Rund 3500 junge Menschen leisten im Land Bundesfreiwilligendienst. Foto: dpa/Patrick Pleul

Der kompletter Bereich des Bundesfreiwilligendienstes liegt auf Eis. Noch können viele Bewerber ins Freiwillige Soziale Jahr wechseln. Doch die Sozialverbände schlagen Alarm.

Eigentlich ist für Kevin Knuplesch alles längst klar gewesen. Der Dienstbeginn am 1. Dezember im Gaisenhaus, einem Familienzentrum im Stuttgarter Stadtteil Gaisburg, stand fest. Dort wollte der 18-Jährige ein Jahr seinen Bundesfreiwilligendienst (BFD) leisten – ein Ersatzprogramm für den früheren Zivildienst. Hausmeistertätigkeiten, die Mitwirkung an Kinderprogrammen und die Ausarbeitung neuer Angebote gehören in dem Haus zu den Aufgaben eines „Bufdis“. Doch dann kam wenige Tage vor Dienstantritt plötzlich ein Brief vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA). „Ablehnung“ stand im Betreff.

 

Das Bundesamt dürfe keine weiteren Zahlungsverpflichtungen eingehen, schrieb der zuständige Sachbearbeiter. „Ich bedaure, keine andere Entscheidung treffen zu können.“ Hintergrund ist die Haushaltssperre, die der Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse erlassen hat. Demnach dürfen aktuell keine neuen Zahlungsverpflichtungen für das Haushaltsjahr 2024 eingegangen werden. „Das war schon ein Schock. Dass mich diese Haushaltssperre betrifft, hätte ich nicht gedacht“, sagt Knuplesch.

Ältere Bewerber müssen vertröstet werden

Gaisburg ist kein Einzelfall. Auch Sabine Reichle von der Caritas in Stuttgart bestätigte die Probleme. „Die negativen Auswirkungen betreffen über kurz oder lang ja den gesamten Verband.“ Bei laufenden Bewerbungsverfahren werde nun geprüft, ob es eine Möglichkeit gibt, die Anstellung auf ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) umzustellen. Das FSJ-Budget wird nämlich vom Land und nicht vom Bund bezuschusst.

Grundsätzlich ist ein Wechsel bei den meisten Stellen möglich. Allerdings ist das FSJ-Kontingent begrenzt und hat vor allem deshalb Reserven, weil die Bewerbernachfrage zuletzt schwächelte. Zudem kommt das FSJ nicht für jeden infrage. Es darf nur einmal angetreten werden und ist auch nur für junge Menschen zugänglich. „Die komplette Zielgruppe im BFD 27plus fällt uns weg“, sagte Reichle. „Wir müssen sie vertrösten.“

„Das ergibt kein gutes Bild“

Das Loch werde vor allem in der Altenhilfe zu spüren sein. Dort stammten 90 Prozent der Bufdis aus Drittländern wie Madagaskar, Indien und Indonesien, die im deutschen Pflegesystem Erfahrungen sammeln wollten, aber meist schon älter wären. Ihnen könnten nun auch keine Verlängerungen angeboten werden, sagte Reichle. Alexandra Heizereder von der Evangelischen Heimstiftung verwies auf die große Bedeutung des BFD. Immer wieder habe man durch ihn „junge Menschen für die Pflege begeistern und gewinnen“ können.

Bereits während der Beratung des nun gestoppten Haushalts war eine 25-prozentige Mittelkürzung für den BFD ins Spiel gebracht worden. „Wir waren sehr erleichtert, dass dies verhindert werden konnte“, sagte Dietmar Hartlieb vom Landesarbeitskreis FSJ Baden-Württemberg in Karlsruhe. Die Haushaltssperre produziere nun neue Verunsicherung. „Das ergibt kein gutes Bild für den Freiwilligendienst insgesamt.“ Im Land arbeiten gegenwärtig 12 000 Menschen im FSJ und 3500 im BFD. Weitere 500 verteilen sich auf das Freiwillige Ökologische Jahr und anderen Freiwilligendienste.

Taschengeld von 300 Euro

Wie viel Geld der Bund durch die Haushaltssperre beim Bundesfreiwilligendienst spart, ist nicht ermittelt. Tatsächlich geht es um Zuschüsse zum Taschengeld, das für BFD und FSJ einheitlich rund 300 Euro pro Monat beträgt. Beim BFD beteiligt sich der Bund außerdem mit jährlich fünf Schulungstagen. Im Gaisenhaus ist der erste Ärger mittlerweile verflogen – der verhinderte Bufdi konnte seinen Dienst als FSJler am Ende doch noch pünktlich antreten.