Am heutigen Mittwoch beginnt die Handball-Weltmeisterschaft. Ihr erstes Turnierspiel bestreitet die deutsche Nationalmannschaft am Freitag gegen Uruguay. Foto: Becker

Handball: Vorfreude im Kreis Calw auf die Weltmeisterschaft in Ägypten. Team aus Dänemark am stärksten eingeschätzt.

Das Jahr 2021 ist kaum zwei Wochen alt, schon steht der erste ganz große sportliche Höhepunkt an: die Handball-Weltmeisterschaft in Ägypten. Die deutsche Nationalmannschaft zählt dieses Mal aber nicht zu den Topfavoriten.

Dies liegt in erster Linie daran, dass Bundestrainer Alfred Gislason auf einige Stammspieler verzichten muss, die aus privaten Gründen abgesagt haben. Eine kleine Umfrage zeigt, dass sich die Handballer im Kreis Calw auf die Weltmeisterschaft freuen – und nicht nur diese.

Matthias Leyn ist im Kreis Calw als Bürgermeister der Gemeinde Schömberg bekannt. Ehrenamtlich ist er Präsident des Sportkreises Calw. Was wenige wissen: Matthias Leyn ist ehemaliger Handballer.

"Ich denke, dass einige Mannschaften das Zeug dazu haben, Weltmeister zu werden. Deutschland sehe ich da aufgrund der vielen Spielerabsagen leider nicht. Ich denke, dass es Dänemark schaffen wird, den Titel zu verteidigen", gibt sich Matthias Leyn eher zurückhaltend, was die Ambitionen der deutschen Auswahl angeht.

"Grundsätzlich hätte das deutsche Team um die Krone mitspielen können. Gerade nach dem Gewinn der Champions League durch den THW Kiel wäre das ein guter Auftrieb gewesen. Aber gerade diese Spieler haben ja ihre Teilnahme an der WM abgesagt. Ohne diese erfahrenen Leistungsträger wird es schwer. Trotzdem traue ich Alfred Gislason zu, die anderen so zu motivieren, dass ein Halbfinale drin ist." Dass sich verschiedene Spieler wegen der Corona-Pandemie entschlossen haben, zuhause zu bleiben, sei zwar schade, müsse aber akzeptiert und respektiert werden.

Generell stellt er fest: "Als Handballfreund und auch als Sportkreispräsident mache ich mir Sorgen um den Handballsport, nicht nur in Deutschland. Handball lebt von den Emotionen auf dem Feld und in den Arenen. Die Zuschauer sind wichtige Unterstützung und die Eintritte stellen eine wichtige Einnahme dar. Die Fernsehgelder sind nicht so üppig, von daher wird es für alle Vereine hart, solange die Zuschauer aus nachvollziehbaren Gründen nicht zugelassen sind. Ich würde mir wünschen, dass Handball mehr Platz im TV bekommen würde."

Auch Helmut Dolderer, Spielleiter des Fußballbezirks Böblingen/Calw, weiß jetzt schon, wann er in den kommenden Tagen vor dem Fernseher sitzen wird. "Natürlich freue ich mich auf die WM. Ich habe schon immer gerne Handball geschaut."

Der deutschen Mannschaft traut er zu, dass sie das Halbfinale erreichen kann, auch wenn Trainer Alfred Gislason auf einige Stammkräfte verzichten muss. Bewerten will Helmut Dolderer die Absagen nicht "Das muss jeder Spieler für sich entscheiden."

Frank Lülf, Trainer der Frauen der SG Hirsau/Calw/Bad Liebenzell, traut der deutschen Mannschaften eine vordere Platzierung zu, wenn es gut läuft, sogar das Halbfinale. Was den Titel angeht, sind die Franzosen für ihn ein ganz heißer Kandidat.

Schade findet er, dass Alfred Gislason das Turnier in Ägypten nicht in Bestbesetzung bestreiten kann. Er kann die Bedenken der Spieler, die lieber daheim bleiben, zwar verstehen, andererseits erwartet er von den Aushängeschildern des Handballsports auch eine gewisse Präsenz: "Als Profi sollte man für ein WM-Turnier schon bereit sein."

Was das Publikumsinteresse angeht ist Frank Lülf überzeugt, dass viele Menschen vor dem Bildschirm sitzen werden, um Uwe Gensheimer & Co. die Daumen zu drücken. "Viele sind ja ohnehin zuhause und haben die Gelegenheit, sich die Spiele anzusehen."

Uwe Reime, Trainer der Landesligamannschaft des TSV Altensteig, ist schon etwas verwundert, dass die WM ausgerechnet jetzt auf 32 Mannschaften aufgestockt wurde. In der Favoritenrolle sieht er vor allem die "üblichen Verdächtigen", wie Norwegen oder Dänemark – und als Geheimfavoriten bezeichnet Uwe Reime die Portugiesen, die ihn in der Qualifikation beeindruckt hatten. Mit Blick auf das deutsche Team geht er davon aus, dass die Mannschaft von Bundestrainer Gislason zwar die Gruppenphase gut übersteht, doch dann schon vor dem Halbfinale Endstation ist. Zwar sieht er im deutschen Aufgebot viele gute Talente – und da "wächst viel heran" – doch hält er Hoffnungen auf einen Titelgewinn für verfrüht. Richtig findet er es, dass sich die Spieler mit der Forderung durchgesetzt haben, auf Zuschauer zu verzichten. Gespalten ist Uwe Reime aber mit Blick auf die Absagen, doch "diese Entscheidung muss jeder für sich treffen".

Von einem "besonderen Turnier" spricht Christian Lenz, Abteilungschef der Altensteiger Handballer. Er rechnet damit, dass möglicherweise der eine oder andere Spieler des Teilnehmerfelds im Turnierverlauf positiv getestet wird und ausfällt, nachdem bereits im Vorfeld des Turniers positive Fälle bei den Amerikanern und Tschechen bekannt wurden.

Zudem kann auch er nicht verstehen, dass die Zahl der teilnehmenden Teams erhöht wurde. Für die Corona-Absagen hat der frischgebackene Vater dagegen absolutes Verständnis. Mit Blick auf die deutsche Auswahl glaubt er zwar nicht unbedingt an den "großen Wurf". Doch wenn Keeper Andreas Wolf "ein überragendes Turnier spielt, und mit einer richtig starken Abwehr, könnten wir weit kommen", ist Christian Lenz überzeugt. Im günstigsten Fall könne sich die deutsche Mannschaft im Turnierverlauf entwickeln.

Für Jessica Günther, Abteilungsleiterin der Nagolder VfL-Handballer, ist es schon fraglich, ob man vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Situation überhaupt eine WM ausrichten muss. Deshalb findet sie die Absagen einiger Spieler "in dieser Ausnahmesituation absolut nachvollziehbar" – und auch, dass keine Zuschauer erlaubt sind, ist ihrer Ansicht nach richtig. Für Jessica Günther ist die Favoritenfrage schnell beantwortet. "In meinen Augen verfügt Dänemark momentan über den stärksten Kader", macht sie deutlich. Natürlich wird sie ebenfalls mit der deutschen Mannschaft fiebern und sich alle Spiele im Fernsehen anschauen. Weil das Team aber in Ägypten nicht mit einer Top-Truppe auflaufen kann, sind ihre Erwartungen nicht zu hoch gegriffen. "Wenn es gut läuft, kommen wir unter die ersten Fünf", glaubt Jessica Günther.

Auch Adelheid Oppelt, Abteilungsleiterin beim TSV Neuhengstett, freut sich auf das WM-Turnier. Für sie stellt sich aber die Frage, weshalb das Turnier diesmal mit 32 Mannschaften ausgetragen werden muss. "Das ist Quatsch. Die Spieler sind ohnehin an der Belastungsgrenze, da muss man die Weltmeisterschaft nicht noch größer aufziehen."

"Viertelfinale ist realistisch, Halbfinale wäre ein Traum", so die Neuhengstetterin zu den Chancen der deutschen Mannschaft. Zwar bedauert auch sie, dass einige Leistungsträger abgesagt haben, doch sie sieht es auch als Chance für die Nachrücker, die sich jetzt in den Blickpunkt spielen können.

Generell sieht Adelheid Oppelt eine Weltmeisterschaft als Werbung für ihre Sportart, verbunden mit der Hoffnung, dass sich vermehrt auch Kinder und Jugendliche für Handball interessieren. Angesichts der aktuellen Lage ist sie in dieser Hinsicht allerdings weniger zuversichtlich: "Wir dürfen ja nicht mal in die Halle."