1,8 Prozent der Landesfläche von Baden-Württemberg sollen mit Windanlagen bedeckt werden. Wo in Oberreichenbach künftig Windräder stehen sollen, ist noch offen. Foto: Badenova

Wann der grüne Strom in der Gemeinde produziert wird und wo künftig Windräder in die Höhe ragen, steht weiter in den Sternen. Denn das Ruder hält der Regionalverband in der Hand – und genau deshalb gibt es mächtig Ärger.

„Wie geht’s weiter mit der Windkraft in Oberreichenbach?“ In wenigen Sekunden hatte ein Bürger diese Frage in der jüngsten Gemeinderatssitzung gestellt – und damit eine mehrstündige Diskussion angestoßen. Zwar beschäftigt die grüne Energie die Gemeinde schon seit geraumer Zeit, doch der Wind hat sich nun gedreht. 2017 liebäugelte die Gemeinde schon damit, gemeinsam mit der Firma Greencity, drei Windkraftanlagen in Würzbach zu errichten. Inzwischen ist das Unternehmen pleite, die Pläne von Oberreichenbach aber nicht vom Tisch. Was dabei jetzt aber Verwaltung, Räten und Bürgern sauer aufstößt: Der Regionalverband Nordschwarzwald habe jetzt das Sagen, wo die erneuerbare Energie künftig produziert werde. Was unter dem elendig langen Wort „Windenergieflächenbedarfsgesetz“ von der Landesregierung zum ersten Februar dieses Jahres beschlossen wurde, heißt für den Regionalverband: Mindestens 1,8 Prozent der Fläche im Verbandsgebiet – das sind 4600 Hektar – müssen für die potenzielle Nutzung von Windenergie ausgewiesen werden.

Würzbach umzingelt

Auf einem Lageplan ausgewiesen sind Potenzialflächen für mögliche Windkraftanlagen in Oberreichenbach und Umgebung. Einerseits ist da etwa die Vorrangfläche am Ortsrand von Naislach, die nach Ansicht der Gemeinde gut zu verwirklichen wäre. Andererseits würden der Verwaltung aber etwa die extrem große Flächen entlang der B 296 vom Sportplatz Oberreichenbach Richtung Calmbach Angst bereiten. Die gehören Forst BW und die Behörde könne sich dort ganze 60 Windräder vorstellen. Auch die dargestellte nahezu vollständige Umzingelung von Würzbach ist für den Bürgermeister und die Räte „schockierend“. Ob auf diesen Flächen aber eines Tages tatsächlich grüner Strom produziert wird, steht zunächst weiter in den Sternen, bis der Regionalverband sich endgültig entscheidet. Für Bürgermeister Karlheinz Kistner ist das Vorhaben von Forst BW aber schon jetzt „eine Frechheit“. Und, so Kistner weiter: „Damit züchten sie Windkraftgegner. “ Volle Unterstützung erhielt er in dieser Ansicht vom Gremium.

Ein „grausiges“ Bild

Doch trotzdem war bei all dem Ärger um die Pläne des Regionalverband für Bürger wie auch Gemeinderäte am Freitagabend wohl schwer nachzuvollziehen, dass es in der Sitzung primär nur um eines ging: Standorte in der gesamten Gemeinde auszuwählen, von denen aus mögliche Windräder gut zu sehen wären. Denn gemeinsam mit dem „Forum Energiedialog“ – ein Angebot des Landes, um Kommunen bei der Energiewende zu unterstützen – soll dann ein virtuelles, aber möglichst reales Bild entstehen, wie Oberreichenbach mit Windrädern künftig erscheinen könnte. Das geschieht mithilfe eines Tablets: Blicken Bürger hindurch, sehen sie nicht nur ihre Heimat, sondern diese virtuell ergänzt mit Windrädern. Die Bilder werden im Anschluss bei einer Abendveranstaltung der Öffentlichkeit noch einmal präsentiert. Angepeilt ist für den Rundgang derzeit der 23. September, doch Details werde die Gemeinde noch verkünden, so Kistner. Auch auf die Plätze haben sich die Räte noch nicht festgelegt. Ob eine weite Aussicht oder idyllische Orte gewählt werden –damit, wie Thomas Krauss (Mehr Bürgernähe), sagte, „die Menschen sehen, dass sie künftig in einem Industriegebiet wohnen“ – ist noch offen. Die Parameter, also wie viele Windräder von den jeweiligen Standorten aus letztlich visualisiert werden sollen und wie hoch diese dargestellt werden, kann die Gemeinde bestimmen. Nach langer Diskussion einigten sich die Räte zumindest in diesem Punkt: Auf allen nicht gemeindeeigenen Flächen, wie etwa dem Bereich entlang der B 296, soll das Maximale visualisiert werden. „Das wird grausig aussehen, aber dann sieht man es zumindest mal“, so der Bürgermeister.

Klage nicht unwahrscheinlich

Auf der von der Verwaltung gewählten Fläche, die für potenzielle Windräder Priorität hätte, könnte Oberreichenbach selbst gestalten. „Dort haben wir es in der Hand“, sagte Kistner. 60 Hektar umfasst dieser Bereich am Ortsrand von Naislach und bis zu fünf Windrädern hätten dort Platz. Der Bürgermeister verdeutlichte, warum es ihm und dem Gemeinderat so wichtig sei, Windkraftanlagen möglichst auf Flächen, die der Gemeinde gehören, zu realisieren: Ein Windrad in 300 Meter Höhe anstelle der von der Verwaltung veranschlagten rund 250 Meter „wäre für mich erschreckend“. Doch genau das könne passieren und auf nicht gemeindeeigenen Flächen hätte man eben keinen Einfluss. So auch bei dem erschreckenden Bild, dass sich für einige Würzbacher ergeben könnte, wenn der Ortsteil vollständig von Windrädern umzingelt wären. Auch wenn der Bürgermeister klar machte, dass das rechtlich nicht durchsetzbar sei, war den rund 30 Bürgern im Sitzungssaal die Besorgnis auf die Stirn geschrieben.

Verband will im Herbst entscheiden

Zu recht oder nicht, das bleibt bis zur Entscheidung des Verbands im Herbst unklar. Doch Kistner verdeutlichte: „Wir haben fünfmal so viel Fläche angeboten, als wir rein rechtlich bringen müssen. Das Dumme ist nur, nicht die Gemeinde muss 1,8 Prozent bringen, sondern der Regionalverband.“ Und dann bestünde das Problem, dass es bei der vom Verband festgelegten Wohnabstandfläche von 850 Metern Gegenden gebe, „wo die Häuser zu nah zusammen seien, dass gar kein Windrad reinpassen würde“. Deshalb habe der Bürgermeister auch in einer Stellungnahme an den Regionalverband geschrieben: „Oberreichenbach ist vermutlich eine der ganz wenigen Gemeinden in der Region, bei der die Suchraumflächen bei über 30 Prozent liegen. Dies bedeutet eine extreme Belastung für unser Gemeindegebiet.“ Aus diesem Grund habe Kistner gegenüber des Verbands weiter argumentiert, dass nur die Fläche im Bereich der Zimmerhütte in Naislach sowie notfalls die Fläche rund um den Becherkopf in Naislach weiterverfolgt werden. „Mit diesen beiden Flächen würden über zehn des Gemeindegebiets für Windkraft zur Verfügung gestellt werden.“ Und trete doch ein anderes Szenario ein, ist eine Klage vonseiten der Gemeinde nicht unwahrscheinlich. Dafür sprachen die vielen emotionalen Wortbeiträge der Gemeinderäte, die allesamt forderten, sich schnell anwaltlichen Beistand zu besorgen.