Bleibt seiner Heimat eng verbunden: EU-Kommissar Günther Oettinger sprach im Fitness-Club Gym24. Foto: Priestersbach

Wahlkampf: EU-Kommissar spricht in Schönbronn über die "digitale Revolution". Ländlicher Raum kann sich sehen lassen.

Wildberg-Schönbronn - Von Brüssel nach Schönbronn ist es zwar nicht der nächste Weg. Doch im Wahlkampf leistet Günther Oettinger seinen Parteifreunden aus dem Kreis Calw gerne Schützenhilfe.

So war der frühere baden-württembergische Ministerpräsident und heutige EU-Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft der Einladung der Frauen-Union Calw in den neuen Fitness-Club Gym24 gefolgt – und rund 150 Interessierte ließen sich den Auftritt nicht entgehen.

"Wir leben in einer digitalen Revolution", machte Günther Oettinger bei dieser Gelegenheit deutlich. Zudem forderte der EU-Kommissar eine flächendeckende und funkschattenfreie digitale Infrastruktur – und "das nicht nur in Stuttgart-Mitte".

Und damit hatte der frühere CDU-Landesvater genau das richtige Thema getroffen, denn die Veranstaltung stand unter der Überschrift "Zukunftsforum Lust aufs Land". Wie Heike Gäbler als Vorsitzende der Frauen-Union unterstrich, "treibt uns schon lange die Frage um, ob sich der ländliche Raum richtig verkauft". Die millionenschwere Investition in einen Fitness-Tempel im Wildberger Stadtteil bezeichnete sie auch als "Bekenntnis zur Region" – die allerdings ohne eine entsprechende Breitbandversorgung gar nicht möglich gewesen wäre.

Für den CDU-Landtagsabgeordneten Thomas Blenke wurde mit dem Bau des Fitness-Studios ebenfalls unter Beweis gestellt, dass "sich der ländliche Raum sehen lassen kann". Allerdings hatte Thomas Blenke auch eine Warnung parat. Nachdem zwei Drittel des Landes dem ländlichen Raum zugerechnet werden, aber nur ein Drittel der Bevölkerung hier lebe, müsse man aufpassen, "dass der ländliche Raum nicht unter die Räder kommt".

Wenn man den anschließenden Ausführungen von Günther Oettinger lauschte, konnte man leicht den Eindruck gewinnen, dass es ohne eine ausreichende Breitbandversorgung keine Zukunft für den ländlichen Raum geben wird. Zwar verfüge der Kreis Calw über Unternehmen von Weltrang und der Mittelstand sei so stark wie nie zuvor – doch nach Schiene und Autobahnen sei es eben die digitale Infrastruktur, die sich in Zukunft zur entscheidenden Grundlage entwickle und lebensnotwendig sei.

In diesem Zusammenhang nannte er unter anderem Bereiche wie die Online-Anbindung der Schulen, Telemedizin oder "Connected Cars". Online verbunden zu sein, sei die Grundlage für Arbeit, Freizeit, aber auch den Wert eines Grundstücks. Klar seien Datentransfers von 50 oder 100 Megabit pro Sekunde derzeit meist ausreichend. Doch mit Blick auf die nicht so ferne Zukunft prognostizierte Günther Oettinger: "Wir müssen über die Gigabit-Gesellschaft sprechen und über zwölfspurige Autobahnen". Vor diesem Hintergrund seien Milliardeninvestitionen in die digitale Infrastruktur nötig, und der EU-Kommissar betonte mit Blick auf den ländlichen Raum, "lieber Schlaglöcher als Funklöcher".

Was den Anwesenden nur bedingt schmeckte, war allerdings seine Prognose, "dass man in zehn Jahren nicht mehr bar bezahlen wird". Doch sei diese Entwicklung ebenso absehbar wie das bereits angekündigte Apple-Auto – hinter dem Günther Oettinger eine "Lebensgefahr für die deutsche Automobil-Industrie" sieht. Ebenso wichtig wie die Infrastruktur sei aber auch die Bereitschaft zur Weiterbildung der Bevölkerung im digitalen Bereich. Seine Empfehlung lautete daher: Nicht den Bauchtanzkurs bei der Volkshochschule besuchen, sondern lieber den IT-Kurs.

Die sich anschließende Gesprächsrunde unter der Leitung von Heike Gäbler stellte sich der Frage nach Erfolgsfaktoren für eine zukunftsweisende Entwicklung des Landkreises Calw. Der Bürgermeister der Stadt Haiterbach, Andreas Hölzlberger hob die Bedeutung des Angebotes eines mittleren Bildungsabschlusses auch in den kleineren Städten und Gemeinden hervor. Sehr interessiert zeigte sich das Publikum auch an den Ausführungen von Christina Metke, der Vorsitzenden des Landesverbandes Kindertagespflege Baden-Württemberg. Sie hob den Stellenwert und die Bedeutung der Tagesmütter im Rahmen des Kinderbetreuungsangebotes hervor.

Die Vorsitzende der Landfrauen Württemberg Hohenzollern und langjährige Kreisrätin im Kreis Freudenstadt, Juliane Vees, ermutigte Frauen, sich in den Kommunal- und Kreisparlamenten zu engagieren, um die familienbetreffenden Probleme dort besser adressieren zu können.