Dieser hübsche Kerl ist einer der großen Verlierer: Vielleicht ist das Braunkehlchen bald ganz aus dem Landkreis verschwunden. Foto: © Wolfram Riech – stock.adobe.com

Ein harter schneereicher Winter, ein kaltes und nasses Frühjahr: Das Wetter hat, so machen sich einige Naturfreunde Sorgen, unsere Vögel hart getroffen und ihnen das Leben schwer gemacht. Aber stimmt das überhaupt? Sehen wir wirklich in diesem Jahr viel weniger Piepmätze in unseren Gärten? Wir haben nachgefragt

Kreis Rottweil - "Ein vielschichtiges Thema", befindet der Vorsitzende der Nabu-Gruppe Rottweil und Umgebung, Bernd Franz. Schwankungen gebe es bei den Bestandszahlen immer, so Franz, aber das gleiche sich über die Jahre immer wieder aus. Bleibe der Bruterfolg in dem einen Jahr aus, gebe es im nächsten Jahr vielleicht mehr Nachwuchs.

Zudem gehe es den "Standardvögeln", die wir aus unseren Gärten kennen, relativ gut. So sei aus dem scheuen Waldvogel Amsel ein häufiger Bewohner von Gärten und Parks geworden. Die Amsel könne man durchaus als Gewinner der Ausbreitung des Menschen mit seinen Häusern und Gärten sehen – und nicht nur sie. "Wichtige Faktoren für die Häufigkeit der verschiedenen Vogelarten ist der Verlust oder der Gewinn von Lebensraum und die Futtersituation", fasst Franz zusammen. Und da sind die Arten der freien Feldflur, wie Feldlerche und Braunkehlchen, die klaren Verlierer. Diese habe die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte hart getroffen. Kaum Wildkräuter als Futter, keine Hecken als Deckung oder Jagdwarte und das häufige Mähen zerstöre ihren Lebensraum. Keine Chance für Stauden und Feldkräuter, sogenannte "Eh da"-Pflanzen, für Vögel und Insekten jedoch enorm wichtig.

"Lerchenfenster" als Gegenmaßnahme

Einst häufige Feldvögel wie die Lerche seien im Landkreis immer seltener zu hören und zu sehen, wie Joachim Gommel von der Unteren Naturschutzbehörde beim Landratsamt festgestellt hat. Ob Gegenmaßnahmen wie sogenannte "Lerchenfenster", die den Vögeln vorbehalten sind, die Entwicklung aufhalten können, sei längst nicht ausgemacht, fürchtet Gommel.

Vielleicht habe auch der anstrengende Vogelzug die Tiere in diesem Jahr besonders belastet, erklärt Bernd Franz die augenscheinlich geringe Zahl der Vögel. "Aber", so Franz, "diese Verluste sind von der Natur sozusagen eingeplant und werden normalerweise wieder aufgefangen." Bei den Gartenvögeln habe es in den vergangenen Jahren nach seinen Beobachtungen keine größeren Einbrüche gegeben.

Und doch, Franz sieht am Horizont mehr als eine ernste Gefahr für Vögel. Das Insektensterben schlage inzwischen durch, denn die Vögel brauchen besonders für die Jungenaufzucht Fleisch. Joachim Gommel hat auch durchaus schon tote Jungvögel, die augenscheinlich verhungert sind, in den Nistkästen gefunden.

Aber jeder kann den Vögeln in seinem eigenen Garten helfen. Ein Sammelsurium von heimischen Blühpflanzen sieht nicht nur hübsch aus, sondern deckt den Insekten den Tisch. "Ich kann den schönsten Nistkasten aufhängen. Wenn drumherum nichts ist, nützt er garnichts", so Franz. Schon ein kleiner Sandhaufen im Garten lockt Wildbienen an, die dort ihre Eier ablegen. Auch muss man nicht immer den gesamten Rasen mähen, sondern kann etwas als Lebensraum für die Insekten stehen lassen und beim nächsten Mal mähen, während an anderer Stelle schon wieder etwas gewachsen ist.

Blumen seien Insektenfutter

Auch sollte man die Pflanzen so aussuchen, dass das ganze Jahr über etwas blüht, nicht nur im Frühjahr, so Franz, denn Blumen seien Insektenfutter. "Man muss halt das ›Gesamtpaket‹ sehen", fordert Franz. Denn gut gemeint, sei nicht immer gut gemacht.

Aber zurück zur Ausgangsfrage: Gibt es weniger Vögel? Joachim Gommel warnt davor, dem eigenen Gefühl zu trauen. Die gefühlte Entwicklung sei meist statistisch nicht gesichert. Gommel kennt die Fallstricke, denn er selbst betreibt seit Jahren ein gründliches Vogel-Monitoring im Auftrag des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA) auf einer Fläche in Irslingen. Die bundesweite Aktion liefert handfeste Zahlen zu Beständen, Verbreitung und Brutverhalten der Gefiederten. Und die Zahlen sind mitunter dramatisch. So ist das Rebhuhn im Landkreis ausgestorben und die letzten Brutpaare des Braunkehlchens könnten ebenfalls bald verschwunden sein.

"Stunde der Gartenvögel"

Da kommt die "Stunde der Gartenvögel", eine Aktion des Nabu, doch gerade recht. Von Himmelfahrt bis kommenden Sonntag müssen die Vogelfreunde nur eine Stunde opfern, in der sie die beobachteten Vögel im eigenen Garten zählen, bestimmen und sie dem Nabu melden. So macht Naturschutz sogar Spaß.

Joachim Gommel begrüßt die Aktion, wirkliche handfeste Erkenntnisse erwartet er nicht. In benachbarten Gärten würden viele Vögel doppelt gezählt, die richtige Bestimmung der Art sei eine weitere Hürde. Aber die Aktion bringe die Menschen dazu, die Vögel im Garten bewusster wahrzunehmen, sie zu beobachten und sich mit dem Leben vor der Haustür zu beschäftigen. Und vielleicht bringt er einige dazu, den Garten so umzugestalten, dass er nicht den Nachbarn beeindruckt, sondern Rotkehlchen und Rotschwanz das Leben leichter macht.