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Enttäuschte Ehrenamtliche. Schicksal berührt. Jähes Ende einer Lehre.

Villingen-Schwenningen - Während ein junger Gambier seine Ausbildung zum Altenpfleger durchzieht, hat ein junger Mann aus Kamerun die Unsicherheit nicht mehr ausgehalten, seine Lehre als Koch hingeschmissen und ist untergetaucht, aus Angst vor Abschiebung.

Zwei Namen, zwei Schicksale, ein Kontinent. Martin Hayer, Leiter des  AWO-Seniorenheims, hat zwiespältige Gefühle, wenn er mit dem Schwarzwälder Boten erneut über die Zukunft seines jungen  afrikanischen Auszubildenden spricht:  Nur Positives kann  er von dem jungen Gambier sagen,  der zunächst eine Ausbildung  als Altenpflegehelfer absolvierte und dann eine Ausbildung zum Altenpfleger anschloss, die er kommenden Sommer  beendet haben wird. 

Er ist nach wie vor der erklärte Liebling unserer Bewohner", erzählt Hayer. Und nicht nur für die betagten Leute, so freundlich und motiviert sich der  20-jährige Azubi zeige.  Der junge Mann würde gerne hier bleiben und als Altenpfleger arbeiten. Doch seine Zukunft ist nach wie vor ungewiss.

Mit seinem Duldungsstatus  hat er zwar das Recht, nach seiner  Ausbildung noch zwei  Jahre in  Deutschland  zu bleiben und zu arbeiten (3+2-Regelung). Diese Regel besagt, dass Flüchtlinge während einer schon begonnenen betrieblichen Ausbildung das Land nicht verlassen müssen. Sie können unter bestimmten Voraussetzungen ihre Lehre abschließen und eine zweijährige Anschlussbeschäftigung ausüben, wenn ihr Asylantrag abgelehnt wird.

Schicksal berührt

Denkt Hayer jedoch an die Zeit danach,  hadert er mit der Politik, denn nicht nur  Heimleiter wie er suchen händeringend nach Altenpflegern. Ob der Gambier danach in  der Neckarstadt bleiben darf,  ist nach wie vor reine Spekulation und ungewiss. "Das ist für uns alle schwierig,   nicht nur wegen  der Personalplanung", zeigt der Einrichtungsleiter auf,  "natürlich berührt uns auch das persönliche Schicksal".

Wenn Gottfried Härle solche Lebensgeschichten hört, dann macht sich schon fast Resignation breit. Seit Jahren kämpft der Chef einer Brauerei im Allgäu mit seiner Unternehmer-Initiative "Bleiberecht durch Arbeit" dafür, dass Geflüchtete, die einen Arbeitsplatz haben und nicht straffällig geworden sind, in Deutschland bleiben dürfen. Diese Forderung ist ganz im Sinne der FDP,  die ähnliche Veränderungen  verfolgt und einen "Spurwechsel" fordert: "Gut integrierte Asylsuchende, die bereits im Arbeitsmarkt Fuß gefasst haben, nicht straffällig geworden sind und keine Sozialleistungen beziehen, sollen nach den Plänen der Liberalen bleiben dürfen."  

Steiniger Weg

Zwar  unterstützt der  baden-württembergische  Innenminister Thomas Strobl solche Bestrebungen, doch noch scheinen  starke Kräfte gerade unter der CDU dagegen zu arbeiten, schildert Härle die Hürden.  Dies ist für ihn und seine  Mitstreiter nicht nachvollziehbar: Die meisten arbeiten doch in Branchen,  in denen viele Deutsche gar nicht mehr reingehen wollen, wird er im Gespräch deutlich. Die preisgekrönte Initiative hat noch einen  harten  Weg mit viel politischen Gegenwind vor sich. Bislang ist die Bundesratsinitiative von Baden-Württemberg zur Eingliederung gescheitert.

Jähes Ende einer Lehre

Hätte die Bleiberechts-Initiative bereits Erfolg gehabt, wäre ein   junger Kameruner vielleicht auch noch in Unterkirnach in  seinem  Integrationsbetrieb. "Er wäre sicherlich ein guter Koch geworden", bedauert   Michael  Stöffelmaier,  Caritas-Vorstandsvorsitzender für den Kreisverband,  das jähe Ende einer Ausbildung. Denn der  knapp 30-Jährige, der nur einen  Duldungsstatus hatte,  habe wohl Panik vor einer möglichen weiteren Abschiebungswelle bekommen: "Er ist einfach verschwunden", berichtet Stöffelmaier. "Es ist schwierig, diese  Unsicherheit auf Dauer auszuhalten."  Um so tragischer ist seine  Geschichte, weil  er  doch noch eine Anhörung zu seinem Asylverfahren (ein erster Antrag wurde abgelehnt) bekommen hätte.   Doch auch Flüchtlinge, die  im Arbeitsleben integriert  sind,  haben  ihre Sorgen.  Christian Utischill vom Jobclub, der sich um Arbeitsstellen für Flüchtlinge kümmert,  sagt knapp zu den Perspektiven: "Einfacher ist es nicht geworden." Vor allem Branchen, in denen einige seiner  Schützlinge  zuvor Arbeit fanden, seien ganz besonders von der Corona-bedingten  Wirtschaftskrise betroffen. 

Enttäuschte Ehrenamtliche

Einige sind bereits in Kurzarbeit und "kommen an ihre finanziellen Grenzen." Utischill befürchtet, dass deshalb die  Illegalität  über kurz oder lang zunehme. Derzeit kümmert sich der Jobclub um  20  Flüchtlinge, die meisten davon in Lohn und Brot, die sich eine kleine Existenz aufgebaut haben. 

Auch Utischill und viele andere Ehrenamtlichen zeigten sich enttäuscht über das Scheitern der Bleiberechts- Initiative. "Das politische Klima zeigt Tendenzen zu einer Verschärfung der Abschiebungsregelungen auch in Fällen, wo noch ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht", betont Utischill.