VS-Villingen - Der Blick in die Färberstraße am Schmotzigen: Als ob ein Glascontainer über dem Pflaster ausgekippt worden wäre: Die schöne Kneipenmeile wird teilweise zum hässlichen Scherbenhaufen. Selbst die Polizei spricht von einem ungewöhnlichen Ausmaß an Verwüstung.

Es ist kurz vor Mitternacht, als Gäste des Glonkiballs zum ersten Mal an der Fastnacht in die Färberstraße einbiegen. Ein desolates Bild zeigt sich den Besuchern der Villinger Kneipenmeile. Scherben über Scherben bedecken das Pflaster, auf dem viele stark betrunkene Feierlustige mehr schlecht als recht versuchen, irgendwie ihre aufrechte Haltung noch hinzubekommen. "Ausnahmezustand", schüttelt einer den Kopf, der beruflich unterwegs ist. "Das ist ja fürchterlich, nur weg hier", raunen sich andere zu, die sich auf ein Bier oder einen Aperol gefreut hatten.

Das hässliche Gesicht einer Partymeile mit ihren teils sturzbetrunkenen Gästen: Theoretisch (fast) nichts Neues für jene, die gerade in den Nachtstunden dafür sorgen müssen, dass sich alkoholisierte Besucher nicht noch die Köpfe einschlagen und aneinander geraten.

Straße gleicht einem Scherbenhaufen

Auch für Dieter Popp, einem der Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, ist das Ganze nur noch erbärmlich. Zwar beginnt für ihn die Vorkommnisliste für VS recht unspektakulär mit körperlichen Auseinandersetzungen, also eher Normalität in einer Straße, in der es mal mehr, mal weniger in der Vergangenheit krachte. Eher neu war für Popp jedoch an den Hohen Tagen 2020 das massive Werfen und vor allem Zertrümmern von Flaschen in großem Stil. Die erst vor einigen Jahren aufgehübschte Färberstraße glich an manchen Stellen einem Scherbenhaufen. "In diesem Ausmaß", bekräftigte Popp, "haben wir das noch nie erlebt." Auf was führt der PolizeipräsidiumsSprecher dies zurück? Die Mischung habe es wohl gemacht, aus außergewöhnlich milden Temperaturen, zu viel Alkohol und zu vielen Chaoten. "Schämen sollen die sich." Dieter Popp macht aus seinem großen Ärger keinen Hehl.

Für den langjährigen Chef des renommierten Lokals "Ott" dagegen ist das "ganze Chaos" zwar nichts Neues. Dennoch beobachtete auch Domenico Wittkopf, dass es jedes Jahr schlimmer werde. "Da sah es zum Teil aus wie auf einem Schlachtfeld." Der Grund liegt für ihn unter anderem darin, dass es Kneipen gebe, die Teile der Färberstraße mit lauter Discomusik beschallten. Das habe nichts mehr mit Fasnet zu tun, "dieses Gedröhne zieht aber hauptsächlich ganz junge Leute an". Und die brächten nicht nur zusätzlich noch ihre eigene Musik, sondern auch Getränke mit. Mit den nicht zu übersehbaren Folgen, dass sich selbst 14-Jährige nachts vollaufen lassen. Wie reagieren? Auch der Ott-Wirt tut sich mit einer Antwort schwer und antwortet mit einer Rüge an manche Erziehungsberechtigten, die ihren Erziehungsauftrag nicht ganz so genau nähmen: "Wieso kümmern sich Eltern nicht ausreichend um ihre Kinder?"

Für die Technischen Dienste, die die Scherben per Hand und mit Kehrmaschinen beseitigten, seien die Reinigungsaktionen fast so "wie immer" gewesen, erläutert Oxana Brunner, Pressesprecherin der Stadt. Wäre ein Glasverbot die Lösung? Dies müsse vertieft geprüft werden, so Brunner. Wenn ja, sollte ein solches Verbot aber auf weitere Bereiche ausgedehnt werden. Scherben und Splitterseen, "das ist nicht nur ein Problem der Färberstraße". Die Nachbarstadt Rottweil erlebte ähnliche Szenen, "trotz viel Präventionsarbeit in den Schulen oder zahlreicher zusätzlicher Mülleimer", hieß es aus der Verwaltung. Wie in den Vorjahren werde mit allen Beteiligten nun Bilanz gezogen, "um wo möglich auch nachzusteuern".

Vorsätzlich Flaschen zu zertrümmern, dies könnte zudem teuer werden: Strafen zwischen 100 und 800 Euro sieht der Bußgeldkatalog Umwelt des Landes vor.

Kommentar: Flaschen raus

Von Eva-Maria Huber

So sah’s in der Färberstraße über die Fasnet aus: Statt ausgelassen Party zu machen, wird die Sau rausgelassen. Schon der "Schmotzige" wird ein schmutziger Tag für die Polizei und vor allem die Reinigungskräfte der Stadt, die das Scherbenmeer beseitigen durften. Offenbar hat sich im Laufe des Abends der Alkoholgehalt entgegengesetzt proportional zu Denkvermögen und Anstand entwickelt. Selbst abgehärtete Polizeikräfte reden von einem Novum des Ausmaßes an Verwüstung. Doch was tun? Appelle bringen wohl wenig, wenn der exzessive Suff die Hirne vernebelt. Kein Gedanke daran, welch schwere Verletzungen entstehen könnten, kippten welche im Vollrausch in die Splitter hinein. Ein Mitnahmeverbot von Flaschen einzuführen und damit verstärkte Kontrollen, könnte eine Lösung sein: in der Hoffnung, dass die größten Flaschen dann draußen bleiben.