Endlich wieder auf Ski die Piste runter, darauf freut sich Andrea Rothfuss besonders. Foto: Percival

Para-Ski: Rennläuferin Andrea Rothfuss absolviert akribisch Individualtraining. Ab Freitag wieder im Schnee. 

Die Winter-Vorbereitung läuft auch für die Para-Skifahrer nicht wie in normalen Zeiten. Für Andrea Rothfuss ist das aber kein Grund zu jammern – im Gegenteil.

Ihr abwechslungsreiches Trainingslager in Corona-Zeiten hatte die Para-Ski-Rennläuferin wenn nicht in ihrem aktuellen Zuhause im Remstal, dann in ihrer angestammten Heimat in Loßburg direkt vor der Haustür. Mittendrin im Schwarzwald, viel Platz und schönes Wetter: So ließ sich die ungewöhnliche Saisonvorbereitung für die 30-Jährige aushalten. "Ich konnte sehr viel Rad fahren und Laufen gehen", berichtet Rothfuss von den ersten Monaten der Coronakrise und klingt dabei keinesfalls wie jemand, der mit den Abstandsregeln und zunächst ausgefallenen Lehrgängen große Probleme gehabt hätte. "So konnte ich meinen Körper fit machen für den kommenden Winter."

Feinschliff holen

An diesem Montag sei sie gerade vom Optiker ihres Vertrauens auf dem Weg nach Hause, auch das gehört zu einer guten Vorbereitung, Rothfuss nennt es "Material überprüfen", dazu gehört neben den Ski, Anzug und Skischuhen auch der Feinschliff an einer optimalen Sehstärke ihrer Kontaktlinsen: "Die Sehleistung muss stimmen, im Rennen musst du ja in Sekundenbruchteilen alles mögliche aufnehmen und reagieren", sagt Rothfuss. Das Individualtraining sowie das ihr vom Olympiastützpunkt Stuttgart ermöglichte Training, das sie seit April unter Grundlagentraining verbucht und bei dem Kraft-Ausdauer im Vordergrund standen, hat sie abgeschlossen. Nun folgt die nächste Stufe.

Drei Tage in Hintertux

Am Donnerstag nämlich reist Rothfuss mit der Nationalmannschaft ins österreichische Hintertux. Von Freitag bis Montag "absolvieren wir unser erstes Schneetraining", freut sich Rothfuss. Eigentlich war ein Lehrgang in einer Skihalle in Holland vorgesehen, "aber die Ärzte rieten aufgrund eines möglichen nicht optimalen Hygieneschutzes ab. Der Hintertuxer Gletscher liegt auf über 3000 Meter, ist also ein Ganzjahresskigebiet. Wir erwarten zwar keine Schneemassen und der Schnee bietet vielleicht nicht die griffigsten Bedingungen, aber zuvorderst geht es ohnehin darum, ein Gefühl für den Ski zu bekommen. Wir erarbeiten uns eine solide Basis bevor das Stammtraining beginnt", sagt Rothfuss. Die coronabedingte Pause sei überdies so ungewöhnlich lang gewesen, "dass man erstmal wieder die Basics in den Kopf kriegen muss", ergänzt sie. Nicht mal ihre verletzungsbedingte Pause vor vier Jahren habe so lange gedauert.

Dabei zwinge einen der Verband nicht zu einer Teilnahme, "es ist kein Muss, am Ende liegt die Entscheidung bei mir. Aber der Verband steht jederzeit auf unserer Seite", betont Rothfuss – auch im Hinblick auf den Saisonkalender und die aktuellen Ereignisse. "Da ist zum Beispiel im Januar ein Weltcuprennen im spanischen La Molina angesetzt. In der jetzigen Zeit ist eine Austragung eigentlich undenkbar", sagt Rothfuss. Und doch bereitet sich Rothfuss auf die Saison vor, als würde das Programm zu 100 Prozent durchgezogen. Nur vorsichtig müssten alle sein, "damit das System nicht zusammenbricht".

Es geht ja auch noch um etwas für die Ausnahmeskifahrerin. Und dazu zählt sie nicht nur den Europacup im November, mit dem offiziell der Startschuss in die Saison fällt. Und auch nicht unbedingt die Weltcuprennen, die mit dem Sprintwettbewerb im Januar in ebenjenem La Molina eingeläutet werden sollen, gefolgt von der WM im Februar in Norwegen. Das alles möchte Rothfuss nicht schmälern und sie hofft natürlich so oft wie möglich wieder auf dem Siegertreppchen zu stehen.

Highlight Peking 2022

Ihr besonderes Augenmerk liegt aber im März auf dem Weltcupfinale in Peking. "Das wird die eigentliche Standortbestimmung für die Olympischen Spiele 2022 in Peking – das absolute Highlight", weiß Rothfuss. Sie wisse wohl, dass sie nicht mehr die Jüngste sei, ein Ende habe sie gleichwohl nicht vor Augen, "eher bin ich etwas reflektierter". Ob sie es noch nötig hat, auf Medaillenjagd zu gehen, wo sie doch von jeder Farbe mindestens eine hat? Neun Silber- sowie drei Bronzemedaillen hat sie bei den Paralympics bisher gewonnen, und eine goldene. "Davon noch eine zweite, das wäre schön", sagt sie.

Auch deswegen ist es für sie momentan so wichtig, "in alles reinzufinden, die nötige Routine zu bekommen, auch wenn die Abläufe jetzt im Prinzip wie immer sind". Lamentieren bringt ohnehin nichts – und bislang hat Rothfuss ja das Beste aus der Situation gemacht.