Die Zwillinge Lea und Tim Nechwatal verbringen ihre Jugend Seite an Seite mit Biathlon. Foto: Schuon

Biathlon: Zwillinge Lea und Tim Nechwatal (WSV Schömberg) arbeiten gemeinsam für Traum von einer Profi-Karriere.

Es ist still im Wald des Schömberger Erholungsgebiets Hengstberg. Dann fallen fünf Schüsse im Sekundentakt. Doch es sind keine Jäger unterwegs. Hier wird auf Scheiben geschossen.

Lea Nechwatal liegt auf einer grauen Gummimatte, mit dem Luftgewehr im Anschlag. Zehn Meter vor ihr befindet sich ein Stand mit den Scheiben, wie man sie vom Biathlon aus dem Fernsehen kennt – nur kleiner. "Die Zielgröße wird auf die Distanz übertragen", erklärt ihr Vater Ralf. Kürzere Distanz, kleinere Ziele. Wieder feuert die 14-Jährige eine Salve ab, aber die Scheiben bleiben schwarz. Der Grund: Lea hat auf andere Ziele geschossen, auf Ringe, wie im Schießsport. "Ich treffe die eins einfach nicht", ruft sie ihrer Trainerin zu. Die Erklärung kommt direkt hinterher: "Ich muss jeden Ring von eins bis zehn treffen."

Während Lea an diesem Tag nur Schießübungen absolviert, macht der Rest der Trainingsgruppe Läufe mit Schießeinlagen. Einsam vorneweg läuft, wie so oft, Tim Nechwatal.

Die Zwillinge gelten als große Nachwuchshoffnungen. Tim hat in den vergangenen beiden Jahren den Schülercup in seiner Altersklasse gewonnen. Lea wurde vergangene Saison Zehnte, in der Saison zuvor Vierte. Auch sie feierte bereits einige Einzelsiege.

Und weil die beiden so gut sind, wurden die Zwillinge in diesem Jahr ins Trainingscamp von Kati Wilhelm eingeladen. Dies werden nur besten 17 Nachwuchsbiathleten im Alter von 13 bis 15 Jahren aus Deutschland. Dabei haben die Jugendlichen vieles von der dreifachen Olympiasiegerin und fünffachen Weltmeisterin gelernt. Neue Stabilisations- und Koordinationsübungen zum Beispiel, oder Techniktricks beim Training in der Oberhofer Skihalle. Ganz spannend für die Kinder war auch, den Wachstruck des Deutschen Skiverbandes zu sehen. Die mobile Werkstatt der Wintersportler, in der die Ski präpariert werden. "Was ich jedoch am meisten mitgenommen habe, ist Motivation", sagt Tim Nechwatal. Seine Schwester nickt.

Mit Kati Wilhelm haben die beiden eines ihrer Idole kennengelernt. Das, was die 41-Jährige erreicht hat, ist auch das Ziel der Nechwatals. "Das ist jetzt unser letztes Jahr bei den Schülern. Danach kommt der Deutschlandcup, dann der IBU-Cup, dann hoffentlich der Weltcup und irgendwann Olympia", zählt Tim den Plan auf. Um dieses Ziel tatsächlich irgendwann einmal zu erreichen, steht für die Zwillinge ein entscheidendes Jahr an. Denn die letzte Saison bei den Schülern bedeutet gleichzeitig die letzte Saison mit dem Luftgewehr. Danach wird mit dem Kleinkalibergewehr auf 50 Meter entfernte Ziele geschossen – so wie beim Weltcup oder bei den Olympischen Spielen. "Das ist dann etwas ganz anderes als bisher", sagt Tanja Bauer, die Trainerin der beiden beim WSV Schömberg. Und das nicht nur wegen den Schießeinlagen. Denn ab dem Juniorenbereich muss das mindestens 3,5 Kilogramm schwere Gewehr auch mit auf die Runden genommen werden. "Das ist quasi eine ganz neue Sportart." Die 42-Jährige muss es wissen. Sie hat selbst zwölf Jahre lang Biathlon als Leistungssport betrieben. 1996 gab sie ihr Debüt im Weltcup, zuvor war sie sechsmal deutsche Jugendmeisterin. "Und um heutzutage in die Weltspitze zu kommen, musst du einfach konstant die null schießen" – fehlerfrei im stehenden und liegenden Anschlag. Die wenigstens Rennen werden auf der Strecke entschieden, die meisten am Schießstand. Das sei im Jugendbereich noch anders, da könne man Fehler leichter kompensieren.

Meistens werden die Sportler jedoch bereits in jungen Jahren "versaut". Wichtig sei, dass der Ablauf am Schießstand immer der gleiche ist, und die Schießhaltung von Anfang an richtig antrainiert wird. Oft werde das vernachlässigt oder zu spät erkannt. "Das im Erwachsenenalter wieder zu korrigieren, ist extrem schwierig", erklärt Bauer.

Es ist warm in Schömberg, 25 Grad Celsius, leicht bewölkt. Wintersportler müssen auch im Sommer trainieren. Das gehört dazu. "Biathlon findet immer statt", erklärt Tanja Bauer. Bei Sonne, Regen, Hagel, Schnee. "Es ist halt eine Outdoor-Sportart." Für Lea und Tim Nechwatal ist das kein Problem. Bis zu fünfmal trainieren sie in der Woche. "Was die beiden auszeichnet, ist ihr Ehrgeiz und diese Disziplin", sagt die Trainerin. "Die muss man in keinem Training motivieren, sind immer voll dabei." Wo sie diese Motivation herhaben? Vater Ralf schüttelt den Kopf und sagt: "Ich weiß es nicht." Der Sohn hat die Antwort parat: "So lange ich ein Ziel verfolge, macht es einfach Spaß", sagt Tim. "Und in jedem Winter habe ich dieses Ziel vor Augen." Dann, wenn sein Vorbild Martin Fourcade im Weltcup die Konkurrenz meilenweit hinter sich lässt.

Der Aufwand, den seine Kinder betreiben "ist enorm", findet Vater Ralf Nechwatal. Gemeinsam mit der Trainerin sorgt er zudem dafür, dass die Schule nicht vernachlässigt wird. "Das gehört einfach zur Disziplin mit dazu", findet Bauer. "Wer im Sport weit kommen will, muss auch in der Schule gut sein." Doch auch hier habe es mit den Zwillingen noch nie Probleme gegeben. "Das kenne ich auch anders", fügt Tanja Bauer lachend hinzu.

Ein Geheimnis von Lea und Tim Nechwatal ist der Ansporn des anderen. "Das ist sehr hilfreich", erklärt Lea. "Wir ärgern uns häufig gegenseitig. Das motiviert zusätzlich an." Was sich liebt, das neckt sich. "Schließlich will man immer schneller sein als der andere", ergänzt Tim.