Bei der Übergabe der geförderten digitalen Tafel für das Grundbildungszentrum im Wert von 5425 Euro (von links): Landrat Klaus Michael Rückert, Leiter der Kreisvolkshochschule Sascha Falk, stellvertretender Leiter der Kreisvolkshochschule Marc Vogt, Botschafterin Christina Obergföll und stellvertretender Leiter Referat Erwachsenenbildung des Kultusministeriums BW Roland Peter. Foto: Finkbeiner

Die Speerwurf-Weltmeisterin Christina Obergföll ist seit 2022 neue Botschafterin für Alphabetisierung und Grundbildung des Landes Baden-Württemberg. Bei einer Infoveranstaltung in der VHS Freudenstadt hat sie mit anderen Teilnehmern aufgeklärt.

Zur öffentlichen Informationsveranstaltung des Grundbildungszentrums (GBZ) des Landkreises Freudenstadt kamen Vertreter des Kultusministeriums des Landes, zwei Kreisräte, mehrere Lehrkräfte sowie eine Betroffene. Allein im Kreis Freudenstadt könnten schätzungsweise 8000 Erwachsene Analphabeten sein.

Landrat Klaus Micheal Rückert begrüßte die Gäste und gab dann das Wort an die Botschafterin für Alphabetisierung und Grundbildung des Landes Baden-Württemberg, Christina Obergföll. Die ehemalige Weltmeisterin im Speerwurf von 2013 steht nun, zehn Jahre später, vor ihrem Publikum mit einer neuen wichtigen Aufgabe.

Der Sportlerin hätte diese Zahlen nicht für möglich gehalten

„Mir war das nicht bewusst, dass das tatsächlich so viele Menschen betrifft“, betonte sie überzeugt, da ihr soziales Engagement sehr am Herzen liege. Das ist vor allem einer der Gründe, weshalb sie sich für die Alphabetisierung und Grundbildung engagiere und gerne die Botschafterrolle übernommen habe.

Aufgrund ihrer Bekanntheit hatte die 41-Jährige etwas, was vielen der betroffenen Analphabeten nicht zuteil wird. Sie habe viel Unterstützung erhalten, die ihr auf ihrem Weg geholfen habe, all das zu erreichen. Deshalb will Obergföll jetzt etwas zurückgeben, indem sie sich für diese Sache engagiert. Sie gibt offen zu, dass ihr das Ausmaß der Betroffenen in Deutschland nicht bewusst war. Nach aktuellen Erkenntnissen leben in Deutschland 6,2 Millionen Erwachsene, die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben.

Ihr Ziel sei es daher, das Thema aus der Tabuzone herauszuholen und den betroffenen Menschen Mut zu machen. Der stellvertretende Leiter des Referats Erwachsenenbildung des Kultusministeriums, Roland Peter, erklärte als zweiter Redner, dass er beeindruckt ist von dem, was hier in der VHS in Freudenstadt auf die Beine gestellt wurde.

Diese Arbeit könne nur mit viel Herzblut geleistet werden, so Peter. Er beschreibt, dass Alphabetisierung immer öfter in verschiedenen Zielgruppen Thema sei. Für die Betroffenen sei das Zentrum ein wichtiger Anlaufpunkt. Es biete nicht nur Kurse an, sondern diene auch als Netzwerk, um auf die Wirtschaft zuzugehen und sich mit Institutionen zu vernetzen, die Zugang zu den Betroffenen haben.

„Das Gelernte, gleich am nächsten Tag am Arbeitsplatz anwenden“

Das GBZ Freudenstadt ist einer von insgesamt acht Standorten im Land, von denen fünf von der VHS betrieben werden, und es ist eines der wenigen, die großen Wert auf die Zusammenarbeit mit Unternehmen legen. Das sei laut Peter der Weg in die Zukunft. Nur so könne man die rund 2,4 Millionen betroffenen Erwerbstätigen besser qualifizieren und damit auch den Fachkräftemangel reduzieren. So könnten die Betroffenen dass Gelernte gleich am nächsten Tag am Arbeitsplatz anwenden.

Der stellvertretende Leiter der Kreisvolkshochschule, Marc Vogt, erläuterte anschließend die verschiedenen Didaktiken und, wie schambehaftet das Thema noch sei. Stolz erzählte er auch von der neuen digitalen Tafel im Wert von 5425 Euro, die dem GBZ bei der Veranstaltung symbolisch überreicht wurde.

Er beschrieb weiterhin, dass es enorm schwierig sei, neue Lehrkräfte für das GBZ zu finden. Auf die Frage, ob es explizit Lehrer sein müssen, antwortete er prompt mit „Nein“. Es müssen jedoch sehr qualifizierte Personen mit viel Erfahrung sein, da es eine sehr schwierige Arbeit sei.

Eine Sportlerin im Kampf gegen die Tabus

Christina Obergföll
Die Speerwurf-Weltmeisterin von 2013 setzt sich seit 2022 für eine Enttabuisierung des Analphabetismus ein. Neben ihren Pflichten für das Kultusministerium setzt sich die ehemalige Sportlerin ebenfalls für krebskranke Kinder ein.

Analphabet
Ist eine Person die gar nicht oder nur teilweise lesen oder schreiben kann.

Alphabetisierung
bezeichnet den Prozess des Erlernens von grundlegenden Lese- und Schreibfähigkeiten sowie das das Verständnis für Texte.