Ob Mathe, Englisch oder Deutsch: Erhard Bürk findet auf jede Frage seiner Nachhilfeschüler eine Antwort. Foto: Marull Foto: Schwarzwälder Bote

Bildung: Erhard Bürk und ein Team von Ehrenamtlichen bieten seit acht Jahren kostenlose Nachhilfe an – mit großem Erfolg

Seit acht Jahren bietet Erhard Bürk ein kostenlose Nachhilfe an. Zusammen mit mittlerweile sieben ehrenamtlichen Helfern hat er schon so manchem Schüler aus der Klemme geholfen. Das Konzept: Die Schüler kommen freiwillig und lernen ohne Zwang.

VS-Schwenningen. Ein kleines Zimmer im obersten Stock des Spektrums an einem Mittwochabend: Regale voller Bücher, ein alter Aktenschrank, eine Tafel. Auf einem länglichen Tisch in der Mitte stehen PC und Drucker. Daneben liegen Schulhefte, Stifte, Bücher und ein Geodreieck. Erhard Bürk sitzt mit einer Schülerin am Tisch. "Wenn Du die acht hier weghaben willst, musst Du was tun?", fragt Bürk das Mädchen. Ratlose Blicke. Im selben Moment geht die Tür auf: "Hallo Hadil", Hereinspaziert Gizem". Die beiden Schülerinnen setzen sich mit an den Tisch. Es wird eng. Ein kurzer Blick auf die Uhr: Viertel nach fünf. Seit 15 Minuten gibt Bürk Nachhilfe.

"Hier im Jugendhaus gibt es die kostenlose Nachhilfe seit mittlerweile vier Jahren. Gestartet habe ich aber schon vor acht", erklärt Bürk. Initialzündung sei eine schwere Krankheit gewesen. "Mit der Diagnose Krebs habe ich mir nach 20 Jahren als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens fest vorgenommen, nur noch das zu machen, was mir auch wirklich Spaß macht". Die Arbeit mit den Schülern habe ihm geholfen, wieder gesund zu werden, ist er sich sicher. Denn: "Die Kinder geben viel zurück, sind offen und dankbar. Ich wiederum kann ihnen in der Schule weiterhelfen. Eine echte Win-win-Situation."

Bürks Vorstellung von einer effektiven und nachhaltigen Nachhilfe unterscheidet sich dabei fundamental von der privater Anbieter. Das Angebot kostet nichts, ist offen für Schüler aller Schularten, ist nicht an bestimmte Fächer gebunden und – für Bürk das Wichtigste – das Angebot ist vollkommen freiwillig: "Die Schüler können kommen, wann und so oft sie wollen, sie bestimmen was gelernt wird und sie machen dann Pause oder Schluss, wenn sie es für richtig halten."

Schüler sind begeistert und kommen regelmäßig

Weil das Angebot kostenlos sei, entfalle auch jeglicher Zeit- und Erfolgsdruck, meint Bürk. Außerdem finde die Nachhilfe in der Freizeit der Kinder statt "und die sollten sie sich so einteilen, wie sie es für richtig halten. Zwang gibt es schon in der Schule genug", sagt Bürk.

Seine Schüler sind von der Idee jedenfalls begeistert: "Ich komme seit etwa drei Jahren regelmäßig zu Herrn Bürk in die Nachhilfe und ich komme gern. Es ist faszinierend, dass er einem bei jedem Problem weiterhelfen kann", erzählt etwa Gizem, die kurz vor ihrem Hauptschulabschluss steht. Ihre Noten hätten sich, seit sie hier ist, merklich verbessert.

Auch Hadil, die mit am Tisch sitzt, kommt seit drei Jahren regelmäßig zur Nachhilfe. "Durch Freunde habe ich davon erfahren – und von Anfang an hat es mir hier gefallen", meint die Schülerin. Mittlerweile würden auch ihre Lehrer die kostenlose Nachhilfe und Herrn Bürk kennen. "Oft sind sie ganz überrascht, was er uns alles beibringt. Manchmal weiß er mehr als unsere Lehrer", sagt Hadil und lacht.

Für das offene Nachhilfe-Konzept war auch Jugendhausleiter Volker Nowak sofort Feuer und Flamme, als Bürk ihn vor vier Jahren kontaktiert hatte: "Weil wir ein möglichst breites Angebot im Jugendhaus haben wollen und möglichst viele Einflüsse hier vernetzen wollen, ist die Nachhilfe eine tolle Erweiterung." Außerdem schaffe die kostenlose Nachhilfe ein stückweit Bildungsgerechtigkeit, nicht nur weil sie für alle offen sei, sondern auch weil sich Schüler unterschiedlichster Schulformen hier begegneten und sich gegenseitig helfen würden, sagt Nowak.

Angebote ergänzen sich gegenseitig

A uch Bürk sieht die Zusammenarbeit mit dem Jugendhaus als Gewinn. "Wenn ein Schüler gerade keine Lust auf Nachhilfe hat oder eine Pause braucht, kann er einfach ein oder zwei Stockwerke tiefer die Angebote des Jugendhauses nutzen oder sich mit Freunden treffen", sagt Bürk. Außerdem könnten die geschulten Sozialpädagogen den Schülern etwa bei privaten Problemen weiterhelfen.

Mittlerweile hat Bürk sieben Mitstreiter gefunden, die ihn an verschiedenen Tagen und Orten unterstützen. Auch pensionierte Lehrer sind unter den ehrenamtlichen Helfern, die eine ständig wachsende Schülerzahl betreuen. Allein im letzten Jahr habe das Projekt insgesamt 136 Schüler betreut. Wobei dabei nur die Schüler eingerechnet sind, die mindestens drei Mal zur Nachhilfe gekommen sind.

"Unter unseren Schülern waren im letzten Jahr drei Schulbeste, acht Preisträger und 18 belobigte Schüler. Ein toller Erfolg", sagt Bürk stolz. Mindestens genauso freue er sich aber über die "kleinen" Erfolge, etwa wenn ein Schüler seine Noten halten könne oder sich leicht verbessere.

Im obersten Stock des Jugendhauses trudeln indes nach und nach mehr Nachhilfeschüler ein. Langsam verteilen sie sich auf die restlichen Räume, bis am Ende beinahe jeder Platz besetzt ist. Bis 20 Uhr können die Schüler hier lernen – und Bürk mit jeder Frage löchern. Für jeden Einzelnen von ihnen wird er sich Zeit nehmen – ohne Zwang, ohne Druck und immer mit einem Lächeln auf den Lippen.

Die kostenlose Nachhilfe ist offen für Schüler aller Schularten von der 2. Klasse bis zum Abitur. Außer im Jugendhaus Spektrum (immer dienstags von 15.15 bis 19 Uhr) wird die Nachhilfe montags von 15.30 bis 18 Uhr im Paulus-Gemeindezentrum am Neckar und donnerstags von 14 bis 18 Uhr in der Stadtbibliothek am Muslenplatz angeboten. Grundschulkinder sollten von ihren Eltern vorbeigebracht werden, alle anderen dürfen ohne Anmeldung zu den Kernzeiten vorbeikommen. Unterstützt wird das kostenlose Nachhilfeangebot von der ProKids-Stiftung, der Diakonie und dem Amt für Jugend, Bildung, Integration und Sport. Wobei die Stadt und die Diakonie Räumlichkeiten und Ausstattung zur Verfügung stellen und die Stiftung finanzielle Unterstützung bietet, etwa für Schulbücher, Schulerstausstattungen, oder kostenlose Getränke.