Auch in Neubulach werden Kinder betreut, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind. Foto: Stöß

Mit einem "Willkommenskonzept" kümmert man sich in Neubulach um derzeit 14 ukrainische Kinder und Jugendliche. Der Leiter der Gemeinschaftsschule (GMS), Dominik Bernhart, zeigte sich sehr zufrieden; vor allem dankbar.

Neubulach - Bernhart verlieh diesem Projekt das Prädikat "Das ist für uns der Jackpot". Bürgermeisterin Petra Schupp besuchte nun die Kinder. Sie machte sich ein Bild davon, was in Neubulach entstanden ist und wie es weitergeführt werden soll. Sie ist überzeugt, dass das schillernd positive Urteil des GMS-Chefs in keinster Weise übertrieben ist. Das Fazit: In der Bergwerkstadt ist etwas entstanden, was mit einem Schweizer Uhrwerk vergleichbar ist. Ein Rädchen greift präzise in das andere und brachte so eine fantastische Sache zum Laufen, die in Neubulach als Glücksfall bezeichnet werden darf.

Da sind die ukrainischen Kinder, die als anerkannte Flüchtlinge wie in einer normalen Schulklasse Grundbegriffe der deutschen Sprache lernen. Bislang wurden sie, via Internet verbunden mit der alten Heimat, online unterrichtet. Da konnte es schon mal vorkommen, dass die Kinder live miterleben mussten, wie durch Bombenalarm und Sirenen der Unterricht unterbrochen werden musste. Nun sitzen sie in ihrer Neubulacher Klasse und studieren gemeinsam das Begrüßungsbuch "Willkommen in Deutschland".

Hohes Bildungsniveau

So ertönte beim Betreten des Klassenraumes bereits ein kräftiges "Guten Morgen", um dann zur heiteren Melodie des Kinderliedes "Grün, grün, grün sind alle meine Kleider" Farbbezeichnungen mitzusingen. Darüber hinaus "möchten wir heute die Grammatikbegriffe ›der, die, das‹ lernen", erläuterte die Lehrerin.

Dass der Buch-Zusatztitel "Deutsch als Zweitsprache" hier gar nicht stimmt, erklärte Schulchef Bernhart. "Die Kinder aus der Ukraine besitzen ein sehr hohes Bildungsniveau." Makovezki ergänzte: "Die Größeren können Englisch sprechen, das ist in der Ukraine üblich." "Deshalb", so Bernhart, sei es absehbar, dass "bei manchen Kindern recht bald die Integration in die normalen Klassen gelingen wird. Zudem gebe es bei ukrainischen Schülern eine große Zuneigung zum Fach Mathematik.

Umfunktionierter Tagungsraum

Rädchen Nummer zwei: der Klassenraum. Während in den meisten Schulen die Kinder von Beginn an auf sich alleine gestellt in einzelne Klassen verteilt werden, finden sie in Neubulach, zunächst unabhängig ihres Alters, zueinander. Nämlich im umfunktionierten Tagungsraum des Schwarzwald-Sportzentrums Neubulach. Die eh schon seelisch hart getroffenen Kinder werden so behutsam in das hiesige Schul- und Lernwesen eingeführt. Bernhart dankte dem Geschäftsführer Björn Ahsbahs, dass dieser der Gemeinschaftsschule, die aktuell durch Umbaumaßnahmen räumlich geplagt ist, kostenfrei und zeitlich ohne Druck eine angenehme Heimstatt bietet.

Die Motivation Ahsbahs liegt auf der Hand. Er, wie auch sein Schwiegervater, der Calwer Psychotherapeut Rolf Johnen, denkt mit großer Sorge an die Kinder, die an den Auswirkungen des Krieges und den traumatischen Begleiterscheinungen leiden. Alleine in Neubulach leben derzeit mehr als 30 geflüchtete Kinder unter 15 Jahren.

Kurse zur Resilienzförderung

Deshalb soll in Neubulach in Kooperation mit der Gemeinschaftsschule ein Projekt gestartet werden, das Kindern aus Kriegs- und Krisengebieten zeitlich begrenzte Kurse zur Resilienzförderung anbietet. Was anderswo schon erfolgreich läuft, möchte man nun in Neubulach fest installieren. Um neue (ehrenamtliche) Helfer zu generieren, hat man in Zusammenarbeit mit der Stadt eine erste Informationsveranstaltung zum "Neubulacher Projekt zur Unterstützung traumatisierter Kinder" im Liebelsberger Bürgerhaus durchgeführt. Das erste Ergebnis kann sich sehen lassen: "Elf Helfende haben sich schon angemeldet. Weitere überlegen noch", freuten sich Schupp und Ahsbahs.

Dennoch sind weitere Helfende willkommen, werben das Trio Schupp, Ahsbahs und Bernhart ausdrücklich.

Dass es bei der derzeitigen Kinderzahl von 14 bleibt, ist für die Verantwortlichen nicht in Stein gemeißelt. "Jeden Tag können neue Kinder dazukommen. Letztendlich entscheiden zwei Faktoren, die Neubürger zu- oder abwandern lassen: die Möglichkeiten zum Wohnen und Arbeiten", mutmaßen Schupp und Bernhart. So kann es also schon morgen der Fall sein, dass im provisorischen Klassenzimmer neue Gesichter zu sehen sind. Dass sie dann auf ihre Landsleute treffen, um sich gemeinsam mit der deutschen Sprach- und Lebensweise zu befassen, erleichtert ihnen den Start.

Ukrainerin unter den Helfern

Doch ein Rädchen ist jenes, mit dem Neubulach am meisten punkten kann. Die Ukrainerin Olesya Makovezki. Diese wohnt und arbeitet seit 20 Jahren in Neubulach. Sie hat eine feste Arbeitsstelle gekündigt, um ihren jungen Landsleuten helfen zu können. Vom Regierungspräsidium bekam sie hierfür einen zunächst befristeten Vertrag.

Dass trotz der zwei Jahrzehnte in Neubulach ihr Herz auch an der Ukraine hängt, konnte man der freundlich und fröhlich wirkenden "Lehrerin" anmerken, als sie die mitfühlenden Worte der Neubulacher Bürgermeisterin für die Kids übersetzte. "Es ist in Friedenszeiten eine sehr große Bereicherung, wenn man mehrere Sprachen spricht. Für uns hier ist es schwer, sich vorzustellen, dass ihr euer Zuhause verlassen musstet, was wiederum sehr schwer für euch ist. Wir hoffen und tun alles, dass ihr euch dennoch bei uns wohlfühlt und die Schulzeit für euch eine schöne Zeit ist", so Schupp. Makovezki stockte die Stimme. Ihre Tränen waren echt.