurde klar: Die Herausforderungen dadurch sind zwar gewaltig, doch in Summe betrachtet, sind die Hürden, vor welchen die Unternehmer derzeit stehen, noch um ein Vielfaches vielfältiger.

Es ist ein gewaltiger Berg von Herausforderungen, mit welchem die Geschäftsführer und Betriebsleiter derzeit konfrontiert sind. Das machte auch Martin Schmidt, Projektleiter Verkehr bei der regionalen IHK in seinen einführenden Worten sehr deutlich. Der Fachkräftemangel branchenübergreifend, der Technologiewandel für eine Vielzahl von Unternehmen im Kammerbezirk, der Ukraine-Krieg und nun auch noch die explodierenden Energiekosten – "die Wirtschaft ist massiv unter Druck", stellte Schmidt trocken fest. Vieles ranke sich mit Blick auf letztgenannte Herausforderung derzeit um die Arbeitnehmer, es gehe um Arbeitnehmerpauschalen und Entfernungsboni, aber die Frage sei: Welches Paket schnürt die Politik nun für die Unternehmen? Senke man die Energiesteuer oder die COAbgabe, oder folge man darüber hinaus der "wilden Idee" Tankrabatt, gebe es bald ein Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen? 94 Prozent der befragten Unternehmen gaben in einer IHK-Umfrage an, mit den Energiekostenexplosionen zu kämpfen, Dreiviertel der Befragten spürten die Störungen in der Lieferkette und Logistik empfindlich. Klar ist: All das spüren am Ende auch die Verbraucher empfindlich. Wenngleich Betriebe versuchen, die Kosten auch auf anderen Wegen aufzufangen: 41 Prozent der Befragten gaben beispielsweise an, vorläufig auf sämtliche Investitionen verzichten zu wollen – das sei besonders "fatal", findet Schmidt. Ein Drittel sprach von Personalanpassungen – die eine oder andere Kündigungswelle dürfte also durch die Region rollen.

"Du kennst die Menschen, die da in den Krieg ziehen"

Wie kritisch die Lage beispielsweise im Güterverkehr ist, machte Marius Neininger, Geschäftsführer bei Bächle Logistics GmbH und Hugger Logistics, einer Zweigniederlassung der Bächle Logistics GmbH, klar: 90 Millionen Euro Jahresumsatz, 600 Beschäftigte in Deutschland, ein Fuhrpark mit 500 Fahrzeugen, darunter 300 eigene – es klingt nach einem gesunden Betrieb. Pro Tag werden 190 000 Kilometer von Bächle zurückgelegt. Noch. Denn: Die Beschaffung der Rohstoffe wird schwieriger, ein Weiterreichen der Kosten ist nur bedingt möglich, da sich die Preisspirale unaufhörlich nach oben bewegt – und auch die Attraktivität des Berufsbildes ist überschaubar bei allen im Gewerbe, die so nahe an der für Berufskraftfahrer viel lukrativeren Schweiz liegen. Doch damit nicht genug: Bächle beschäftigt schon seit Jahren 45 ukrainische Fahrer – "14 von ihnen sind zurück in die Ukraine zur Heimverteidigung", schildert Neininger. Über 100 000 Kraftfahrer aus der Ukraine seien in Deutschland im nationalen Verkehr beschäftigt, "wenn davon, wie bei uns, ein Drittel nach Hause geht und kämpft", sei das spürbar. Und das sei nicht nur personell ein Desaster, sondern auch menschlich: "Du kennst die Menschen, die da in den Krieg ziehen", das Unternehmen habe deshalb Hilfsaktionen gestartet, um für die Familien der Fahrer Wohnraum zu schaffen.

Neue Antworten und Lösungen

Auch wenn die Hoffnung zuletzt stirbt, dass die Politik die Leiden der Unternehmer im Gewerbe noch mildert, "bis das alles greift, vergehen Monate", so Neininger. Monate, die möglicherweise der eine oder andere nicht hat. Pro Tag sorge die Energiepreisexplosion für ein Kostendelta von 34 000 Euro, "das zu stemmen ist die größte Herausforderung überhaupt". Man müsse sich von Erdöl und Diesel unabhängig machen, in Photovoltaik-Anlagen investieren – eine Fünf-Megawatt-Anlage werde auf dem Firmendach bereits installiert, daneben laufe ein Förderantrag für zwei E-Lkw und vom Standort Herdenen in Villingen soll bald ein Wasserstoff-Lkw die Flotte unterstützen. Man brauche neue Antworten und innovative Lösungen – und das betrifft nicht nur den Energiemarkt, sondern auch die Logistik. Die Verkehrs- und Warenströme veränderten sich massiv durch tageweise Kurzarbeit in großen Firmen. So sei die Ersatzteilversorgung mit Steuergeräten miserabel, ein seit drei Monaten auf dem Hof stehender Lastwagen, dem die Steuergeräte fehlen, ist keine Seltenheit. Ein viel größeres Problem noch: "Bandstillstände durch das Thema Kabelbäume", Daimler, MAN und andere Branchenriesen werden mit Produkten versorgt – eigentlich. Ein anderes, ebenso brenzliges Thema: die Sanktionen gegenüber Russland, die auch die hiesige Wirtschaft empfindlich treffen: "Europaletten – das ganze Holz kommt aus Weißrussland", schildert Neininger. 2021 zahlte Bächle pro Palette sieben Euro, jetzt sind es 18 bis 21, "getrieben durch den Holzpreis und Spekulationen".

Chance für ÖPNV – aber die Kosten erdrücken

Busunternehmer Jochen Klaiber vom gleichnamigen Fahrdienst nickt bekräftigend, als Neininger die gewaltigen Herausforderungen schildert. 50 Busse, gesteuert von 120 Fahrern an 365 Tagen im Jahr zwischen 4.30 und 23 Uhr schickt er durch den Landkreis Tuttlingen. "Wir haben seit dem 1. Januar 63 Prozent Kostenanstieg im Diesel, davon 23 Prozent seit dem Ukraine-Krieg", bilanziert er. Unterm Strich: 1,2 Millionen Euro Mehrkosten, "nur für den Betrieb". Andere Busunternehmer, etwa im Reiseverkehr, seien durch die Coronakrise noch weit mehr gebeutelt gewesen und kämpften nun somit ihre zweite Schlacht. Nun sei die Preistreiberei auf dem Treibstoffsektor zwar eine Möglichkeit für den ÖPNV, Kunden zu gewinnen – "aber die Kosten muss man erstmal umsetzen", stellt Klaiber klar. Die Liquidität sei daher für sein Unternehmen derzeit das ganz große Thema, "es wird für uns schwer, das aufrecht zu erhalten".

Klar ergreife auch er neue Maßnahmen, so schule er alle Fahrer auf spritsparende Fahrweise. Er hoffe auf den Gewerbediesel und ja, auch bei seinem Busunternehmen sei das Thema fehlende Steuergeräte längst angekommen, während obendrein neue Fahrzeuge auf sich warten lassen.

Diesel-Kosten steigen – der Preis am Taxameter bleibt

Angesichts der gewaltigen Summen und Herausforderungen der großen Brüder in der Verkehrsbranche fühlt sich Martin Bösinger, Chef des gleichnamigen, im Schwarzwald verkehrenden Taxi-Unternehmens, schon fast unbedeutend: "In kleinem Maßstab geht es mir ähnlich", sagt er. Die gestiegenen Dieselkosten machen zu schaffen, wenn er seine 17 Taxis auf die Reise schickt. Im Januar 2021 musste er noch 10 000 Euro pro Monat an Dieselkosten bezahlen, im März 2022 war er an diesem 22., an dem das Pressegespräch stattfand, bereits bei 17 000 Euro für den Diesel. Weitergabe an den Kunde? Wohl kaum möglich, "die Preise im Taxameter sind durch die Rechtsverordnung gedeckelt", gibt er zu bedenken. Zehn bis 15 seiner Minijobber musste er über die Coronaphase entlassen, "weil ein Drittel des Umsatzes wegbracht" – trotzdem hat er nun ausreichend Personal, immerhin ein Problem, mit dem er aktuell nicht zu kämpfen hat.