Achten Sie beim Supermond über den Burg Hohennagold auch mal auf die vom Wind perfekt ausgerichtete Flagge – eine Sekunde später hing sie schon wieder schlaff am Fahnenmast. "Manchmal braucht es eben auch Glück zum perfekten Bild", sagt Fotograf Jürgen Schmitt. Foto: Schmitt

Es sind Fotos, Bilder, bei denen selbst altgediente Profis völlig verzweifelt fragen: "Wie macht der das!?". Die Burg Hohennagold – aufgenommen vor einem gewaltigen Supermond. Diesen Sommer. Das perfekte Bild, die perfekte Aufnahme. Noch eine von Jürgen Schmitt aus Nagold.

Nagold - Was als erstes erstaunen muss: Jürgen Schmitt ist als Fotograf ein Autodidakt. Alles, was er mit seiner "Sony Alpha 7 III" aufnimmt – und vor allem wie er es aufnimmt – hat sich der heute 57-Jährige selbst beigebracht. Womit man beim zweiten Umstand ist, den man nicht glauben mag, wenn man die extrem außergewöhnliche Qualität von Schmitts Bilder betrachtet: Seine herausragende Foto-Kunst hat er erst in den vergangenen sechs, sieben Jahren entwickelt. Also ein echter Newcomer. Aber eben auch was für einer!

Das "Heureka-Erlebnis" in Sachen Fotografie habe er vor knapp sechs Jahren gehabt – als ihm ein befreundeter Fotograf eine hochwertige Leica-Fotokamera für den Urlaub auslieh. Bis dahin hatte Schmitt – wie wohl jeder Normalsterbliche – bestenfalls mit seiner Kleinbildkamera bemerkenswerte Schnappschüsse zustande gebracht. Aber dieser Urlaub mit dieser Leica-Kamera – eine sogenannte "Vollformatkamera" – bedeutete einen echten Wendepunkt in seinem Leben. Die Bilder, die er mit dieser Kamera machen konnte, gerieten zu unfassbaren emotionalen Erlebnissen. "Die Bilder machen was mit dir", beeindrucken einen. Schütten beim Fotografen, wenn es gelingt, richtig herausragende Motive einzufangen, "jede Menge Endorphine" – Glückshormone – aus.

"Damit war klar – ich wollte da was machen." Er selbst habe sich dann für die "spiegellose Sony" entschieden. Was man als Foto-Laie wissen muss: So eine digitale Vollformatkamera verfügt über einen (großen) Aufnahme-Sensor, der dieselben Maße hat wie der frühere Kleinbildfilm (24 x 36 Millimeter) zu analogen Kamerazeiten. So ein großer Sensor liefert eine deutlich bessere Bildqualität und geringeres Bildrauschen als jede Standard- oder auch viele Spiegelreflexkameras mit deutlichen kleineren Aufnahme-Sensoren. Was letztlich auch für eine sehr gesteigerte, bessere Empfindlichkeit der Kamera auch bei sehr schlechten Lichtverhältnissen sorgt.

Womit man bei Schmitts aktuellen, ultimativen Lieblingsmotiven als Fotograf angekommen ist: Der Autodidakt ist auf (extrem anspruchsvolle) Langzeitbelichtungen spezialisiert. Wie sie eben bei solchen Supermond-Aufnahmen wie von der Burg Hohennagold – oder auch der Hohenzollern-Burg – zur Anwendung kommen. Wobei Langzeitbelichtung meint: die Aufnahmen dauern je zwischen zwei und zwanzig Sekunden. Aber die aufwendige, moderne Technik ist nur das eine. Die setzen auch andere Fotografen ein – aber trotzdem gelingen diesen nie in ihrem Foto-Leben solche Aufnahmen wie Jürgen Schmitt: Mit dem perfekten Aufnahmewinkel, der perfekten Entfernung zum Foto-Motiv im Vordergrund (wie die Burg Hohennagold), und das auch noch zum ultimativ perfekten Zeitpunkt, wenn der Mond just (Zitat: "in einem Affenzahn") hinter dem Motiv in voller Übergröße vorbeizieht.

Eines von Schmitts Geheimnissen – die er nur sehr ungern teilt: perfekte Vorbereitung. Was man dazu wissen muss: Im eigentlichen Berufsleben ist Schmitt in der "strategischen Produktplanung" bei Mercedes-Benz beschäftigt – das heißt, er entwickelt heute detaillierte Produktionsprozesse für Fahrzeuge, die erst in sieben Jahren vom Band laufen werden. Was eine "immens große Vorstellungskraft" braucht, um wirklich alle denkbaren Eventualitäten in solche eine "strategische Planung" einzubeziehen. Ganz ähnlich geht Schmitt bei der Planung eines neuen Bildes vor: "Ich plane so eine Aufnahme-Session oft Monate im voraus", weil er – wie beim Supermond hinter den Hohennagold – natürlich wissen muss, wann der Mond auch wirklich "so super" aussieht.

Dann entwirft Schmitt sehr detaillierte Szenarien, von wo aus er vor Ort welche Aufnahmen wird machen können – wofür er sehr exakt vorausberechnen muss, wo denn der (Super-)Mond am nämlichen Tag zu welcher Uhrzeit nun tatsächlich wird vorbeirauschen. "Da überlasse ich nichts dem Zufall." Und dann werden an den Tagen vor der eigentlichen Aufnahme-Session diverse Wetter-Apps studiert - unter denen vor allem jene, die Auskunft über die mögliche Wolkendichte, -Höhe und so weiter Auskunft geben. Gibt’s einen klaren Himmel zu erwarten, macht sich Schmitt rechtzeitig auf den Weg – um ja seine Kamera (mit Stativ und Fernauslöser) auch optimal zu platzieren.

Und dann habe er maximal drei, vier Minuten Zeit seine Aufnahmen zu machen. In der Regel extrem spektakuläre Aufnahmen. "One-Shot-Aufnahmen!", wie er unterstreicht – also Aufnahmen "mit nur einem Schuss"; ein häufiger Verdacht, die seine Fotos hervorrufen, sei, er würde verschiedene Bilder zu einem montieren.

"Aber das stimmt nicht", allein im Kontrast, der Farbkorrektur und einigen weiteren Parametern würde er die Bilder später am PC nachbearbeiten – aber es bleibt dabei immer "die eine Aufnahme", die er draußen "im Feld" aufgenommen hat. So wie morgen, wie Jürgen Schmitt erzählt, wenn er "im Badischen" unterwegs sein wird – um sein zweites Lieblingsmotiv neben dem Mond einzufangen: "Die Milchstraße".

Was ebenfalls – zumindest in hiesigen Breiten – wegen der allgegenwärtigen Lichtverschmutzung gar nicht so einfach ist. Vor allem, wenn man – wie Schmitt – immer noch ein spektakuläres Motiv auch im Vordergrund abbilden will. Wie morgen das "Lothar-Denkmal" am Siedigkopf (nahe Oppenau, Ortenaukreis). Eine Stunde Anreise, eineinhalb Stunden Wanderung durch den "extrem finsteren Wald" – für eine weitere ultimative Foto-Session. Das "Lothar-Denkmal", das aus drei monumentalen Baumstämmen gefertigt wurde, die in riesigen Totenköpfen auslaufen, soll an den Sturm "Lothar" erinnern – und den Schaden, die dieser 1999 im Schwarzwald angerichtet hat. Schmitt will diese Landmarke vor dem spektakulären Hintergrund der Milchstraße abbilden – was im Moment im Zeitfenster zwischen 22 und 24 Uhr am besten funktioniere.

Mittlerweile hat Schmitt aus seinen sehr aufwendigen Foto-Produktionen, zu denen auch noch zum Beispiel "Langzeit-Landschaftsaufnahmen" gehören, ein eigenes Geschäft gemacht.

Nachdem ihn Foto-Enthusiasten immer mal wieder baten, von ihm seine Kunst lernen zu dürfen, bietet er Kurse, Workshops an – bei denen ihn (versierte) Hobby- und Profi-Fotografen auf seinen meist nächtlichen Foto-Ausflügen begleiten dürfen; wo er dann auch einige seiner "Geheimnisse" verrät. Gerade seine sehr eindrucksvollen und ausdrucksstarken Stadt- und Landschaftsaufnahmen – ein Beispiel ist der Freudenstädter Marktplatz bei Nacht; eine Auftragsarbeit für den dortigen Oberbürgermeister – sind mittlerweile sehr gefragt, etwa bei der Ausstattung von Hotels der Region, wie jüngst in Kälberbronn das Hotel Schwanen.