Richtige und fachgerechte Trocknung ist nach einem Leitungswasserschaden wichtig, um Folgekosten zu vermeiden. Foto: Mierendorf

Die Versicherungswirtschaft muss jedes Jahr Millionen Euro für Wasserschäden aufwenden.

Stuttgart - Kurz vor acht klingelte es bei Marit Konnerth an der Haustür Sturm. In der Zahnarztpraxis über ihrer Apotheke im Stuttgarter Stadtbezirk Degerloch war in der Nacht ein Wasserschlauch geplatzt. Das Wasser tropfe mittlerweile auch in ihre Apotheke, informierte sie der Zahnarzt persönlich. Als sie kurz darauf die Räume betrat, bot sich ihr ein Bild der Verwüstung: Der Boden war komplett überschwemmt, das Wasser lief die Kellertreppe hinunter, Tapetenbahnen hatten sich von der Wand gelöst, und die in den Regalen stehenden Bücher waren vom Wasser komplett durchgeweicht. Computer und Kassensystem waren durch die Wassereinwirkung zudem komplett ausgefallen. Die eingelagerten Medikamente waren nicht mehr verkaufbar und mussten entsorgt werden.

„Viele Leitungswasserschäden sind zunächst sehr diffus" 

„Ein Albtraum”, erinnert sich Marit Konnerth. Undichte oder geplatzte Leitungswasserrohre richten jedes Jahr Schäden in Millionenhöhe an. So verzeichnet die Sparkassen-Versicherung in ihrem Geschäftsgebiet, den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen und Thüringen, jedes Jahr rund 50 000 Schadenfälle in diesem Bereich. Der Wüstenrot & Württembergische Versicherung wurden im zurückliegenden Jahr bundesweit weitere rund 22 000 Schadenfälle durch Leitungswasser gemeldet, die mit durchschnittlich 2000 Euro pro Fall entschädigt wurden, Tendenz steigend. „Die Gefahr von Leitungswasserschäden ist bei 400 Meter Rohrleitungen und 200 Verbindungs- und Anschlussstücken pro Haus nicht zu unterschätzen”, erklärt Andreas Bihr von der Wüstenrot & Württembergischen die große Zahl an Schadenfällen. Während frostbedingte Schäden wie Rohrbrüche vor allem in kalten Jahreszeiten häufiger vorkommen, verteilen sich sogenannte Durchnässungsschäden durch geplatzte Spülmaschinenabschlüsse oder übergelaufene Badewannen über das ganze Jahr, ist die Einschätzung der deutschen Sachversicherer. „Viele Leitungswasserschäden sind zunächst sehr diffus und nur schwer zu beschreiben”, ist die Erfahrung von Heike Beckmann, die bei der Sparkassen-Versicherung für die Schadenregulierung zuständig ist. Manchmal dauert es Wochen oder gar Monate, bis ein Leitungswasserschaden überhaupt realisiert wird.

„Am Anfang ist es vielleicht nur eine feuchte Wand oder abbröckelnder Putz, der ein Indiz für einen Rohrbruch sein könnte”, sagt Beckmann. Der Grund: Vor allem in älteren Häusern sind die Rohrleitungsnetze aufgrund ihres Alters schadenanfälliger. Die Allianz Sachversicherung schätzt den derzeitigen Sanierungsbedarf des Leitungswassernetzes auf circa 30 bis 40 Prozent der bestehenden Rohrleitungen. Ist das Leitungswasser erst einmal unkontrolliert ausgetreten, geht es um Schadenminderung, wie es im Versicherungsdeutsch heißt. Der Betroffene muss dabei alles Nötige veranlassen, damit der Verlust so gering wie möglich gehalten wird, sagt die gängige Rechtsprechung. Dazu gehört zum Beispiel, den Hauptwasserhahn abzudrehen, damit kein weiteres Wasser austritt, oder den Strom abzustellen, damit es zu keinem Kurzschluss kommt.

Große Wasserschäden bedeuten für immer einen extremen Stress

Spätestens dann sollte die Versicherung über den Schadenfall informiert werden und erste Maßnahmen zur „richtigen und fachgerechten” Trocknung eingeleitet werden. „Wir achten sehr genau darauf, dass dies professionell durchgeführt wird, um Folgeschäden zu vermeiden”, erläutert Heike Beckmann. Nur ganz kleine Schäden könnten ohne professionelle Trocknung behoben werden. „Schon beim Parkettboden sieht das anders aus”, so die Expertin. Ein Leitungswasserschaden wird dabei nicht selten auch zu einer nervlichen Zerreißprobe für die Geschädigten. Das musste auch Marit Konnerth erfahren. Im Nachhinein betrachtet fühlt sich die Apothekerin „ziemlich alleingelassen” mit ihren Problemen. Die Versicherer wissen um die Problematik. Große Wasserschäden bedeuten für die Geschädigten immer einen extremen Stress, so die Sparkassen-Versicherung.

Das Unternehmen hat zum Beispiel für Schäden durch Starkregen einen Leitfaden zusammengestellt, der den Ablauf der Regulierung beschreibt. Ob die Versicherung aber letztendlich auch jeden Schaden zahlt, ist davon abhängig, was überhaupt versichert wurde. Normalerweise sind Leitungswasserschäden am Gebäude durch die Gebäudeversicherung, Schäden an Einrichtungsgegenständen über die Hausratsversicherung abgedeckt, erklärt Andreas Bihr. Dazu gehören alle Schäden, die durch wasserführende Teile im Haus verursacht werden. Dabei sei es gleichgültig, ob eine Leitung in der Wand gebrochen sei oder sich der Waschmaschinenschlauch selbstständig gemacht hat. Ist allerdings das Wasserbett oder das Aquarium ausgelaufen, wird der Schaden nur dann übernommen, wenn derartige Schäden in der Versicherung auch tatsächlich eingeschlossen waren, so Bihr. „Auf jeden Fall lohnt sich immer ein Blick in die Versicherungsbedingungen”, rät Sabine Schaffrath von der Allianz. Da es in der Wohngebäude- und Immobilienversicherung seit Jahrzehnten verschiedene Deckungskonzepte gebe, könne es durchaus sein, dass ein Gebäude zum Beispiel nur gegen Brand/Feuer versichert wurde. Dann sei ein Leitungswasserschaden natürlich nicht abgesichert. Mittlerweile hat Marit Konnerth ihre Apotheke wieder eröffnet. Wie hoch ihr Schaden letztendlich sein wird, weiß sie noch nicht. An den Wasserschaden erinnert indes nur noch ein Video im Internet, das einer ihrer Mitarbeiter eingestellt hatte.