"Wild-West" im unteren Krawazi: das Wirtshaus zum Felsen und das Union-Kino (rechts), die ursprüngliche Sparkasse und die Metzgerei Paul (links): ein Idyll der Vergangenheit. Foto: Bräun

Blick in die Vergangenheit. Jugend der 50er-Jahre verehrt Kinohelden "Zorro" und "Fuzzy".

VS-Villingen - Sechs Halbstarke, die als "Zorro-Bande" ihr Unwesen getrieben hatte, verurteilte das Jugendschöffengericht Konstanz im Februar 1955 zu empfindlichen Strafen. Sie hatten sich den Namen einer Roman- und Filmfigur gegeben, ein Wild-West-Idol, das als Rächer des Volkes. "Zorro" und "Fuzzy" bewegten damals auch in Villingen die Jugend.

Samstagnachmittag in den frühen 1950er-Jahren in Villingen: Im Union-Kino gleich neben dem Wirtshaus zum Felsen drängeln sich die bereits 14-Jährigen an der Kinokasse. Gezeigt wird "Zorro" als "Der Rächer der Armen". Ursprünglich ein Streifen aus dem Genre der Mantel- und Degenfilme, der 1920 erstmals mit Douglas Fairbanks verfilmt wurde, aber erst sechs Jahre später als Stummfilm in die deutschen Kinos kam und 1940 neu aufgelegt wurde mit Tyron Power. Und wenn es in den 50er-Jahren nicht der "Zorro" der damaligen Neuzeit war, dann zogen "Lassy la Roc und Fuzzy" die Jugend von damals in den Bann. Reizvolle Titulierung des Hauptdarstellers: "Lassy, der Mann mit der Peitsche". Das Union-Lichtspiel-Theater lag neben und hinter dem in die Jahre gekommenes Wirtshaus zum Felsen, das 1884 bis 1971 bewirtet wurde. Erstmals in der Gerberstraße 45 im Jahre 1884 durch Josef Ummenhofer den Bildhauer. 1902 folgte als Eigentümer ein Christian Braumüller mit dessen Pächter Eduard Staiger, 1912 wurde Jakob Kohler zum Gastgeber, danach von 1927 bis 1930 Wilhelm Armbruster und von 1939 bis 1954 wirtete Mathäus Wörner.

Bunker des Altwarenhändlers Fleig

Gleich daneben in der unteren Gerberstraße, dem "Krawazi", fanden sich die stumpf riechenden, meist übervollen Bunker des Altwarenhändlers Fleig, der Lumpen, Alteisen und Papier sammelte und in Haushaltsmengen auch ankaufte. Klar, dass Jungen aber auch Mädchen öfters auftauchten, um ein paar Kilogramm des Alt-Materials loszuwerden, auch wenn der knorrige und korpulente Fleig der Jugend nicht so ganz und gar sympathisch begegnete. Doch der Erlös aus der häuslichen oder der nachbarlichen Sammlung reichte dann irgendwann doch für den Kino-Einritt, der bei etwas mehr als einer Mark lag: für die Wochenend-Nachmittagsvorführungen versteht sich. "Zorro", spanisch für Fuchs, war eine US-amerikanische Romanfigur aus 1919, deren Geschichte des "Rächers der Armen“ mit schwarzer Maske und Umhang seit 1920 Jahren mehrfach verfilmt wurde.

Was immer man als Jugendlicher bei seinen Abenteuern verspürte, ein halbes Dutzend damaliger "Halbstarker" hatte Film und Realität verwechselt. Meldete doch die Zeitung: "Im Februar 1955 wurde die ›Zorro-Bande‹, wie sie sich in grotesker Verkennung ihres ohnehin dummen Wild-West-Idols selber nannte, von dem in Villingen tagenden Jugendschöffengericht Konstanz zu empfindlichen Strafen verurteilt. Diese sechs bereits vorbestraften Halbstarken, auf die eine solche verächtliche Bezeichnung wirklich zutrifft, hatten monatelang den ganzen Kreis und die Nachbarstadt Schwenningen mit ihren Überfällen und Raubzügen in Schrecken gesetzt."

Johnston McCulleys "Zorro" ist ein klassischer Volksheld wie Robin Hood oder Rinaldo Rinaldini. Seine Geschichte spielt in Kalifornien zu Beginn des 19. Jahrhunderts während der spanischen Kolonialherrschaft. "Zorro" führt ein Doppelleben: Offiziell ist er der reiche Müßiggänger, der Land-Edelmann Don Diego de la Vega, der ein geruhsames Leben ohne politische Ambitionen führt. Doch kämpft er gegen das Unrecht, indem er sich im schwarzen Umhang, mit Maske und Degen zum Rächer des Volkes verwandelt. Mit seiner herausragenden Fechtkunst schlägt er seinen Gegnern sein Markenzeichen in die Haut, ein geritztes "Z" für "Zorro".