Karriereende für Hannah Klein. Foto: Klein

Biathon: Nach zwölf Jahren legt Hannah Klein das Gewehr nieder. Leistungen haben nicht mehr gestimmt. 

Jahrelang erzielt Biathletin Hannah Klein nur Erfolge, läuft unzählige Male aufs Siegertreppchen – dann ist plötzlich Schluss. Mit 20 Jahren hat sich Klein entschieden, ihre Karriere zu beenden. Einer der Gründe: das Aus bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr.

Nach dem emotionalen Zieleinlauf am Notschrei wird Hannah Klein von ihren langjährigen Weggefährten empfangen. Sie warten mit Transparenten auf sie, feiern die Sportlerin mit einer Sektdusche. Ein Wechselbad der Gefühle für die junge Biathletin: "Vor diesem Rennen war ich ganz schön aufgeregt. Aber es war eine andere Aufregung als sonst", erzählt Klein. Dass das so ist, hat einen Grund: Es ist ihr letztes Rennen. Nach zwölf Jahren beendet sie ihre Biathlon-Karriere.

Silber in der Gesamtwertung des Deutschlandpokals

Begonnen hat alles mit dem Umzug nach Schömberg. Zwei Freundinnen, beide Mitglieder beim WSV, überredeten Klein damals sich das Skilanglauf-Training anzusehen und selbst einzusteigen. Aus dem Hobby wurde schnell mehr. Mit zehn Jahren lernt sie unter der Leitung der Trainerinnen Tanja Bauer und Miriam Zeimet das Schießen mit dem Luftgewehr, mit 15 Jahren folgt der Umstieg auf das Kleinkalibergewehr. Der Spaß am Sport ist so groß, dass sie auf das Skiinternat nach Furtwangen wechselt. "Man macht dort nicht viel anderes als Sport", verdeutlicht Klein die Intensität des Trainings. Von da an dominiert der Sport ihr Leben – und damit auch der Druck immer zu funktionieren. "Es herrscht schon ein enormer Leistungsdruck, aber man lernt damit umzugehen", versichert die Biathletin.

Unter den Fittichen von Landestrainer Steffen Hauswald schafft sie den Sprung in den C-Kader und in die Reihen der Sportfördergruppe der Bundeswehr in Todtnau. Ein großer Erfolg für die junge Sportlerin. "Da war ich schon stolz auf mich", gibt die heute 20-Jährige verlegen zu. Mit erfolgreichem Abschluss des Abiturs 2018 wechselt die Sportlerin nach Freiburg in die Trainingsgruppe von Roman Böttcher und setzt dort nach der Grundausbildung bei der Bundeswehr ihre Profisportkarriere als Sportsoldatin fort.

Etliche Auszeichnungen folgen. Die größten Erfolge: Gold bei den Deutschen Jugend- und Juniorenmeisterschaften 2016 am Notschrei, Silber bei den Deutschen Jugend- und Juniorenmeisterschaften im Einzel, im Sprint und in der Staffel 2017 in Oberhof und Silber in der Gesamtwertung des Deutschlandpokals in der Saison 2017/18. Dann der Schock: Vergangenes Jahr reichen die Leistungen der Profisportlerin nicht mehr aus. Sie schafft es nicht, den Ansprüchen gerecht zu werden.

Schnell folgen die Konsequenzen: Sie muss die Sportfördergruppe verlassen. "Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Vor allem weil ich im April noch die Grundausbildung gemacht habe", erzählt Klein, wie sie die Nachricht im Mai überrascht hat. "Normalerweise haben sie einem mindestens noch mal ein Jahr gegeben. Aber gerade gibt es so viel Nachwuchs, dass ich und noch ein anderer direkt rausgeflogen sind", erklärt die 20-Jährige.

Nach stundenlangem Überlegen mit ihrem Trainer entschließt sie sich dennoch dem Sport treu zu bleiben, es weiter zu versuchen – wenn jetzt auch ohne finanzielle Unterstützung.

"Im September liefen die deutschen Meisterschaften dann auch nicht nach meinen Vorstellungen und nach der einwöchigen Pause im Anschluss, war es komisch wieder einzusteigen", beschreibt Klein. Sie fasst den Entschluss die Karriere endgültig zu beenden, "und ich bin der vollen Überzeugung, dass das die richtige Entscheidung war." Denn neben der finanziellen Frage wird auch der Wunsch, einen Beruf zu erlernen und sich in der normalen Berufswelt zurecht zu finden, immer größer.

Dennoch fällt die Umstellung schwer. Der Sport, der vorher ihr Leben bestimmt hat, ist plötzlich kein Teil mehr davon. "Am Anfang war es schon komisch, aber mittlerweile habe ich mich dran gewöhnt", erklärt Klein. "Ich bin gerade Tante geworden, das füllt den Alltag auch", fügt sie lachend hinzu. Und auch wenn sie an keinen Wettkämpfen mehr teilnehmen wird, ihr Wissen will sie wenn möglich an andere weitergeben, beispielsweise als Trainerin beim WSV.

Beruflich geht es für Klein in eine Richtung, die sie schon lange angesprochen hat. "Ich wollte früher Sportlerin oder Ergotherapeutin werden. Das war immer der Kindheitstraum", verrät sie. Deshalb zieht es die 20-Jährige nach Karlsruhe, wo sie sich zur Ergotherapeutin ausbilden lässt. Die Freude Menschen zu helfen und ihnen Erfolgserlebnisse zugänglich machen zu können, steht für sie dabei im Fokus.

Die treuesten Weggefährten sind die Familienmitglieder

Für ihre eigenen Erfolgserlebnisse während ihrer Profitkarriere und vor allem für die ständige Unterstützung ihrer Familie, Freunde und ihres Sponsors, des Modehaus Bartsch, ist Klein besonders dankbar. Und egal wie viele Kontakte sie über die Jahre geknüpft hat: "Meine treuesten Weggefährten waren meine Familie", ist sie sich sicher. Auch ihre Brüder zog es zeitweise zum Skisport – die Leidenschaft scheint also in der Familie zu liegen.

Bei ihrem letzten Rennen muss auch Klein ein paar Tränen verdrücken. Zu schön sind die Erinnerungen an die Zeit mit dem Team, die Wintervorbereitung in Norwegen und die Freundschaften mit anderen Sportlern, die sie in den vergangenen Jahren geschlossen hat. Viele von ihnen sind gekommen, um sich von ihr, zumindest auf der Piste, zu verabschieden. "Ich freue mich sehr über das große Interesse an mir und meinem Sport", sagt die junge Biathletin überwältigt. Und auch wenn sie das Gewehr erst mal niederlegt – in Erinnerung bleiben wird ihr dieser ganz besondere Lebensabschnitt mit Sicherheit noch lange.