Palmer hätte in einer Diskussionsrunde auf seinen Amtskollegen Rupert Kubon (Bild) treffen sollen. (Archivfoto) Foto: sb-Archiv

Keine Veranstaltung mit Boris Palmer und Rupert Kubon zur Flüchtlingsfrage wegen Sicherheitsrisiko.

VS/Tübingen/Ehningen - Die Begegnungsstätte im Bühl in Ehningen (Kreis Böblingen) ist eine wunderbare Einrichtung. In dem modernen Gebäude zwischen Pflegeheim und Kindergarten soll die Kommunikation gefördert werden. Zum Beispiel am 26. Oktober: Da hat sich der kleine Grünen-Ortsverband eingemietet und den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) mit einer Lesung zu Gast. "Wir können nicht allen helfen", heißt sein 256-Seiten-Büchlein, das er im vergangenen Jahr kurz vor der Bundestagswahl vorgelegt hat.

Wegen der darin formulierten schonungslosen Kritik an Angela Merkels (CDU) Flüchtlingspolitik hat es sich seither nicht zuletzt in rechtspopulistischen Kreisen zum bejubelten Standardwerk entwickelt. Palmers grüne Parteifreunde mögen seinen Bestseller weniger, und so kam die Ortsvereins-Chefin Daniela Toscano auf eine durchaus reizvolle Idee. Sie wollte Palmer in einer anschließenden Diskussionsrunde seinen Amtskollegen Rupert Kubon (SPD) aus Villingen-Schwenningen gegenüberstellen. Der hatte gerade erst in einem Zeitungs-Interview Palmer deutlich kritisiert. Dessen Äußerungen zum Asylthema, ob in Buchform oder bei Facebook, seien wenig hilfreich.

Anders als viele prominente Grünen-Politiker, die Palmer in Flüchtlingsfragen gerne als Gesinnungsethiker abqualifiziert, ist der SPD-Mann aus dem Schwarzwald selbst ein kommunaler Praktiker. Seit 16 Jahren regiert er Villingen-Schwenningen, eine Stadt, die mit 85.000 Einwohnern fast genauso groß ist wie Tübingen. In der Flüchtlingsproblematik vertritt Kubon aber ganz andere Positionen als Palmer.

Kubon erntete Shitstorm

Wo der Grüne trotzig der Kanzlerin widerspricht und feststellt "Wir schaffen es nicht", erklärt Kubon, man sei doch längst dabei. Wo Palmer eine Flüchtlingskrise wittert, kann sein Amtskollege allenfalls eine Herausforderung erkennen. Wo der Tübinger OB die Grenzen der Belastbarkeit erreicht sieht, findet Kubon, dass es darum im Angesicht der tatsächlichen Zahlen überhaupt nicht gehe. "Die Frage ist doch: Wie gehen wir mit denen um, die zu uns kommen?", erklärte er in dem Interview. Der eigentliche Skandal sei doch der Krieg, der gegenwärtig gegen Menschen geführt werde, die im Mittelmeer ertränken.

Doch nun muss das Streitgespräch ausfallen. Zwar stünden beide Herren für den Abend bereit, doch es gebe Sicherheitsbedenken, sagt die Grünen-Chefin Toscano. Wenn sich die beiden Oberbürgermeister verbal die Köpfe einschlügen, könnten dadurch Besucher angelockt werden, die selbiges nicht nur im übertragenen Sinn vorhätten. Zwar sei die Polizei bereit, am Abend kurz mal eine Streife vorbeizuschicken. Doch ohne professionelle Sicherheitsvorkehrungen, so habe man ihr erklärt, sei die Abhaltung einer solche Veranstaltung nicht zu empfehlen. Dessen Bestellung sprenge aber das Veranstaltungsbudget des gerade einmal 15 Mitglieder starken Ortsvereins.

Tatsächlich hatte Kubon nach seinem Interview, das auf etlichen rechtspopulistischen Blogs geteilt worden war, einen heftigen Shitstorm geerntet. Dieser OB sei ein Volksverräter, ein Dummschwätzer, ein vernagelter Politclown und widerwärtiger SPD-Verbrecher, der wegen Volksverhetzung angeklagt und aller Ämter enthoben gehöre, hieß es. Nicht wenige Schreiber ließen ihren Aggressionen freien Lauf. Auf die Streckbank solle man ihn legen, riet einer, und ein anderer bekannte, es sei besser, wenn Kubon ihm nicht nachts begegne. Fast 200 solcher Mails seien ihm zugegangen.

"Positive Reaktionen habe ich eigentlich nur aus meiner eigenen Stadt erhalten", sagt Kubon. Dennoch lasse er sich nicht einschüchtern. Insofern sei es schade, dass die Ehninger Grünen nun klein beigäben. "Ich finde es schlimm, dass eine solche Veranstaltung heutzugtage wegen Sicherheitsbedenken abgesagt werden muss." Nun ist die Frage, ob nicht auch ein Soloauftritt Palmers unliebsame Gäste anlockt.