Ein Mitarbeiter demonstriert, wie das Verabreichen einer Spritze per VR funktioniert. Foto: Hübner

Um "Virtual Reality in der Pflege – Nutzen in Ausbildung & Therapie" ging es bei einem Termin, zu dem das Virtual Dimension Center (VDC) im Technologiezentrum eingeladen hatte.

St. Georgen - Zur Veranstaltung waren wenige Gäste vor Ort, etwa 70 online zugeschaltet. Laut Barbara Zimmermann, zuständig für PR und Eventmanagement, waren dies Vertreter von Pflegeschulen, Gesundheitseinrichtungen, Landratsämtern mit Pflegeeinrichtungen oder private Pflegeanbieter aus Deutschland, der Schweiz und Österreich.

Martin Zimmermann, Geschäftsführer von VDC, berichtete über die mehr als 20-jährige Beschäftigung mit Virtual Reality (VR) und den seit zwei Jahren bestehenden Verband in Südwestdeutschland, der den Nutzen von VR und Serious Gaming in der Pflege erörtert. Partner sind die evangelische Altenhilfe mit ihrer "sehr innovativen Pflegeschule" und die Hochschule Furtwangen. Entstanden ist daraus ein Cyber-Carelab, in dem entsprechende Technologien für die Aus- und Weiterbildung sowie Reha zur Verfügung stehen.

Vom Elfenbeinturm in die Praxis

Erste Referentin war Lucia Pannese, CEO und Gründerin des Unternehmens "Imaginary" in Mailand. Sie sprach über "Digital gestützte Therapieren in der EU – vom Elfenbeinturm in die Praxis". Imaginary entwickelt mit Psychologen, Technikern, Grafikern und Gamedesignern seit 18 Jahren "interaktive Spiele mit ernstem Hintergrund", mit Spielpsychologien und Mechaniken, die bei Patienten Verhaltensänderungen unterstützen. Pannese stellte Spiele für Ältere oder Fettleibige vor, wobei Bewegung zum Beispiel einen "Akku" auflädt, der nötig ist um weiterspielen zu dürfen. Ein anderes Spiel trainiert in einem OP-Saal die Rettung eines Neugeborenen. Für Kinder mit Mukoviszidose gibt es ein Spiel, in dem sie ein kleines Monster versorgen müssen, um zu lernen, sich um sich selbst zu kümmern.

Weitere Spiele in Arbeit

In Sachen Reha gibt es ein Spiel, bei dem Bewegungen von Schlaganfall- oder MS-Patienten per Kamera aufgenommen und in die Spielumgebung übertragen werden. Die biete einen Kontext, so dass der Patient verstehe, warum er Übungen mache und Fortschritte sehen könne. Das schnelle Feedback verbessere die Lebensqualität. Auch passten sich die mittlerweile 32 Spiele schnell den Bewegungsmöglichkeiten der Patienten an. Dazu erstelle ein Arzt den Therapieplan und begutachte die Bewegungen. In Arbeit seien weitere Spiele für Kinder, Kardiologie und Rheumatologie. Laut Zimmermann sind die Imaginary-Anwendungen auch in St. Georgen verfügbar. Man plane deren Weiterentwicklung und das Initiieren von Forschungsprojekten.

VR-Brille im Pflegeheim

Lena Schinner, Gesundheitsökonomin am Lehrstuhl für Medizinmanagement und Versorgungsforschung der Universität Bayreuth, sprach über das Forschungsprojekt "Virtual-Reality-Anwendungen zur Verringerung sozialer Isolation und Einsamkeit bei Bewohnern in Pflegeheimen". Konkret ging es darum, dass Angehörige 360-Grad-Videos von zum Beispiel Hochzeiten, Geburtstagen oder bekannten Oren aufnahmen, die sich Heimbewohner per VR-Brille ansehen konnten. Inspiriert sei das von der Remineszenztherapie, um Ältere in einen Redefluss zu bringen.

Die Reaktion der zu Pflegenden sei oft positiv, manche beschrieben Glücksgefühle, aber auch Engegefühl oder leichten Schwindel. Das derzeitige Klientel sei oft technisch unsicher. Die Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen sähen die Technik eher positiv. Allerdings verfüge nur ein Drittel der teilnehmenden Einrichtungen über das notwendige WLAN. Essentiell sei bei der Entwicklung der Projekte die Einbeziehung von Mitarbeitern und Angehörigen.

Ergänzende Lernform

Christophe Kunze, Professor für assistive Gesundheitstechnologien an der Hochschule Furtwangen, sprach über "Pflegerisches Wissen und Fertigkeiten mit VR-Anwendungen lernen". Die Vermittlung von Wissen sei in der Praxis wegen der Arbeitsbelastung des Personals zunehmend problematisch, viele Dinge auch potenziell gefährlich. Das Lernen anhand spezieller Skill-Labs-Puppen oder Schauspiel-Patienten sei sehr teuer und zeitaufwendig. VR könne eine ergänzende, vergleichsweise günstige Lernform sein. Allerdings wisse man noch wenig über Lerneffekte und Auswirkungen auf praktische Fähigkeiten. Kunzes Untersuchung zeigte einen "signifikanten Zusammenhang zum Präsenzempfinden". Es gebe eine hohe Zufriedenheit mit Lernen per VR, Personen ohne entsprechende Vorerfahrung seien aber eher von den Eindrücken überwältigt. Beim eigentlichen Lernergebnis gebe es keine signifikanten Unterschiede zu herkömmlichem Lernen. Gezeigt habe sich aber, dass Personen, die per VR Handgriffe lernten, etwas schlechter beim Demonstrieren der Fähigkeiten in der Realität waren. Ein Mitarbeiter von VDC führte schließlich ein Lernprogramm vor, bei dem per VR eine Spritze verabreicht werden musste.