Die Wehrbeauftragte warnt, dass die Bundeswehr auf ein massives Personalproblem zusteuert. Die Wehrpflicht wiederzubeleben kann helfen, ist aber kein Allheilmittel, meint Hauptstadtkorrespondent Tobias Heimbach.
Wenn man in den vergangenen Jahren über die Probleme bei der Bundeswehr sprach, dann ging es meistens um das Thema Ausrüstung und darum, was sie nicht kann: Panzer, die nicht fahren, Hubschrauber, die nicht fliegen, und Schiffe, die nicht in See stechen. Und ja, daran hat sich nicht viel geändert.
Doch als die Wehrbeauftragte am Dienstag ihren Jahresbericht präsentierte, stellte sie ein anderes Thema in den Vordergrund: das Personal. Eva Högl (SPD) brachte das Problem klar auf den Punkt: „Die Truppe altert und schrumpft immer weiter.“
Schon länger sind Fachleute der Meinung, dass nicht fehlende Schützenpanzer, Flugzeuge und Fregatten die größte Herausforderung für die Bundeswehr sein werden, sondern fehlende Menschen. Das Problem ist noch vertrackter als das mit der Ausrüstung. Auch wenn es mitunter Jahre dauert, bis Waffensysteme ankommen, kann man sie mit Geld kaufen. Neue Soldaten nicht.
Anders als andere Arbeitgeber kann die Bundeswehr dem Problem nicht durch Zuwanderung begegnen. Bislang kann nur Soldat werden, wer den deutschen Pass hat – eine sinnvolle Regelung. Doch verkleinert sie das Fachkräftereservoir, aus dem die Bundeswehr schöpfen kann.
Nun wird schon länger die Idee diskutiert, die Wehrpflicht wieder einzuführen, um die Personalprobleme der Truppe zu lösen. Doch wer darin seine Hoffnung setzt, wird wohl enttäuscht werden: Die Wehrpflicht wäre kein Allheilmittel. Schon gar nicht für eine Bundeswehr in ihrem derzeitigen Zustand. Natürlich kann es helfen, wenn mehr junge Menschen Kontakt zur Truppe bekommen. Als es noch die alte Wehrpflicht gab, verpflichtete sich mancher, der das nie vorgehabt hatte, anschließend für mehrere Jahre. Doch die Bundeswehr muss mehr dafür tun, Arbeitskräfte zu halten. Die Abbrecherquote in der Probezeit liegt aktuell bei mehr als 20 Prozent. Ein Grund dafür: Es fehlt an einfachsten Dingen, beispielsweise sauberen Duschen und Toiletten in den Kasernen.
Ebenfalls seit Jahren setzt man große Hoffnungen darauf, dass sich mehr Frauen für eine Karriere bei der Bundeswehr entscheiden. Doch in diesem Jahr berichtet Högl, dass die Zahl der sexuellen Übergriffe auf Frauen gestiegen sei. Das ist schlimm für die Betroffenen. Potenziellen Bewerberinnen sendet es ein fatales Signal.
Die Bundeswehr muss schnell mehr dafür tun, um solche Missstände abzustellen. Sollten junge Menschen wirklich eines Tages wieder verpflichtet werden, ihren Dienst bei der Truppe zu leisten, muss sich die Bundeswehr gerade deshalb als attraktiver Arbeitgeber präsentieren können.
Ein weiterer Grund, warum man nicht zu große Hoffnung auf die Wehrpflicht setzen sollte: Sie würde der Bundeswehr nicht die Art von Soldaten zuführen, die man eigentlich bräuchte. Es fehlen vor allem Spezialisten, die kein Wehrpflichtiger ersetzen kann. In einer Dienstzeit, die wenige Monate dauert, kann niemand lernen, wie man eine Radaranlage bedient oder das Triebwerk eines Transportflugzeugs wartet. Gerade Fachleute, die das beherrschen, braucht man aber besonders dringend.
Die Bundeswehr sollte ihre Probleme schnell lösen. Die Herausforderungen beim Personal werden eher größer als kleiner. Heute gibt es pro Jahr weniger als 800 000 Menschen, die das 18. Lebensjahr vollenden. Vor 15 Jahren waren es mehr als 1,1 Millionen. Junge Menschen haben die Wahl, was sie mit ihrer Zukunft machen wollen. Die Bundeswehr muss mehr tun, damit sich diese Menschen für sie entscheiden – Wehrpflicht hin oder her.