Mit Spannung wurde am Dienstag das Urteil gegen den Waffennarr aus dem Kreis Calw erwartet. Foto: Kunert

Ein Waffennarr aus dem Kreis Calw muss für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. In dem aufsehenerregenden Prozess hat das Landgericht Tübingen am Dienstag die Urteile verkündet. Gegen die drei Mitangeklagten wurden Bewährungsstrafen verhängt.

Kreis Calw/Tübingen - "Es bleibt ein ungutes Gefühl", sagte die Vorsitzende Richterin Manuela Haußmann am Ende ihrer umfangreichen Urteilsbegründung. Das Gericht habe in den sechs Verhandlungstagen nicht abschließend klären können, warum der Hauptangeklagte sich im Zeitraum von 2015 bis 2018 unter anderem vier vollfunktionsfähige Schnellfeuerwaffen besorgt hatte sowie jede Menge weiterer Pistolen, Flinten, Munition und auch hochexplosiven Sprengstoff, sogenannte Blitzknallsätze.

Gericht erkennt hohe kriminelle Energie

Verurteilt wurde der Waffennarr für vorsätzlichen unerlaubten Erwerb und Besitz von Kriegswaffen, hinzu kommen aber auch noch eine Vielzahl weiterer, in Zusammenhang mit dem Waffenbesitz stehender Delikte. Es seien "nicht irgendwelche Waffen" gewesen, so Haußmann, die einem fünfköpfigen, rein weiblichen Richtergremium der Tübinger Strafkammer vorsaß, "sondern funktionsfähige Kriegswaffen". Strafverschärfend sei gegen den Hauptangeklagten gewertet worden, dass er "eine hohe kriminelle Energie" an den Tag gelegt habe – so sei bei einer Hausdurchsuchung eine scharfe, durchgeladene Pistole ausgerechnet im Wickelraum der neugeborenen Tochter gefunden worden.

Auch das gezielte Anlegen von verschiedenen Erdbunkern im Calwer Kreisgebiet wertete das Gericht zu Ungunsten des Angeklagten, wenn auch seine sehr bereitwillige Mithilfe bei der Aufklärung des gesamten Tatgeschehens – bei dem er auch von sich aus die Ermittler zu eben jenen Erdbunkern geführt hatte – wiederum zu seinem Gunsten ausgelegt wurde. Insgesamt sah das Gericht deshalb davon ab, den Angeklagten in einem besonders schweren Fall zu verurteilen – was ein Strafmaß von bis zu zehn Jahren Gefängnis gerechtfertigt hätte.

Stattdessen blieb das Gericht entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft mit den dreieinhalb Jahren Gefängnis auch unterhalb des Höchststrafmaßes für einen minderschweren Fall, für den maximal fünf Jahre fällig geworden wären. Hier sei auch positiv zu werten gewesen, dass der Angeklagte nicht vorbestraft sei und auch die lange Untersuchungshaft bereits eine "große Belastung" für ihn dargestellt habe, weil er so wichtige Entwicklungsphase im Aufwachsen seiner Tochter verpasst habe.

"Es konnte nicht aufgeklärt werden, was wirklich dahinter steckt"

Völlig abwegig werte das Gericht aber die Einlassungen des Angeklagten, das umfangreiche Waffenarsenal und den Sprengstoff allein zur Ausstattung einer von ihm zu gründenden Bürgerwehr angeschafft zu haben. Der Angeklagte hatte dazu im Verfahren ausgeführt, er habe sich nach 2015 durch die damalige Flüchtlingskrise und später die Corona-Krise bedroht gefühlt und sich gegen mögliche Unruhen und Bedrohungslagen schützen wollen. "Da ist mehr", so die Mutmaßung der Richterin – da eine Bürgerwehr sicherlich keine Schalldämpfer, wie sie beim Angeklagten gefunden worden, würde einsetzen wollen.

Hier führte Haußmann aus, dass vor allem der erst kurz vor der Verhaftung des Angeklagten entstandene Kontakt zu einem der Mitangeklagten Anlass zur Sorge gebe. Bei diesem seien einschlägige, dem rechtsradikalen Spektrum zuzuordnende Inhalte gefunden worden, auch habe dieser auf die Rückgabe "eines eisernen Kreuzes", das im Rahmen der Ermittlungen beschlagnahmt worden war, ausdrücklich bestanden. Allerdings hätte auch der "sehr umfangreiche Ermittlungsaufwand" in diesem Fall keine abschließenden Erkenntnisse erbracht. "Es konnte nicht aufgeklärt werden, was wirklich dahinter steckt."

Kein Glauben schenkte das Gericht auch der Erklärung des Angeklagten, er hätte die bei ihm sichergestellten Sprengstoffe und Chemikalien nicht für sich, sondern für einen der Mitangeklagten angeschafft. Dagegen sprächen die "hohe Affinität" des Angeklagten zu Waffen und eben Sprengstoffen, die sich unter anderem durch umfangreiche Fachliteratur über Sprengstoffe, die der Angeklagte besitze, belegen lasse. Laut dem Sachverständigen hätten die vom Angeklagten bei einem Versandhändler bestellten Chemikalien ausgereicht, um eine Menge von drei Kilogramm Blitzknallsätzen herzustellen – wobei "wenige Gramm" ausreichten, so Haußmann, um beispielsweise einen Zigarettenautomaten zu sprengen.

Bestellungen sind zum Verhängnis geworden

Seine Bestellungen bei dem Händler sind – laut Urteilsbegründung – dem Angeklagten auch zum Verhängnis geworden, da diese Bestellung an das Bundeskriminalamt gemeldet worden waren – von wo aus dann über das Landeskriminalamt Baden-Württemberg im August vergangenen Jahres eine Hausdurchsuchung bei dem 37-Jährigen im Kreis Calw veranlasst wurde, in dessen Folge dann auch erste Waffen bei ihm gefunden worden waren. Da die Freundin des Angeklagten und zwei seiner Freunde, beziehungsweise Bekannten daraufhin versuchten, Waffen und in Baby-Nuckelflaschen gelagerten Sprengstoff bei Seite zu schaffen, wurde diese wegen Waffenbesitz und versuchter Strafvereitelung zu Strafen zwischen acht und 15 Monaten verurteilt – ausgesetzt zu je drei Jahren Bewährung, zu denen je noch 150 Stunden zu leistender Sozialdienst kommen.

Die Urteile in diesem Verfahren sind noch nicht rechtskräftig, Revision vor dem Bundesgerichtshof wurde zugelassen. Die Staatsanwaltschaft kündigte noch im Gerichtssaal an, "mit hoher Wahrscheinlichkeit" die Urteile anzuerkennen und keine Rechtsmittel einlegen zu wollen. Der Verteidiger gab noch keine Erklärung ab.