Interview: Wolfgang Minder spricht über drei Jahrzehnte im Gemeinderat und nennt sein "Erfolgsgeheimnis"

Wellendingen. Wer jahrzehntelang die Gemeinderatsarbeit in Wellendingen und Wilflingen verfolgt hat, vermisst seit Juli einige Urgesteine. Allein Wolfgang Minder und Rolf Grießer (beide Wellendingen) prägten die Lokalpolitik seit 30 beziehungsweise 25 Jahren. Einblick in seine Zeit gibt Wolfgang Minder.

Nun sind zwei Monate vergangen, seitdem Sie im Wellendinger Gemeinderat verabschiedet wurden. Wie geht es Ihnen?

Mir geht es gesundheitlich gut, und ich genieße meinen Ruhestand, so wie es sich für einen "Schwaben" gehört. Immer ein bisschen schaffen, aber auch Ruhe finden und jeden Tag genießen.

Vermissen Sie die Lokalpolitik?

Bis jetzt noch nicht. Seither haben zwei Gemeinderatssitzungen stattgefunden, welche ich als Zuhörer besucht habe. Bei Spaziergängen sehe ich die Fortschritte der Ortsentwicklung im neuen Baugebiet "Unter Elben" oder die gesamte Bautätigkeit im Ort. Berichte in der Tageszeitung, im Gemeindeblatt oder Gespräche beim Stammtisch tragen ebenso zu aktuellen Informationen bei. Und so bleibe ich auf dem Laufenden.

Sie waren Zuschauer in den zwei Gemeinderatssitzungen im Juli. Mit welchen Gefühlen haben Sie Ihre "Nachfolger" erlebt? Die Perspektive im Zuschauerraum ist ja eine andere als jene zur Linken des Bürgermeisters.

Als aufmerksamer Zuhörer im hinteren Teil des Sitzungssaales ist die Perspektive wirklich eine ganz andere. Gefreut hat mich in der konstituierenden Sitzung, dass sich alle drei Gruppierungen im Vorfeld über die "Postenverteilung" einig waren. Dies ist sicherlich ein guter Neuanfang und lässt für die nächsten Jahre auf eine gedeihliche Zusammenarbeit hoffen. Die Zusammensetzung des neuen Gremiums sehe ich als gelungen. Mit neuen Gesichtern und entsprechenden Ideen sehe ich gute Zukunftsperspektiven. Bleibt zu hoffen, dass die Harmonie zwischen Bürgermeister und Gemeinderat durch offenen Informationsfluss aufrechterhalten wird.

Beim Blick auf Ihre 30-jährige kommunalpolitische Karriere als Gemeinderat und Bürgermeister-Stellvertreter: Was bleibt Ihnen – spontan geantwortet – in Erinnerung? Positiv und negativ?

Die Gesamtgemeinde hat sich in den vergangenen 30 Jahren positiv entwickelt. Gewerbe- und Baugebiete wurden erschlossen, die entsprechende Infrastruktur wurde hierzu geschaffen, die Ortsmitte mit Pflegeheim und betreutem Wohnen haben die Gemeinde aufgewertet. Beide Rathäuser wurden renoviert und in Wellendingen der alte Ortskern mit Bürgerhaus und Jugendhaus erhalten.

Als frisch gewählter Gemeinderat geht man mit viel Optimismus und Erwartungen an die Arbeit. Die Realität holt einen jedoch sehr schnell ein. Pflichtaufgaben und schwankende Einnahmen lassen erst das Machbare vor dem Wünschenswerten zu. Im Laufe der Zeit sieht man auch hinter die Kulissen der Gemeindeverwaltung und damit die gesetzlichen Vorgaben, welche einzuhalten sind.

Negativ war für mich besonders, dass 45 Jahre nach der Verwaltungs- und Gemeindereform unsere beiden Ortsteile noch nicht in der gewünschten Form zusammengewachsen sind.

Was gab 1989 den Anstoß, zu kandidieren?

Schon vor meiner ersten Wahl hat mich die Kommunalpolitik interessiert. Mein Patenonkel (Erich Koch) und mein Bruder Gerhard waren damals Bürgermeister, und somit sorgte Kommunalpolitik bei Familientreffen stets für Gesprächsstoff. Auch bedingt durch meine Tätigkeit beim Vermessungsamt, und hier die Vermessung von Baugebieten, habe ich die Gemeinden wachsen sehen. In vielen Gesprächen mit Bürgermeistern der Kreisgemeinden und Verhandlungen mit Grundstückseigentümern lernte ich die Zusammenhänge einer Gemeindeentwicklung kennen. Dies hat mich gereizt, in der eigenen Wohngemeinde etwas zu bewegen.

Hierzu kam noch, dass ich als Vorsitzender eines Fußballvereins mit reger Bautätigkeit schon 14 Jahre Erfahrung mit Planungen und Umsetzungen vorweisen konnte. Überhaupt die Vereinstätigkeit mit der damit verbundenen Kameradschaft und ein großer Freundeskreis ließ mir letztlich der Entschluss zu, für den Gemeinderat zu kandidieren.

Mit welchen Erwartungen sind Sie Gemeinderat geworden?

Meine Erwartungen waren, möglichst viel bewegen zu können und die Gemeinde vorwärts zu bringen. Bauland, Schule, Kindergarten und Ortsstraßen sollten möglichst schnell auf Vordermann gebracht werden. Das Vereinsleben sollte besonders gefördert werden und der Blick immer nach vorne gerichtet sein.

Sind diese Erwartungen dann auch eingetreten? Konnten Sie Ihre Ziele – welche größeren? – umsetzen?

Meine Erwartungen sind tatsächlich eingetreten. Jedoch nicht mit der Geschwindigkeit, die ich mir gewünscht hätte. Doch in beiden Ortsteilen konnten bauwilligen Bürgern stets Bauplätze angeboten werden. Der Kindergarten und etliche Ortsstraßen wurden neu gebaut beziehungsweise ertüchtigt. Die Vereinsförderung in Wellendingen ist wohl beispielhaft im Umkreis, was sicherlich auch ein Verdienst der beiden Bürgermeister war.

Wie lautet Ihr Geheimnis guter Gemeinderatspolitik?

Zunächst ist ein guter Draht zu den Bürgerinnen und Bürgern wichtig. Weiter sind zuerst Argumente zu sammeln, die Themen genau zu analysieren und mit entsprechender Sachlichkeit einzubringen. Emotionen sind hintenanzustellen.

Stichwort Wilflingen. Beide Ortsteile sind Mitte der 1970er-Jahre keine Liebesheirat eingegangen, haben eine eingehen müssen. Es gab einige Enttäuschungen in all den Jahren. Zuletzt im Zusammenhang mit der Diskussion um die unechte Teilortswahl. Sie plädierten für ihre Abschaffung. Wie werten Sie dies und einiges andere mit etwas Abstand?

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die unechte Teilortswahl abgeschafft gehört. Dieses Jahr war die Chance da, "alte Zöpfe" abzuschneiden und gleichzeitig im neuen Gremium die künftige Richtung einzuleiten. Jahrzehnte wurden alle Angelegenheiten und Vorschläge des Ortschaftsrats im Gemeinderat durchgewunken. Lediglich beim Thema "Unechte Teilortswahl" und Anzahl der Gemeinderatssitze kochten die Emotionen hoch, und das Kirchturmdenken setzte ein. Daher wünsche ich mir, dass in vier Jahren dieses Thema objektiver angegangen wird und eine Annäherung beider Ortsteile die Folge ist.

Welches Fazit ziehen Sie nach 30 Jahren in der "ersten Reihe"?

Die Gemeinde Wellendingen hat sich positiv entwickelt und ist für die Zukunft gerüstet. Insgesamt haben Bürgermeister und Gemeinderat gut harmoniert und zusammengearbeitet.

Was hat Ihnen die Gemeinderatsarbeit persönlich "gebracht"?

Ich durfte als "kleines Rädchen" das Gesamtwerk mitgestalten und habe positive als auch negative Erfahrungen sammeln dürfen. Ich kann heute zufrieden nach hinten blicken und mich über das Geschaffene freuen.

Welche Botschaften würden Sie Ihren Nachfolgern mit auf den Weg geben, wenn Sie gefragt würden?

Zuerst überlegen, dann reden. Auch ein Zitat von John F. Kennedy würde ich empfehlen: "Frage nicht, was die Gemeinschaft für dich tun kann, sondern frage dich, was du für die Gemeinschaft tun kannst."

Bringen Sie sich als weiterhin engagierter Bürger in die Gemeinde ein? Wenn ja, wie? Oder steht nun ein langsamer Rückzug ins Private an?

Nach über 50-jähriger Tätigkeit im Ehrenamt ist es Zeit, sich aufs Private zu besinnen. Sofern die Gesundheit es zulässt, möchte ich meinen Hobbys wie Radfahren und Waldarbeit nachgehen. Dem SC-Vorsitzenden helfe ich selbstverständlich bei der Unter-haltung der Sportplätze und des Sportheims. Auch ist es höchste Zeit, mich mehr um die Familie zu kümmern. Alles andere wird die Zeit mit sich bringen. Es wird mir auf keinen Fall langweilig.

Auf was freuen Sie sich in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten?

Zunächst auf meinen 66. Geburtstag und dann noch auf einen schönen Spätsommer und Herbst.

  Die Fragen stellte Andreas Pfannes.