Hat er wirklich so großen Einfluss auf das Tun der Menschen? Foto: pixabay Foto: Schwarzwälder Bote

Aufreger: Sitzverteilung im Wellendinger Gemeinderat: Es bleibt alles beim alten / Atmosphärisch: Anklänge an "Tragödienstadl"

Wellendingen (apf). Eigentlich war die Aufgabe eine einfache. Armin Klaiber (Bürgerliste) hat in der Oktober-Sitzung des Wellendinger Gemeinderats den Antrag gestellt, über eine Sitzverteilung von 10:4 abzustimmen. Doch so einfach machte es sich die Verwaltung nicht – und steuerte auf ein denkwürdiges Finale in der jüngsten Sitzung hin. Kurzer Rückblick auf den Antrag: Die amtliche Bevölkerungszahl – 3148 (Stand: 30. September 2017), davon 2238 in Wellendingen und 910 in Wilflingen – soll sich im Gemeinderat spiegeln: also zehn Sitze für Wellendingen (mathematisch laut Rathaus 9,95 Sitze) und vier für Wilflingen (4,05 Sitze) – und nicht neun zu fünf. Dies deshalb, weil in der kommenden Legislaturperiode (2019 bis 2024) die unechte Teilortswahl weiter bestehen bleibt. Und, so Klaiber, der Gerechtigkeit halber. Vorlage der Verwaltung: Konkret des Bürgermeisters. Er konzentrierte sich nicht auf die 10:4-Variante, sondern brachte in der Sitzungsvorlage zwei weitere ins Spiel. Variante 1: Verringerung der Sitzzahl auf zwölf und eine Aufteilung der Sitze auf 8:4; Variante 3: Erhöhung der Sitzzahl auf 16 und eine Sitz-verteilung von 11:5.

Grundlage dieser Zahlenspiele sind die rechtlichen Möglichkeiten der Gemeindeordnung, die Gemeinden zwischen 3000 und 5000 Einwohnern mit der unechten Teilortswahl, die den kleineren Ortsteilen eine gewisse Anzahl an Sitzen garantiert, zwischen zwölf und 18 Sitze erlauben.

So hat Schultes Thomas Albrecht von dem Ermessensspielraum, den er als Gemeindeoberhaupt hat, Gebrauch gemacht. Während Variante 3 immerhin den Charme hat, dass Wilflingen kein Sitz "weggenommen" wird und Wellendingen zwei Sitze bekommt, stößt Variante 1 bei der vom Bürgermeister aus gesehenen linken Seite des Ratstisches (Bürgerliste und SPD) auf Empörung. Empörung: Armin Klaiber fühlt sich ans Schlachtplattenessen im Sportheim erinnert. Dort gebe es die Varianten eins bis sechs. Sein Antrag sehe weder eine Erhöhung noch eine Verringerung der Sitzzahl vor, sondern sei ganz klar formuliert gewesen: eine Abstimmung über 10:4. Noch ein Antrag: Guido Hermann spricht über Rechte und Pflichten eines Gemeinderats, über die Pflicht eines Gemeinderats, sich ans Gesetz zu halten und beantragt eine namentliche Abstimmung. Abstimmung eins: Nach weiteren Wortbeiträgen einzelner Ratsmitglieder kommt es zur Abstimmung. Über Variante 2. Also jene mit 10:4. Ja, sagen acht Räte: Wolfgang Minder, Armin Klaiber, Thomas Schauber, Alois Eisele, Tobias Schlenker, Rolf Grießer, Guido Hermann und Andree Weidner (alle Wellendingen). Nein, sagen neun Ratsmitglieder: Alexandra Scheibner, Kathleen Götz, Alexander Hirt (alle Wilflingen), Ulrike Roth, Simon Schmeh (beide Wellendingen), Andreas Muschal, Wolfgang Götz (beide Wilflingen), Thomas Albrecht (Wellendingen) und Bürgermeister Thomas Albrecht. War’s das? Bleibt alles beim alten? Es geht weiter: Nein, das war es nicht. Nun wird Variante 1 näher thematisiert. Simon Schmeh will über ein 8:4 abstimmen lassen. Mathematisches Zwischenspiel: Beim Blick auf die Sitzungsvorlage sticht ein bisher nicht bekannter Ermessensspielraum des Bürgermeisters ins Auge: nämlich ein mathematischer. Ausgerechnet wurden für Wellendingen 8,53 Sitze und für Wilflingen 3,46. Für den Schultes ein 8:4, für Gemeinderäte, die sich an das Auf- und Abrunden während ihrer Schulzeit erinnern – ab Komma fünf null wird auf- und bis Komma vier neun abgerundet –, jedoch ein 9:3. Als der Bürgermeister darauf hingewiesen wird, sagt er, dies sei von ihm Absicht gewesen. Abstimmung zwei: Es wird über ein 8:4 abgestimmt. Dafür ist die rechte Seite des Ratstisches (CDU/Freie Wähler), dagegen die linke (Bürgerliste, SPD). Und der Schultes? Er gibt zuletzt seine Stimme ab – und enthält sich. Acht zu acht. Somit erhält Variante 1 keine Mehrheit – und es bleibt bei 9:5. Ist nun die Thematik beendet? Peng: Nein. Zwar wird kein weiterer Antrag mehr gestellt, aber es gibt eine Wortmeldung. Guido Hermann: "Ge-gen den Beschluss lege ich Rechtsmittel ein." Bürgermeister Thomas Albrecht: "Das nehme ich zur Kenntnis." Dann endet die Sitzung. Was bleibt? Vielleicht ein Zitat eines Klassikers von Friedrich Schiller. In Wallensteins Tod (Drama) sagt der Feldherr: "Das war kein Heldenstück, Octavio!" – Oder aber beim Verlassen des Rathauses ein Blick in den Nachthimmel: Vollmond naht. Epilog, Teil eins: Der Bürgermeister erklärt am anderen Tag sein Abstimmungsverhalten. Man nehme jemandem, Wilflingen, ohne Grund etwas weg, so Albrecht, deshalb habe er das 10:4 abgelehnt. Schließlich habe die Zusammenarbeit in der Vergangenheit funktioniert. Albrecht spricht viele große Projekte, vor allem jene in Wellendingen-Ort, an, als es keine "Torpedos" aus Wilflingen gegeben habe. Bei der zweiten Abstimmung habe er sich als Brückenbauer gesehen. Als er gesehen habe, dass sich beide Seiten aber nicht auf diese Brücke begeben wollten, habe er sich beim 8:4 der Stimme enthalten. Immerhin wäre 8:4 für Wellendingen "besser" gewesen als 9:5. Epilog, Teil 2: Mit Blick auf das Finale (Stichwort: Rechtsmittel einlegen) sagt der Schultes, dass hier "ohne Not Meißener Porzellan zerschlagen" worden sei. Meißener Porzellan deshalb, weil der Wellendinger Gemeinderat ein "sehr hochwertig besetztes Gremium" sei. Und er appelliert an die Vernunft.

Er habe sich die Frage gestellt, was sich der Bürger von den Gemeinderäten erwarte. Und er beantwortet sie sich selber: Der Bürger erwarte "sachgerichtete, zukunftsorientierte Entscheidungen". Bei der Frage um die Sitzverteilung jedoch, so Thomas Albrecht, habe sich das Gremium, so sein Eindruck, mit sich selber beschäftigt.