Im botanischen Garten der Uni Hohenheim machen internationale Studierende der Agrarwissenschaften auf die 868 Millionen Hungernden weltweit aufmerksam. Foto: Max Kovalenko/PPF

Der weltweite Hunger hängt auch mit den deutschen Essgewohnheiten zusammen. „Weniger Fleisch essen würde helfen“, sagt die Agrarwissenschaftlerin Regina Birner.

Stuttgart – Alle sechs Sekunden stirbt weltweit ein Kind an Hunger. Solche Zahlen erschrecken, nicht nur am Welternährungstag. Ihr Konsumverhalten ändern die Meisten deswegen aber nicht. „Weniger Fleisch essen würde aber helfen“, sagt Agrarwissenschaftlerin Regine Birner von der Uni Hohenheim.

Frau Birner, ob Biosprit, Klimawandel oder Nahrungsmittelspekulationen: Die Ursachen für den weltweiten Hunger sind sehr global. Was kann eine Forschungseinrichtung wie das Tropeninstitut da von Hohenheim aus tun?
Derzeit betreue ich eine Masterstudentin aus Ghana. Sie untersucht, was es für ihr Land bedeutet, dass ausländische Investoren aus Amerika oder Asien dort Agrarfläche pachten, weil sie in den Heimatländern knapp wird. Durch diese Zusammenarbeit mit internationalen Studierenden haben wir den direkten Kontakt in die betroffenen Länder. Und dann geben wir dieses Wissen und die Ergebnisse aus Forschungsprojekten auch an politische Einrichtungen weiter.


Sie sprechen die Agrarfläche an, die für eine wachsende Weltbevölkerung knapper wird. Es gibt aber einige Studien, die belegen, dass selbst die neun Milliarden Menschen, die bis 2050 auf der Welt leben, noch genug zu essen haben – und der Hunger eher ein politisches Problem ist und kein Ressourcenproblem.
In vielen Bereichen stimmt das auch, etwa beim Biosprit. Würde die Anbaufläche nicht auch dafür verwendet, würden die Nahrungsmittelpreise weltweit nicht so steigen, wie sie das für Mais etwa tun. Gleichzeitig muss die Landwirtschaft künftig aber auch zur Energiegewinnung beitragen, denn die Erdölvorräte gehen nun mal zu Ende. Hier sind Wissenschaftler gefragt, die sich überlegen, wie sich die Erträge auf bestehenden Flächen steigern lassen oder wo noch umweltverträglich neue Anbauflächen geschaffen werden können.

Für den Normalbürger sind solche politischen und wissenschaftlichen Entscheidungen sehr weit weg. Er kann bloß weniger Essbares in den Mülleimer schmeißen. Aber hilft das wirklich gegen den weltweiten Hunger?
Nur weil ich heute bewusster einkaufe oder weniger esse, stirbt natürlich nicht gleich ein Kind weniger. Einfluss hat unser Verhalten aber trotzdem. Denn die Flächen, die wir brauchen, um uns zu ernähren, stehen für anderes nicht zur Verfügung. Würden wir weniger Brot wegwerfen, könnte das Getreide für Biosprit verwendet werden – und man müsste dafür nicht neue Regenwaldflächen roden. Das gleiche gilt für den hohen Fleischverbrauch, denn auch für Viehfutter braucht man sehr viel Getreide.

Die Welternährungsorganisation schlägt deswegen vor, dass auch Europäer statt Rinder oder Schweinen lieber Heuschrecken und Maden essen sollen. Diese lassen sich prima in großen Mengen auf wenig Platz halten und ernähren sich auch nicht von Getreide.
Das passiert in vielen Ländern ja schon heute und Insekten sind wegen der Proteine und Vitamine auch gesund. Welche Tiere wir als essbar und welche als eklig empfinden, ist einfach ganz stark kulturell geprägt. Darüber kann man also ruhig nachdenken, auch wenn das allein natürlich nicht den weltweiten Hunger stillt.

Der könnte von ganz allein gestillt werden, wenn ab 2050 die Bevölkerungszahlen wieder zurückgehen. Können Sie dann beruhigt in den Ruhestand gehen?
Es hilft auf jeden Fall, wenn die Bevölkerung nicht mehr weiter wächst. Allerdings muss man davon ausgehen, dass das Einkommen weiter steigt – und dann essen die Leute mehr Fleisch und fahren mehr Auto. Der Klimawandel aber beeinflusst in vielen Regionen wiederum den Anbau von Nahrungsmitteln negativ, weil es trockener wird oder aber zu mehr Überschwemmungen kommt. So schnell werden wir also leider nicht arbeitslos.