Die Stühle in Saal eins des Schwenninger Volkshochschul-Gebäudes sind fein-säuberlich aufgestuhlt – und bleiben es vorerst auch. Denn noch ist unklar, wann hier wieder Kurse stattfinden. Foto: Schweizer

Ruhig ist es derzeit in vielen kulturellen und Freizeiteinrichtungen. Doch auch ohne Besucher geht die Arbeit – wenn auch anders – weiter. Wir werfen einen exklusiven Blick hinter die verschlossenen Türen der Volkshochschule in Schwenningen.

VS-Schwenningen - Die Kursräume im Schwenninger Volkshochschul-Gebäude sind menschenleer, die Stühle sind fein-säuberlich aufgestuhlt und auf den Gängen ist es ruhig. Doch bei Ina Schweizer, welche die Abteilung Volkshochschule im städtischen Amt für Jugend, Bildung, Integration und Sport (Jubis) leitet, und ihren Mitarbeitern herrscht trotzdem Hochbetrieb. "Wir haben gerade extrem viel Arbeit", sagt Schweizer, auch – oder gerade weil – sich diese stark vom normalen Tagesgeschäft der Bildungseinrichtung unterscheide. "Normalerweise haben wir unsere Routinen und Automatismen, aber das ist gerade alles außer Kraft gesetzt. Ganz vieles muss jetzt neu überlegt, neu durchdacht und neu gemacht werden." Denn die Jubis-Abteilung Volkshochschule geht in der Pandemie neue Wege.

Aktuelle Informationen zur Corona-Lage in unserem Newsblog

Die beiden Lockdowns seien für die Bildungseinrichtung "besonders gravierend", sagt Schweizer. Nachdem man nach dem ersten Lockdown im Frühjahr zunächst Stück für Stück und dann ab Anfang Juni wieder mit Kursen in allen Themenbereichen – "normal will ich ja gar nicht sagen", betont Schweizer – starten konnte, und im August sogar Sommerkurse anbot, musste die Volkshochschule ab 5. Dezember wieder komplett schließen. "Da fing der zweite Lockdown für uns richtig an, und da sind wir auch seitdem nicht mehr rausgekommen."

Präsenzkurse sind seitdem nicht mehr möglich. Doch ganz fällt das Bildungsangebot doch nicht weg. Den Online-Bereich habe man bereits ab April "ganz massiv und mit voller Kraft" ausgebaut und arbeite auch weiter daran, erzählt Schweizer. Videos, Online-Seminare als Livestream und die "vhs cloud" seien die Säulen dieses Bereichs. Letztere sei ein "richtiges virtuelles Klassenzimmer" mit vielfältigen Funktionen.

Krise ist Treiber der Entwicklung zur agilen Volkshochschule

"Wir haben dann aber relativ schnell gemerkt: Nur mit einem Online-Angebot ist es nicht getan", sagt Schweizer rückblickend. Deshalb habe man sich komplett umorganisiert. Das Ziel: eine agile Volkshochschule, die nicht nach starren Plänen operiert, sondern sich flexibel an aktuellen Rahmenbedingungen sowie Wünschen ihrer Kursleiter und -teilnehmer orientiert. So gebe es beispielsweise keine festen Semester mehr. "Langfristige Planung macht unter Corona ohnehin nicht viel Sinn", berichtet Schweizer von ihren Erfahrungen. Man müsse nur andauernd umplanen, Kurse verschieben oder ganz absagen. "Und das bedeutet Frust – für die Teilnehmer, für die Kursleiter und für die Planer."

Daher bietet die Volkshochschule ihre Kurse jetzt in kürzeren Modulen an, die übers Jahr verteilt – und eben nicht immer zum Beginn eines Semesters – starten. Ein organisatorischer Mehraufwand sei das schon, sagt Schweizer, "aber wer will sich in solchen Zeiten noch für ein halbes Jahr an einen Kurs binden, wenn nicht mal sicher ist, ob der stattfinden kann?" Ganz zu Beginn habe man deshalb mit fünf Terminen pro Modul angefangen, je nach den Rückmeldungen der Kursleiter und -teilnehmer werde das aber für einzelne Kurse angepasst. Diese partizipative Planung sei das Herzstück der agilen Volkshochschule. Die Idee beschreibt Schweizer so: "Wir sind der Dienstleister, unsere Kunden und die Kursleiter sind die Könige."

Kein Semester-Programmheft

Auch das Semester-Programmheft, sonst das "Aushängeschild" der Volkshochschule, gibt es mittlerweile nicht mehr. Momentan informiert vor allem der Internetauftritt der Bildungseinrichtung über die Angebote. In Zukunft werde es aber wohl auch wieder etwas Gedrucktes geben, denkt Schweizer. Aber eben nicht mehr das Programmheft, "sondern etwas Kleines, Schnelles".

Insgesamt ist laut Schweizer noch einiges zu tun; der Prozess sei "noch lange nicht abgeschlossen". Aber er ist angestoßen – auch weil er durch die außergewöhnliche Situation infolge der Corona-Pandemie den nötigen Schub bekommen habe. "Das hat uns ganz weit nach vorne gebracht", sagt Schweizer – nicht nur was die Strukturierung der Volkshochschule und die technische Ausstattung für Online-Kurse angehe, sondern auch "vom Denken her". Für die Weiterentwicklung der Bildungseinrichtung sei gerade Letzteres entscheidend. Aber auch die Technik sei essenziell, betont Schweizer, die froh ist, dass "wir da kein Einzelkämpferdasein fristen", sondern dass die Volkshochschule als eine von sechs Jubis-Abteilungen mit den anderen zusammenarbeiten kann.

Aber nicht nur die Kooperation mit den anderen Jubis-Abteilungen sei wichtig, die "vhs cloud" ebne auch der Vernetzung mit Volkshochschulen in ganz Deutschland den Weg, was Schweizer sehr begrüßt. Sie sieht darin "ein ganz großes Potenzial", von dem auch die Kursteilnehmer profitieren könnten. So hätten schon Interessierte aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen an Kursen der hiesigen Volkshochschule teilgenommen und umgekehrt Menschen aus der Region an Kursen in ganz Deutschland – Online-Angebote machen es möglich.

Die Zukunft ist digital, doch auch Präsenzkurse sind weiterhin wichtig

Auch deshalb seien die Stärkung und der Ausbau digitaler Angebote wichtig. Zudem "spüren wir, dass die Bereitschaft der Kursleiter, Online-Veranstaltungen anzubieten und der Kursteilnehmer, diese zu besuchen, zunimmt", sagt Schweizer. Dennoch: "Die Volkshochschule steht halt auch für Präsenz." Zum einen, weil jeder, auch alle, die die Online-Angebote nicht wahrnehmen können, die Möglichkeit haben soll, an den Kursen teilzunehmen. Zum anderen, weil die Volkshochschulen neben Bildungseinrichtungen auch "ganz wichtige Begegnungsstätten" seien. Daher ist die Leiterin der Jubis-Abteilung Volkshochschule sich sicher: "Es wird nicht so sein, dass die Volkshochschule keine Kursräume mehr braucht, weil jetzt alles digital ist." Schweizer sieht stattdessen speziell in Hybrid-Angeboten, bei denen die Teilnehmer einen bestimmten Kurs – je nach Präferenz und Tageslaune – entweder vor Ort besuchen oder übers Internet verfolgen können, eine zukunftsfähige Lösung.

Planen, umplanen, verschieben, absagen: "Man muss ja"

Doch dazu müssen erst einmal wieder Kurse vor Ort in der Volkshochschule stattfinden. "Wir planen Präsenzveranstaltungen erst wieder nach den Osterferien und hoffen inbrünstig, dass das klappt", gibt Schweizer einen Einblick. Zwar sei noch nicht klar, ob man zu dem Zeitpunkt, erst später oder eventuell auch schon früher öffnen könnte. Aber um ein Programm zu planen, brauche man einen Starttermin. Und die Planungen laufen bereits auf Hochtouren. "Ich glaube so viel wie in den vergangenen Monaten hat hier noch nie jemand geplant. Auch nicht die Kollegen, die schon wirklich lange dabei sind", erzählt Schweizer. Planen, umplanen, verschieben, absagen – all das bestimme derzeit den Arbeitsalltag. "Aber man muss ja, sonst haben wir kein Programm, wenn wir wieder öffnen dürfen" – und das will man unbedingt vermeiden.

Neben dem Programm braucht es natürlich auch die Teilnehmer, welche die Präsenzangebote der Volkshochschule wahrnehmen. "Wir haben ganz viel auch damit zu tun, dass wir nicht einfach die Türen öffnen können, und dann kommen die Leute", erklärt Schweizer. Die Kurse müssen vorab entsprechend beworben und präsentiert werden, damit sich Menschen zur Teilnahme entscheiden. Deshalb machen Schweizer und die weiteren Mitarbeiter "gerade Klimmzüge und Kopfstände, damit wir nicht in Vergessenheit geraten".