Gerda Koch-Seid † Foto: Schwarzwälder Bote

Nachruf: Gerda Koch-Seid wurde fast 90 Jahre alt / Im Traditions-Gasthaus spielte sich das Tumlinger Dorfleben ab

Fast 90 Jahre alt ist sie geworden, die frühere Löwen-Wirtin, die aus Hörschweiler stammte. Mit dem Ableben von Gerda Koch-Seid geht ein Stück Ortsgeschichte von Tumlingen in die Annalen ein.

Wa ldachtal-Tumlingen. 53 Jahre lang führte sie das Traditions-Gasthaus mit Brauerei zusammen mit ihrem Mann Kurt Koch-Seid, und nebenbei arbeiteten sie noch in der Landwirtschaft. Gerda Koch-Seid erlangte als hervorragende Köchin einen sehr guten Ruf. Für Urlaub hatten die fleißigen Wirtsleute nie Zeit.

Gerda Koch-Seid bleibt in Erinnerung als gute Seele der Gaststätte mit Restaurant-Betrieb. Bekannt war die Löwen-Wirtin für ihre gutbürgerliche Küche und insbesondere für ihren Rostbraten. Viele Gäste schätzten auch ihre selbst gemachten Kuchen: die Schwarzwälder Kirschtorte als auch schwäbischen Zwetschgen- und Apfelkuchen. "Meine Mutter war Wirtin mit Leib und Seele", sagt Tochter Renate Schmid, die selbst viele Jahre im elterlichen Betrieb engagiert mitgearbeitet hat.

Vorbereitet auf ihre neue Aufgabe als Küchenchefin im "Löwen" in Tumlingen wurde ihre Mutter im Hotel am Rödelsberg bei ihrem Verwandten Helmut Maier in Schopfloch. 1950 heiratete sie den Huf- und Wagenschmied Kurt Seid. In der Hochzeitsanzeige hieß es damals: Wir beehren uns, Sie zu unserer Hochzeitsfeier freundlichst einzuladen – Kurt Seid, Schmied, Sohn von Johann Seid, und seine Braut Gerda Kugler, Tochter von Christine Kugler – Kirchgang 1 Uhr in Tumlingen.

Im Januar 1951 übernahm das Ehepaar das Gasthaus und ihre Ära ging 2004 zu Ende. Das Ehepaar ergänzte sich gut: Er machte die Schänke und bediente die Gäste, sie zauberte die Essen auf den Tisch. Sie hat für ihre Gäste gelebt. Viele erinnern sich an eine "sehr heitere und fröhliche" Wirtin. "Meine Mutter war sehr freigiebig", erinnert sich Tochter Renate. Nach einigen Krankheitsjahren starb ihr Mann 86-jährig im Jahr 2007. Auch die Wirtin erkrankte in ihren letzten Lebensjahren und wurde sechs Jahre lang von ihrer Tochter Renate gepflegt.

Ihre 80er-Feier konnte die jetzt verstorbene Wirtin noch 2009 in ihrem Gasthaus feiern. Um sie trauern die beiden Töchter Inge Kriner (1952), München, und Renate Schmid (1954), Tumlingen, die zwei Enkelkinder Annette und Andreas sowie die beiden Urenkelkinder Davina und Tara.

Der "Löwen" in Tumlingen

Das Gasthaus Löwen mit seiner mehr als 160 Jahre langen Tradition war für die Tumlinger ein wichtiger Treffpunkt. Fast das ganze Vereins- und Dorfleben spielte sich hier ab. Früher verfügte der Gasthof auch über einen großen Saal und eine Schießanlage. Hier gingen neben dem Schützenverein und Sportverein auch der Gesangverein aus und ein. Das Gasthaus erlebte Vereins-, Firmen-, Familienfeiern, Senioren-Treffen, geselliges Zusammensein der Gymnastik-Frauen und Konfirmationen. 1959 kamen die ersten Feriengäste nach Tumlingen. Renate Schmid erinnert sich: "Die ersten kamen mit dem Busunternehmen Koppers aus dem Ruhrgebiet und dann vom Rheinelbe Bergbau." Zeitweise waren es bis zu 80 Leute. Das Busunternehmen Schweizer aus Lützenhardt übernahm die Gäste ab Frankfurt. Weil der Löwen "nur" über acht Doppelzimmer mit bis zu 20 Betten verfügte, mussten die anderen Feriengäste in ganz Tumlingen verteilt werden. Die Koffer wurden mit dem Leiterwagen transportiert. Die Wäsche wurde zu Frau Schimmel ins Waschhaus gebracht. Bis in die 1970er Jahre hinein kamen regelmäßig Feriengäste nach Tumlingen.

Drei Generationen lang verblieb das Traditions-Gasthaus im Besitz der Familie Koch. Weil der 19-jährige Sohn Helmut im Zweiten Weltkrieg verhungert war, ging es mit dem Gastronomiebetrieb der Eltern anders weiter wie geplant: Die Wirtsleute Ludwig und Marie Koch nahmen an Sohnes statt Kurt Seid an, der daraufhin den Nachnamen Koch-Seid bekam. Kurt Koch-Seid ist der älteste Bruder von Richard (Tumlingen), Hans (Denkingen) und Elfriede Linde (Horb).

Die Anfänge im Jahr 1840

An der Waldgasse (heute Talstraße) wurde 1840 vom damaligen Besitzer und nachmaligem Lindenwirt Andreas Eberhardt ein zweistöckiges Wohnhaus mit Scheuer, Stallung und einem gewölbten Keller gebaut, wie es im Gebäudekataster 1824-1841 heißt. Am 28. April 1843 suchte Bierbrauer und Bäcker Mattheis Kirschenmann beim Gemeinderat um ein Zeugnis nach, zur Erlangung der Erlaubnis zur Errichtung einer Bierbrauerei und Weinschenke. Er erhielt das Zeugnis, obwohl laut Protokoll zwei Brauereien (Linde und Hirsch) im Ort waren, aber beide außer Betrieb.

Jakob Eberhardt, Löwenwirt von Grömbach, hatte am 24. Februar 1845 das hiesige Bürgerrecht erworben und eine Bierbrauerei von Mattheis Kirschenmann gekauft. Schon 1846 aber wurden ihm sämtliche Liegenschaften verkauft, er blieb aber bis 1849 Besitzer. Dann wurde das Anwesen erneut ausgeschrieben. Der Löwen ist erstmals 1845 in einem Kirchenprotokoll erwähnt worden. Die Geschwister Eilber von Glatten erwarben den Besitz, dessen sie sich nicht lange erfreuen konnten. Denn: 1855 wurde die Immobilie wegen eingeklagter Schulden erneut verkauft. Jakob Ludwig Koch (1834-1897), hiesiger Wirt, Bierbrauer und Gemeinderat, kaufte das Anwesen. Die Nachfolge trat sein Sohn Ludwig Koch mit seiner Frau Marie an. Nach dem Tod von Ludwig Koch im Jahr 1949 musste die Ehefrau die Gastwirtschaft alleine weiterführen. Als ihr einziger Sohn Helmut nicht mehr aus dem Zweiten Weltkrieg heimkehrte, übernahm das frisch vermählte Ehepaar Kurt und Gerda Koch-Seid 1951 das Gasthaus.

Bevor der "Löwen" zum 31. März 2004 endgültig seine Türen schloss, dankte der Seniorenkreis Tumlingen-Hörschweiler für das 15-jährige Gastrecht. 2009 wurde der Löwen verkauft und einer nicht gastronomischen Nutzung zugeführt.