Naturerlebnis auf den freigelegten Wanderwegen auf der Wangener Höhe. Foto: Peter Petsch

Ein Naturschutzprojekt macht die historischen Wege der Wangener Höhe wieder zugänglich.

Stuttgart - Während im Schwarzwald heftig über einen Nationalpark gestritten wird, gibt es oberhalb des Neckartals längst einige Flecken, in denen die Natur sich selbst überlassen ist. An den steilen Nordhängen der Wangener Höhe werden immer mehr Gärten und Weinberge aufgegeben. Zu anstrengend ist es für Pächter und Besitzer, ihr Gütle weit abseits von Straßen und Steckdosen weiter in Schuss zu halten.

Die Natur erobert sich zurück, was ihr die Wangener vor Generationen zum mühseligen Anbau von Nahrung genommen haben. Die Kehrseite der Medaille: ohne stetige Pflege verfallen oberhalb Wangens ökologisch wichtige Trockenmauern und jahrhundertealte Fußpfade, die sogenannten Wandel oder Gwandwege.

„Viele Wandel wurden vor rund 150 Jahren zur Bewirtschaftung der Weinberge erbaut“, erläutert Wolf-Dietrich Paul vom städtischen Umweltamt. Paul koordiniert das Wandelprojekt, das seit drei Jahren die Restaurierung von Wegen und Mauern zum Ziel hat. Insgesamt steht bis zum Projektabschluss Ende 2014 eine halbe Million Euro aus Fördertöpfen von Stadt, Region und Land zur Verfügung. Die Hänge sollen für erholungsuchende Städter wieder leichter zugänglich werden, wertvolle Biotope für Flora und Fauna erhalten bleiben.

Erfolgsmeldung für die Natur

Eine Zwischenbilanz fällt beeindruckend aus. „Inzwischen wurden 14 Kilometer Wege und Staffeln freigeschnitten und wiederhergestellt“, sagt Paul. Daneben sind über ein Dutzend verfallene Trockenmauern mit einer Gesamtfläche von 150 Quadratmetern wiederaufgebaut. Für die Natur ist vor allem letzteres eine Erfolgsmeldung. Auf den Mauern siedeln Moose, Flechten und Farne, in den Spalten leben Eidechsen, Ringelnattern und Wildbienen. „Allein auf der Wangener Höhe finden sich 150 verschiedene Moosarten“, verdeutlicht Martin Nebel, der Moosexperte des staatlichen Naturkundemuseums, die Besonderheit.

Reiche Beute machte auch Inge Maass: Die Landschaftspflegerin kartierte sieben verschiedene Farnarten an den Hängen. „Dieses Gebiet ist ein sehr altes Ökosystem“, schlussfolgert Nebel.

Nachhaltige Investitionen

Zum Einsatz in der Landschaftspflege oberhalb des Neckartals kommen vor allem Sozialunternehmen mit Langzeitarbeitslosen. „Sie sind die Basis des Erfolgs“, lobt Wolf-Dietrich Paul das Engagement der Arbeiter, deren Aufgabe oft viel Kraft verlangt. Für Bagger sind die Baustellen in der Natur unerreichbar, so dass die Cannstatter Travertinsteine, aus denen viele der Wandel und Mauern am Berg gebaut sind, mit Muskelkraft bewegt werden müssen.

Deswegen gibt es den Mauerbau auch nicht zum Schnäppchenpreis. Je nach Aufwand kostet es bis zu 600 Euro, einen Quadratmeter wiederherzustellen. „Das Umweltamt bezuschusst bis zu 70 Prozent der Kosten“, so Paul. Es ist eine besonders nachhaltige Investition. „Neue Trockenmauern müssen altern“, erwähnt Nebel. Besonders anspruchsvolle Pflanzen siedeln sich erst darauf an, wenn die Steinoberfläche verwittert ist. Und das kann dauern. „Bis zu 50 Jahre”, so der Biologe.

Informationen für Wanderer:

Laden Sie sich unserer Übersichtskarte als PDF herunter.

Geführte Exkursionen auf den frisch restaurierten Wandelwegen veranstaltet das Umweltamt anlässlich des Tags der Artenvielfalt am 15. Juni 2013.

Die erste Führung startet am Freitag, 7 . Juni, um 16 Uhr am Rathaus Wangen.

Eine Moos-Exkursion beginnt am Freitag, 14. Juni, um 16 Uhr an der Stadtbahnhaltestelle „Im Degen“.

Eine Anmeldung beim Umweltamt ist erforderlich bis einen Tag vor der Veranstaltung unter der Telefonnummer 07 11 / 21 68 86 00. Gutes Schuhwerk und etwas Kondition sind mitzubringen.

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