Erst 2010 begann Ludewig, Radfahren gezielt zu trainieren. Foto: Küstenbrück

Christian Ludewig aus Pfalzgrafenweiler hat zufällig mit dem Radfahren angefangen – und gehört inzwischen zu den Besten.

Niemand hätte erahnen können, dass aus Christian Ludewig mal ein Weltklasse-Radfahrer wird – er selbst eingeschlossen. Doch nach jahrelangem Training und 44 Kilogramm weniger auf den Rippen gehört er zu den besten Langdistanz-Mountainbikern der Welt.

In den vergangenen Tagen berichteten wir immer wieder über Athleten, die trotz ihrer sportlichen Erfolge eher weniger in der Öffentlichkeit stehen – zum Beispiel Kickboxer Vadim Feger oder Radcrosser Marcus Bangert. Mit Christian Ludewig stellen wir heute einen weiteren Sportler vor, der sich in seiner Sportart, dem Langdistanz-Mountainbiken, fast unbemerkt in die Weltspitze gefahren hat.

Einst brachte er 114 Kilo auf die Waage

Doch bevor Christian Ludewig zum international erfolgreichen Sportler wurde, war ihm wenig bis gar nicht anzusehen, dass hier ein späterer Bundesliga-Mountainbiker und Medaillengewinner bei EM und WM vor einem steht. Stolze 114 Kilogramm brachte der junge Mann aus Pfalzgrafenweiler auf die Waage. Hätte ihm einer damals gesagt, er fährt mal um einen WM-Titel mit, hätte Ludewig selbst wohl am wenigsten daran geglaubt. Der Weg zum Mountainbiker kam über seine Schwester Anne, die selbst Mountainbike-Rennen fuhr und sogar den EM-Titel der Hobbyfahrerinnen erringen konnte. Sie hatte ihren Bruder Christian irgendwann im Sommer 2006 mit zum Radeln genommen, auf dem Mountainbike ihres Ex-Freundes. Auch Christian entdeckte seine Lust am Radfahren, doch erst 2010 begann er mit spezifischem Training, davor fuhr er vor allem, um den etwas zu vielen Pfunden auf den Rippen den Kampf anzusagen. Und das mit großem Erfolg: Insgesamt 44 Kilogramm verschwanden zwischen 2006 und 2010.

Jetzt war die Zeit gekommen, sich selbst ein geeignetes Wettkampfgerät zuzulegen, mit dem er dann auch in Neustadt an der Weinstraße seinen ersten Radmarathon bestritt. "Ich bin total kaputt aber mit dem breitesten Grinsen ins Ziel gekommen, und ich wusste sofort, ich will mehr solche Erlebnisse", schildert Ludewig sein Rad-Marathon-Debüt. Einige Rennen fuhr das Geschwisterduo sogar zusammen und der Ehrgeiz von Christian wuchs mit jedem Start. "Ich begann zu begreifen, dass auch ich mehr machen könnte und ging in jenem Jahr mit meiner Freundin zum Worldcup nach Offenburg. Die Atmosphäre und die grandiosen Leistungen der Athleten faszinierten mich. Ab da war ich mir sicher, dass ich mehr erreichen möchte."

Nahezu täglich schwang sich Ludewig von da an auf seinen Drahtesel, bei Wind und Wetter. Ende 2011 musste ein weiteres Bike her, welches sich Ludewig in einem speziellen Mountainbike-Geschäft in Stuttgart kaufte. Durch Zufall kam er dabei mit dem Geschäftsführer des Ladens, Ronny Scholz, ins Gespräch. Scholz, selbst ehemaliger Straßenrad-Profi beim Team Gerolsteiner, erkannte das Potenzial im jungen Schwarzwälder und bot ihm direkt an: "Schick mir mal deine Daten. Ich trainiere dich ab heute". Für Ludewig eine Art Ritterschlag, den er zu diesem frühen Zeitpunkt in seiner Karriere selbst kaum fassen konnte: "Das war der Hammer. Ich konnte es kaum glauben – ein ehemaliger Rennradprofi trainiert mich."

2012 löste Ludewig seine erste Lizenz und dank der vielen Analysen durch seinen prominenten Trainer entwickelten die beiden einen bis ins kleinste Detail perfekt abgestimmten Trainingsplan. Um aber noch weiter nach vorne zu kommen, bedarf es im Radsport in den meisten Fällen einem Team, so auch in diesem Fall. Im Herbst 2014 schloss sich der Mann aus Pfalzgrafenweiler dem Team "toMotion racing – by black tusk" an, bei dem er bis heute unter Vertrag steht. Teamchefin Andrea Potratz übernahm damals die Trainings- und Ernährungsplanung.

Unter Potratz’ Fittichen stellten sich dann auch die ersten großen Erfolge ein. Bei der EM im 12-Stunden-Rennen verbuchte Ludewig 2016 mit Platz fünf einen grandiosen Achtungserfolg. Auf diesen fünften Platz im 12-Stunden-Rennen bei der EM hat er seither ein Dauerabo, denn sowohl 2018 als auch 2019 fuhr er jeweils als EM-Fünfter über den Zielstrich. 2017 feierte Ludewig allerdings den bis dato größten Erfolg seiner Karriere. Zusammen mit seinem Teamkollegen Sven Rothfuß holten die beiden WM-Silber im 12-Stunden-2er-Team. 2019 holte das Duo erneut Silber in der selben Disziplin bei den Europameisterschaften. Ähnliches hatte sich Ludewig auch für dieses Jahr vorgenommen, doch Corona machte wie überall einen Riesenstrich durch die Rechnung. Zwar stand Ludewig einige Male an der Startlinie, aber ohne die ganz großen internationalen Meisterschaften, sondern eher um etwas Abwechslung in den monotonen Trainingsalltag zu bringen.

Die Hoffnungen ruhen nun auf der kommenden Saison. Ob und wie Rennen stattfinden werden, ist für Ludewig gleich doppelt wichtig, denn seit 2015 ist er im Bereich Tourismus selbstständig. Unter anderem begleitete er mit seiner Agentur den Bau der Freudenstädter Mountainbike-Bundesligastrecke federführend und organisiert seit 2017 auch das jährlich stattfindende Bundesligarennen mit.

Die geplanten Deutschen Meisterschaften, die diesen Sommer in Freudenstadt hätten stattfinden sollen, wurden allerdings zunächst verschoben. Sollte die Deutsche Meisterschaft aber in den kommenden Jahren in Freudenstadt ausgetragen werden, wird es sich Radsportler und Mitorganisator Christian Ludewig sicher nicht nehmen lassen, wie zuletzt auch bei den Bundesliga-Heimrennen selbst im Elitefeld in die Pedale zu treten.