Der Homo heidelbergensis erlebte Warmzeiten, wie hier im Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart dargestellt, aber auch kältere Phasen, in denen große Teile Europas vergletschert waren. Foto: Daniel Naupold/picture alliance/dpa

Acht Milliarden Menschen leben auf der Erde. Und es werden immer mehr. Einer Studie zufolge drohte die Menschheit vor 900 000 Jahren auszusterben. Die Zahl der Individuen schrumpfte auf knapp 1300. Die Ursache für den dramatischen Bevölkerungsschwund: Klimaveränderungen.

Acht Milliarden. So viele Menschen leben heute auf der Erde. Für die erste Milliarde brauchte die Menschheit lange: Vor etwa 300 000 Jahren tauchte der Homo Sapiens auf, wohl kurz nach 1800 wurde die erste Milliarde erreicht. Seither geht es immer schneller.

Von einer Weltbevölkerung von zwei Milliarden im Jahr 1928 bis zu den heutigen acht Milliarden Menschen brauchte es keine 100 Jahre. Und das Wachstum von sieben auf acht Milliarden dauerte waren es gar nur elf Jahre. In den 2080er-Jahren könnte die Weltbevölkerung auf gut zehn Milliarden angestiegen sein.

Vor 900 000 Jahren drohte der Menschheit das Ende

Homo-erectus-Frau beim Feuermachen. Foto: Imago/Stock Trek Images

Doch vor rund 900 000 Jahren schienen die Tage des Menschen für immer gezählt. Damals waren die Vorfahren des heutigen Menschen einer Studie zufolge zu fast 99 Prozent ausgestorben. Damals – lange vor dem Entstehen des modernen Menschen Homo sapiens – hätten sich nur noch knapp 1300 Individuen fortgepflanzt, schreibt eine internationale Forschungsgruppe im Fachblatt „Science“.

Diese existenzielle Krise habe die Menschheit an den Rand des Aussterbens gebracht, berichtet die Gruppe unter Verweis auf ihre Kalkulationen. Ursache der Dezimierung seien wahrscheinlich Klimaveränderungen gewesen.

98,7 Prozent der Menschen starben

Schädel des Homo erectus (unten), Homo habilis (Mitte) und Homo sapiens . Foto: Imago/agefotostock

Das Team um Wangjie Hu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai stützt seine Theorie auf die Analyse der Genome von 3154 heutigen Menschen verschiedener Herkunft. Mit einem neuen, komplexen Verfahren zur Analyse genetischer Varianten wollen die Forscher frühere Populationsgrößen ermittelt haben.

Demnach schrumpfte die Menschheit – also die Ahnen des Homo sapiens, der erst vor 300 000 Jahren ins Licht der Geschichte trat – bis vor etwa 930 000 Jahren von einer Bevölkerungsgröße von zuvor knapp 100 000 Individuen um 98,7 Prozent. Danach hätten sich nur etwa 1280 Individuen fortgepflanzt, heißt es.

Genetische Vielfalt ging verloren

Der Populationsschwund den Homo heidelbergensis (links) betraf, aus dem sich später neben dem Homo sapiens (rechts) auch der Neandertaler und der Denisova-Mensch entwickelten. Foto: Imago/agefotostock

Dabei sei ein großer Teil der genetischen Vielfalt verloren gegangen. Der sogenannte genetische Flaschenhals dauerte etwa 117 000 Jahre an, bis vor etwa 813 000 Jahren. Danach habe sich die Population sehr schnell wieder erholt, schreibt die Gruppe. Sie spekuliert, dies könnte mit der Kontrolle von Feuer verbunden gewesen sein.

Das Team geht davon aus, dass der Populationsschwund den Homo heidelbergensis betraf, aus dem sich später neben dem Homo sapiens auch der Neandertaler und der Denisova-Mensch entwickelten. Konsens ist das jedoch keineswegs.

In dem zugehörigen „Science“-Kommentar schreiben die Londoner Experten Nick Ashton vom British Museum und Chris Stringer vom Natural History Museum, dass der letzte gemeinsame Ahne von Homo sapiens, Neandertaler und Denisova-Menschen schon vor mehr als einer Million Jahren gelebt haben könnte. Dafür kämen mehrere Arten infrage.

Eiszeit führte zum Fast-Aussterben des Menschen

Mammuts während der Eiszeit (Zeichnung von 1907). Foto: Imago/Heritage Images

Als Bestätigung für den festgestellten drastischen Bevölkerungsschwund deutet das Forschungsteam um Hu auch den Umstand, dass es aus jener Phase nur wenige fossile Funde von Menschen gebe. „Dieser heftige Flaschenhals könnte die extreme Seltenheit homininer Fossilien in Afrika und Eurasien vor 950 000 bis vor 650 000 Jahren erklären“, schreibt die Studienutoren. Der damals schon in Asien verbreitete Homo erectus sei offenbar nicht betroffen gewesen, heißt es.

Als Ursache des Bevölkerungsschwunds vermutet das Team klimatische Veränderungen. Vor etwa 900 000 Jahren hätten sich Vergletscherungen verstärkt und seien dauerhafter geworden. Dies sei mit einem Abfall der Meerestemperaturen, einer langen Trockenheit und Umwälzungen der Fauna in Afrika und Eurasien einhergegangen.

Damals wie heute: Klimawandel gefährdet Überleben der Menschheit

Den Einfluss des Menschen auf seine Umwelt schätzen Forscher als so gewaltig ein, dass sie ein eigenes erdgeschichtliches Menschen-Zeitalter ausgerufen haben – das Anthropozän. Foto: Imago/Steinach

Wie vor 900 000 Jahren steht die Menschheit auch heute vor einem Klimawandel, der ihr Überleben gefährdet. Nur mit dem Unterschied, dass diesmal die klimatischen Veränderungen menschengemacht ist.

Den Einfluss des Menschen auf seine Umwelt schätzen Forscher als so gewaltig ein, dass sie ein eigenes erdgeschichtliches Menschen-Zeitalter ausgerufen haben. Abgeleitet vom griechischen Wort „ánthropos“ (Mensch) prägte der Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen im Jahr 2022 den Begriff Anthropozän – das Erdzeitalter des Menschen.

Menschheit benötigt zwei Planeten

Lebt die Menschheit unverändert weiter wie bisher, benötigt sie bis 2030 zwei Planeten, um den Bedarf an Nahrung und nachwachsenden Rohstoffen zu decken. Bis 2050 wären es knapp drei, prognostiziert der WWF in seinem jährlichen Umweltbericht. Zum Vergleich: 1961 benötigte die Menschheit nur zwei Drittel der zur Verfügung stehenden Ressourcen.

Wie lange wird das noch gut gehen?

Dass angesichts der begrenzten Ressourcen ein globales Umdenken und Umsteuern stattfinden muss, ist unbestritten. Die Frage ist, wo der Hebel zu einem ökologisch nachhaltigen Weltwirtschaftssystem ansetzen soll. Acht Milliarden Menschen – bis 2050 werden es vermutlich mehr als zehn Milliarden sein – mit den elementaren Dingen des Lebens zu versorgen.

„Unser System frisst sich selbst auf“

Goldsucher im brasilianischen Amazonas. Foto: Imago/epd

Das ist eine gewaltige Herausforderung, die nur durch mehr Wachstum zu leisten ist – anders als bisher allerdings mit weniger Naturverbrauch und Raubbau. Der Wandel in Richtung mehr Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit muss gelingen.

Sollte dieser Wandel misslingen, werden sich die globalen Krisensymptome weiter verschärfen. Dann könnte die Warnung des australischen Umweltaktivisten und früheren Chefs von Greenpeace International, Paul Gilding, Wirklichkeit werden: „Mit dem Zwang zu immer mehr Wachstum und einer Überforderung des Planeten frisst sich unser System selbst auf.“