Ordnungsamtsleiter Gorzellik, Feuerwehrkommandant Stalzer und EST-Chef Metzler (von links) prüfenauf dem Esslinger Mittelaltermarkt die Sicherheitsvorkehrungen. Foto: Leif Piechowski

Adventsstimmung, Weihnachtsgebäck, Punsch und eine friedvolle Atmosphäre: So wünschen sich die meisten Besucher den Weihnachtsmarkt. Im Hintergrund läuft bei den großen Märkten aber ein hocheffizientes Sicherheitsmanagement, das vor Tragödien wie bei der Loveparade in Duisburg schützen soll.

Adventsstimmung, Weihnachtsgebäck, Punsch und eine friedvolle Atmosphäre: So wünschen sich die meisten Besucher den Weihnachtsmarkt. Im Hintergrund läuft bei den großen Märkten aber ein hocheffizientes Sicherheitsmanagement, das vor Tragödien wie bei der Loveparade in Duisburg schützen soll.

Esslingen - Die drei größten und längsten Weihnachtsmärkte der Region sind in Stuttgart, Esslingen und Ludwigsburg. Millionen von Menschen aus Baden-Württemberg und dem Ausland bummeln im Advent durch die Budengassen. Vor allem an den Wochenenden wird es eng: Dann müssen genügend Fluchtwege da sein und die Zufahrt für Feuerwehr und Rettungsdienste gewährleistet sein. Auszuschließen sind Unfälle nie.

2005 ging auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt eine Gasflasche in die Luft: Auf dem Schlossplatz wurden vier Menschen verletzt, zwei von ihnen schwer. Ursache war damals zwar menschliches Versagen, denn die Explosion wurde beim Wechseln der Flaschen ausgelöst. Doch in der Landeshauptstadt wurden Konsequenzen gezogen: Gasflaschen sollen dort nach und nach verschwinden, viele Verkaufsstände haben inzwischen auf mit Strom betriebene Geräte umgestellt. Dazu musste energietechnisch am Markt- und Schlossplatz erst einmal aufgerüstet werden: Sonst gingen, wenn alle gleichzeitig Strom für Beleuchtung, Heiz- und Grillgeräte zapfen, bald die Lichter aus.

Gasexplosion wäre der wohl schlimmste Unfall

In Esslingen gibt es diesen Engpass bei der Elektrizität: „Wir haben schon jetzt Probleme, den Strombedarf zu decken“, sagt Michael Metzler, Chef der Esslinger Stadtmarketing und Tourismus GmbH (EST), die den Markt ausrichtet. Deshalb werden dort weiterhin Gasflaschen eingesetzt. Allerdings: Alle Flaschen müssen außerhalb der Stände in nicht brennbaren Boxen stehen. Und das Lagern von Gasflaschen für die folgenden Markttage ist absolut tabu. Nur der Tagesbedarf ist erlaubt. „Jeder Marktbeschicker muss einen 50-seitigen Vertrag unterzeichnen“, sagt Metzler, das Problembewusstsein sei sehr hoch.

Eine Gasexplosion wäre tatsächlich der vermutlich schlimmste denkbare Unfall. Aber auch ein Sturm, Wasserschaden oder Brand kann schlimme Folgen haben. Die EST hat für alle Fälle ihr Marktvolk sensibilisiert und schult die regelmäßigen Beschicker immer wieder. Im Februar gibt es regelmäßig eine Manöverkritik. Zusätzlich zu den Nachtwachen, die auf dem Markt- und Rathausplatz sowie am Hafenmarkt patrouillieren, setzt die EST auf die „Schläfer“: „Das sind Marktbeschicker, die in ihren Ständen schlafen.“ Die würden wohl am schnellsten Unstimmigkeiten bemerken.

Viel offenes Feuer auf dem Esslinger Weihnachtsmarkt

Auch die Anwohner sind der Feuerwehr eine Hilfe. Einer meldete, wie sich Kommandant Rainer Stalzer erinnert, vor zwei Jahren, dass Jugendliche eines der Eingangstore zum Markt in Brand gesteckt hatten. Auch der Brand eines Standes vor dem Rathaus wurde schnell bemerkt und gelöscht.

Feuerwehr und das städtische Ordnungsamt arbeiten in puncto Sicherheit eng mit der EST zusammen. Vor allem der Mittelaltermarkt, auf dem es mehr offenes Feuer gibt als auf anderen Märkten, muss gründlich gesichert werden. Die wärmenden Feuerkörbe, die abends ein heimeliges Licht verbreiten, werden an den Wochenenden, wenn drangvolle Enge herrscht, erst gar nicht in Betrieb genommen. Außerdem gibt es 15 sogenannte Feuerlöschstützpunkte auf dem Marktgelände. Das sind Kisten aus Holz, in denen ein Feuerlöscher deponiert ist, in einigen zudem eine Löschdecke und in manchen auch noch ein Schlauch für offenes Feuer. Ob der Inhalt komplett ist, wird täglich kontrolliert.

Die Feuerwehr, so Rainer Stalzer, ist von der Hauptwache in fünf Minuten beim Markt. Länger daure die Anfahrt allerdings, wenn sich der Verkehr staue. Und das ist in Esslingen zurzeit häufig der Fall – wegen des Marktes einerseits, wegen der Großbaustelle am Bahnhof andererseits. Empfehlungen aus der Bürgerschaft, doch ein Löschfahrzeug direkt am Markt zu positionieren, hält Stalzer für wenig hilfreich: „Wenn wir wüssten, wo es brennt, würden wir das machen.“ Doch wenn das Fahrzeug am falschen Ende des Marktes steht, würde es unter Umständen länger zum Einsatzort brauchen als von der Hauptfeuerwache.

Um den exakten Einsatzort benennen zu können, wurde an jedem Marktstand ein Schild mit Buchstabe und Nummer angebracht. Dieser Code wird sofort an die Einsatzkräfte weitergegeben, die dann wissen, von welcher Seite sie anfahren müssen. Am Rande gibt es Feuerwehr-Abstellflächen, auf denen die Löschfahrzeuge geparkt werden können und notfalls die Drehleiter in Stellung gebracht werden kann. Direkt am Markt, hinter der Stadtkirche St. Dionys, steht permanent eine abgesperrte Fläche zur Verfügung. Dort könnten bei einem großen Unfall mit vielen Verletzten schnell Zelte für 25 Personen aufgebaut werden. Ein Notarzt entscheidet dann vor Ort, ob die Verletzten ins Krankenhaus müssen oder ambulant versorgt werden können.

Michael Metzler verweist auch auf 28 Wege, über die der Markt verlassen werden kann. Die teils historischen Gebäude werden ebenfalls geschützt – die Marktstände sind auf der Rückseite mit schwer entflammbaren Platten abgedeckt. Ordnungsamtsleiter Gerhard Gorzellik sagt, Esslingen überarbeite sein Sicherheitskonzept schon zum dritten Mal: Nach der Katastrophe von Duisburg wurde als Leitfaden ein Erlass aus Nordrhein-Westfalen zugrunde gelegt, der „weit über die Verordnung in Baden-Württemberg hinausgeht“. Ein Arbeitskreis untersuche sämtliche Veranstaltungen in Esslingen, ob sie ein besonderes Risiko bergen. Für den Mittelalter- und Weihnachtsmarkt bedeutet das: Die Zahl der Stände wurde von 190 auf 175 reduziert – zugunsten breiterer Wege.

Ludwigsburg setzt auf breite Gassen im "Boulevard-Maß"

Auf breite Gassen setzt auch Ludwigsburg. „Das ist unser Markenzeichen, 5,25 Meter ist Boulevard-Maß“, sagt Marktleiter und Citymanager Martin Boy. So herrschten auch an den Wochenenden „noch vernünftige Verhältnisse“. Boy lehnt das Dogma ab, „Gas ist des Teufels“ – der Unfall in Stuttgart sei schließlich auf eine Fehlbedienung zurückzuführen. Dennoch müssen auch in Ludwigsburg Ersatzflaschen außerhalb der Marktfläche gelagert werden. Unabhängige Firmen kontrollieren Anschlüsse und Leitungen „und tauschen auch mal einen ungeeigneten Camping-Anschluss aus“, so Boy. Auf Wunsch des Feuerwehrkommandanten verzichte man seit fünf Jahren auf Heizpilze. Dann bleibe das Reisig eher feucht, trockenes wäre tatsächlich eine Gefahrenquelle.