Das Gartenhäuschen bei Winterbach nach dem Brandanschlag von Neonazis Foto: StN

Prozess um Brandanschlag auf fünf Migranten kurz vor dem Ende – Mordversuch nicht nachweisbar.

Stuttgart/Winterbach - „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Angeklagten mit weiteren Personen das Fest verlassen haben, um Kanaken zu jagen und zu schlagen“, sagt Staatsanwalt Rüdiger Fuchs und entschuldigt sich, dass er den Jargon der Rechtsextremen übernimmt. Der versuchte Mord sei nur im Schatten dieser rassistischen Hetzjagd möglich gewesen, so Fuchs.

Vom Vorwurf des Mordversuchs an fünf jungen türkisch- und italienischstämmigen Männern rückt der Ankläger, was die zwei 21 und 22 Jahre alten Angeklagten betrifft, jedoch ab. Den Männern könne die Brandlegung nicht nachgewiesen werden – eine gefährliche Körperverletzung in acht Fällen aber schon.

In der Nacht auf den 10. April vorigen Jahres hatten die Angeklagten mit rund 60 anderen rechtsgerichteten Männern und Frauen in einem Garten eines Gesinnungsgenossen auf dem Engelberg in Winterbach (Rems-Murr-Kreis) den Geburtstag einer 24-Jährigen gefeiert. Auf einem Zufahrtsweg waren einige Neonazis mit parallel in einem Nachbargarten feiernden jungen Leuten aneinandergeraten. Ein italienischer Neonazi, der sich selbst als „aufrechten Faschisten“ bezeichnet, bekam einen Schlag aufs Auge. Dieser Vorfall setzte wahre Jagdszenen auf dem Engelberg in Gang.

Rechte Freunde lügen vor Gericht

Mehrere Gruppen der Rechten machten sich auf, Vergeltung zu üben. „Die Opfer fühlen sich als Deutsche, sind zum Teil hier geboren und zur Schule gegangen. Und dann werden sie wie Tiere nachts im Wald gejagt“, sagt ein Anwalt, der die Opfer in der Nebenklage vor dem Landgericht Stuttgart vertritt.

Mehrere Migranten wurden von den rechten Schlägern gestellt und geprügelt. Gegen 1.50 Uhr hatten sich fünf jungen Männer in eine Gartenhütte geflüchtet. Kurze Zeit später brannte der Schuppen. Die Opfer setzten dramatische Notrufe an die Polizei ab. Schließlich brachen sie aus der brennenden Hütte aus und hetzten in die Nacht. „Die Opfer waren quasi zum Abschuss freigegeben“, so ein Opferanwalt. Das Ergebnis: Rauchgasvergiftungen, ein Milzriss, ein gebrochener Arm, Prellungen und Angstzustände, Verunsicherung, Vertrauensverlust bis heute.

Die Richter der 3. Jugendstrafkammer haben versucht, die Vorfälle zu klären. Nach zehn Monaten Untersuchungshaft setzten sie die Haftbefehle der beiden Angeklagten außer Vollzug. Der Mordversuch, sprich die Brandlegung sei den Männern nicht nachzuweisen. Ihre rechten Freunde logen vor Gericht oder taten so, als litten sie unter partieller Amnesie. Sie konnten oder wollten sich nicht erinnern.

Gartenbesitzer verstrickt sich in Widersprüche

So auch der Besitzer des Gartens, ein im Rems-Murr-Kreis bekannter Rechtsextremer. Er und die 24-jährige Frau, die dort ihren Geburtstag gefeiert hatte, sind inzwischen festgenommen worden.

Der Gartenbesitzer hat am Montag als Zeuge ausgesagt – und sich dabei massiv in Widersprüche verwickelt. Auf die Frage, ob er an der Hütte gewesen sei, sagte er: „Nein, totaler Humbug.“ Andere Neonazis hatten ihn dagegen schwer belastet. So soll er angeblich die Hütte, in die sich die Migranten geflüchtet hatten, von außen mit einem Brett verrammelt haben. Der 36-jährige Schweißer aus Berglen wurde nach seiner Aussage dingfest gemacht.

Ebenso die 24-Jährige, die vor Gericht die Aussage verweigert hatte. Es gibt Hinweise darauf, dass sie jemanden deckt. Also wird ihr Strafvereitelung vorgeworfen. In den Tagen und Wochen nach dem Brandanschlag soll sie Zeugenaussagen zufolge mehrfach gesagt haben, sie wisse, wer die Hütte angezündet habe.

Von Reue und Einsicht keine Spur

Von dem 21-jährigen Angeklagten heißt es, er sei grölend vor der Hütte gestanden. „Es spricht viel dafür, dass beide Angeklagten an der Brandlegung beteiligt waren“, sagt Staatsanwalt Fuchs. Zu beweisen sei es ihnen aber nicht. Die Männer hätten zwar Teilgeständnisse abgelegt. Diese seien aber weder von Reue noch von Einsicht getragen gewesen. Und dass sie sich von ihrem rechten Gedankengut inzwischen distanziert hätten, glaubt der Ankläger nicht.

Fuchs plädiert dafür, auch den Jüngeren, der zur Tatzeit mit 20 Jahren und neun Monaten noch Heranwachsender war, nach allgemeinem Strafrecht zu bestrafen.

Die Verteidigung wird am Mittwoch plädieren. Wann das Urteil verkündet wird, ist noch unklar.