Auch in der Kälte bei minus zwei Grad macht es Spaß, Straßenmusik zu machen und Songs wie "Blue Suede Shoes" von Elvis Presley oder "Norwegian Wood" von den Beatles zu spielen. Fotos: Riesterer Foto: Schwarzwälder Bote

Musik: "Auch im Winter bleiben Leute stehen und hören einem zu" /Spontane Begegnungen machen es zu einmaliger Erfahrung

Wie ist es, im Winter bei minus zwei Grad Kälte Straßenmusik zu machen? Das habe ich mich kürzlich gefragt, nachdem ich einen Straßenmusiker in der Villinger Innenstadt gesehen habe. Also habe ich mich entschlossen, das selbst einmal auszuprobieren. Ich spiele Gitarre, singe dazu und habe schon öfters im Sommer Straßenmusik gemacht – ideale Voraussetzungen, um mich in die Fußgängerzone zu stellen.

Also mache ich mich an einem Dienstagmittag um kurz nach halb eins auf den Weg in die Villinger Innenstadt. Die erste Schwierigkeit: Ich muss einen geeigneten Platz finden. Er sollte möglichst zentral sein, an einer Straße, an der viele Leute vorbei kommen. Er sollte gleichzeitig aber auch etwas Platz bieten, sodass die Leute stehen bleiben können, um einem zuhören zu können. Ich entscheide, mich neben einen Ladeneingang am Maktplatz im Zähringerkreuz zu stellen. Hier kommen jede Menge Passanten aus den vier belebtesten Straßen der Innenstadt vorbei. Jetzt heißt es die Gitarre auspacken, umhängen und loslegen. Meine Gitarrenhülle lege ich links neben mich und werfe schon mal 50 Cent rein, damit von Anfang an etwas drin ist. Bevor ich anfange zu spielen, ruft mir ein junger Mann noch zu "Hau rein!". Das motiviert. Zuspruch ist gerade am Anfang sehr wichtig.

Ich beginne meinen Auftritt mit dem Song "Norwegian Wood" von den Beatles. Den habe ich schon oft gespielt, auch vor Publikum und den kann ich sicher. Zum Warmspielen ist er super. Da der Song jedoch eher ruhiger ist, ist die Reaktion der vorbeikommenden Leute erst einmal verhalten. Nichtsdestotrotz wirft mir eine Frau gleich eine Münze in meine Gitarrenhülle, was mich sehr freut. Ich entscheide mich nun, etwas schnelleres zu spielen: "Johnny B. Goode" von Chuck Berry. Dieser Song ist ein wahrer Rock  ’n’  Roll-Klassiker und kommt bei den vorbeikommenden Passanten sehr gut an. Es bleiben sogar Leute stehen und bewegen sich im Takt zur Musik. Also lege ich danach direkt eins oben drauf und spiele noch eine Rock  ’n’  Roll-Nummer, von Elvis Presley: "Blue Suede Shoes". Auch dieser Song kommt super an. Das kennen die Leute und diese Musik geht in die Beine. Interessant ist, dass nur wenige sich trauen, sich direkt vor oder neben mich hinzustellen. Viele bleiben lieber in sicherer Distanz. Trotzdem freue ich mich, dass mir direkt gegenüber vor der Sparkasse ein paar junge Menschen zuhören. Dass die meisten Leute gleich weiter wollen, ist für mich absolut verständlich, schließlich ist es richtig kalt. Das merke auch ich sehr schnell. Besonders an den Fingern spüre ich die Kälte nach vier bis fünf Songs. Aber nicht nur dort. Gerade das Singen in der Kälte ist sehr anstrengend, was ich merke, als ich eine kurze Pause mache. Die Kälte geht gefühlt bis in den Bauch. So tut ein warmer Kaffee zwischendurch richtig gut. Inzwischen hat sich in der Nähe eine Gruppe junger Menschen angesammelt. Also setze ich zu "Mystery Train" an. Das macht besonderen Spaß, wenn man durch einen Song Menschen direkt ansprechen kann. So tausche ich ein paar Blicke und bekomme ein Lächeln. Gerade auch wenn Leute vorbei laufen und einem ein Lächeln schenken, ist das eine schöne Geste. Denn das sind die Momente, die das Straßenmusik machen einmalig und schön machen. Denn es geht dabei meiner Meinung nach nicht primär darum, Geld damit zu verdienen, sondern es geht um die Erfahrung, den Leuten und sich selbst schöne Momente zu bescheren. Und man stellt sich immer auch die Frage, wie reagieren die Leute, bleiben sie kurz stehen, hören sie zu, schauen sie einen an, werfen sie etwas Geld in die Gitarrenhülle, sagen sie vielleicht ein paar nette Worte. So freue ich mich, als ein Jugendlicher sagt, dass ich toll Gitarre spiele und mir dann etwas Geld in die Tasche wirft.

Ich habe mir vorgenommen, eine halbe Stunde zu spielen. Als die rum ist, stimme ich zum Abschluss den Song "Blue Moon Of Kentucky" an. Ich genieße es nochmal, die Reaktion der Leute zu erleben und die Freude, die manche beim Vorbeilaufen haben. Beim Einpacken meiner Gitarre fällt mir auf, dass doch die eine oder andere Münze in meiner Tasche gelandet ist: Etwa zehn Euro habe ich eingenommen. Mit dem Geld gehe ich erst einmal ins nächste Café um mich wieder aufzuwärmen.

Denn gerade gegen Ende des Auftritts habe ich gemerkt, wie anstrengend es ist, in der Kälte zu stehen, Gitarre zu spielen und vor allem lauthals zu singen, sodass man mich auch hören kann. Das laute Singen ist auch sonst schon schwierig genug, aber in der Kälte ist es umso anstrengender.

Nichtsdestotrotz macht es auch bei minus zwei Grad mitten im Winter Spaß, Straßenmusik zu machen. Denn irgendwas erlebt man immer. Seien es nun ein paar nette Worte, eine nette Begegnung oder einfach ein Lächeln.

Schnelle Stücke kommen auf der Straße auf jeden Fall besser an als Balladen, gerade wenn es kalt ist. Schön ist es natürlich im Sommer, wenn es wärmer ist, und die Leute die Muße haben, auch einmal ein bisschen stehen zu bleiben.

Viele Straßenmusiker sind aber darauf angewiesen, auch im Winter Musik zu machen. Vor ihnen habe ich den allergrößten Respekt. Denn es gehört richtig was dazu, sich in der Kälte draußen hinzustellen und Straßenmusik zu machen.

Wer ein Instrument spielt und Straßenmusik einmal ausprobieren möchte, sollte das auf jeden Fall machen. Es ist eine Erfahrung wert.