Spielhöllen sind am helllichten Tag gefragte Adressen. Foto: dpa

Glücksspiel: Spielhöllen sind am helllichten Tag gefragte Adressen. Kaum ein Automat steht still.

Villingen-Schwenningen - Am helllichten Tag in den Spielhöllen der Doppelstadt. Draußen liegt die Welt im Feiertagsschlaf. Hier drinnen blinkt und dudelt es geschäftig. Jeder Automat ist in Betrieb.

Nachmittags an einem Dienstag. Die Spielcasinos sind voll. In vier Spielhallen ist um 17 Uhr kein einziger Spielautomat mehr frei. Dass das Geschäft mit der Spielsucht in Villingen-Schwenningen ein blühendes Gewerbe ist, ist hier nur allzu offensichtlich. Schon um 6 Uhr morgens öffnen die meisten Spielotheken in der Doppelstadt.

An der Tür prangt ein Stopp-Schild für unter 18-Jährige. Ausweiskontrolle. Dahinter liegt eine ganz andere Welt. Rauchgeschwängert die Luft, stumm die darin Lebenden. Das Spielcenter im Zentralbereich ist in sechs Spielhallen unterteilt und jede davon in viele Nischen, die jeweils einen oder zwei Geldautomaten beherbergen.

In einer nimmt eben ein südländisch aussehendes Pärchen Mitte 20 schweigend Platz vor zwei Automaten. Es ist nachmittags um 14 Uhr. Er öffnet den Geldbeutel und drückt ihr zwei 50-Euro-Scheine in die Hand. Dann lässt er selbst zwei weitere Fünfziger in seinen Automaten wandern. Wieder und wieder drücken beide ihren Button. Bei ihr rollen Zitronen, Kirschen und Trauben von den sechs Walzen – "Fruit Sensation". Die einzige Sensation in diesen Räumlichkeiten.

Besonders gastfreundlich sieht es nicht aus. Es ist dunkel. Die aufdringliche Leuchtreklame der Spielgeräte kommt voll zur Geltung. Immerhin ist die Verpflegung günstig. Jedes Getränk ein Euro, von Cola, über Latte Macchiato bis hin zur Tasse Tee. Man kann alles haben, nur keinen Alkohol. Ihr Geld werden die Spieler anders los – und davon gibt es hier am frühen Nachmittag schon viele. Alleine in "Halle 1" zocken an diesem Dienstagnachmittag acht Personen an etwa zwölf Automaten. Manche betätigen zwei oder drei Automaten gleichzeitig. So geht Multitasking in der Spielhölle. Da ist es auch egal, wenn nach einstündiger Dauerspielzeit wieder einmal eines der Geräte in die gesetzlich vorgeschriebene "große Pause" geht.

Das nervige Gedudel der Automaten wird in einer Ecke der Spielhalle von einem lauten Prasseln übertönt. Gelassen schlendert der Mann am betreffenden Automat zu einem Stapel großer Pappbecher und schaufelt die Münzen in einen davon. "Er hat jetzt etwa 1000 Euro gewonnen", erläutert die Angestellte der Spielothek einer fragend dreinblickenden Spielanfängerin lächelnd. Der Glückspilz selbst jubelt nicht. Er hat kein Lächeln übrig, nur ein müdes Nicken. Dann geht er zur Tagesordnung über: Tasten-Drücken im Fünf-Sekunden-Takt. Die Summe von 200 Euro auf dem Display fällt rapide.

"Ist bestimmt selten, dass hier jemand 1000 Euro abräumt, oder?", wird die Spielhallen-Mitarbeiterin gefragt. Sie wiegelt ab: "Bei mir war es heute schon das vierte Mal. Aber die Gewinner spielen meist mit hohen Einsätzen. Er hier hat bestimmt schon 400 Euro reingesteckt. Und jetzt kam der Gewinn." Der Anfänger hingegen hat an diesem Tag eine Pechsträhne. In Zehn-Cent-Schritten schrumpft sein Vermögen.

"Haben Sie schon mal so richtig Glück gehabt?" Der Mann einen Automat weiter braucht einen Moment, ehe er begreift, dass er gemeint ist. "Ja klar, immer wieder." Besonders glücklich sieht er aber nicht aus. Spaß hat in diesem Vergnügungssteuer pflichtigen Gewerbe ohnehin offenbar keiner.

Die Anfängerin will es genau wissen: "Echt? Was war ihr höchster Gewinn?" "Um die 1000 Euro. Schon ein paar Mal. Man muss halt Glück haben." Er wendet sich ganz offensichtlich genervt von der Fragerei ab. Der typische Spielhallenbesucher spricht nicht gern. Das hört man.

Das war es aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Den typischen Spieler gibt es weder hier noch in den anderen Spielhallen der Stadt. Südländer um die 40 sitzen neben dem jungen Deutschen, der kaum 20 Jahre alt sein dürfte und hier offenbar mit seinen Kumpels abhängt. Und auch der Senior um die 70 ist an diesem Nachmittag in den Spielotheken Villingen-Schwenningens ebenso anzutreffen wie Frauen zwischen 25 und 55, mit oder ohne Begleitung, Business-Lady oder Hausfrau. Finanziell potent sind sie den Displays zur Folge offenbar alle. Angezeigt werden stattliche Summen, meist dreistellig, zumindest aber hoch zweistellig. Der Neugierige mit einem Euro Gesamteinsatz verteilt auf zehn Runden à zehn Cent ist eine Seltenheit.

Routine hingegen ist für manchen Arbeitnehmer offenbar der Gang ins Casino nach Feierabend. Kurz vor 17 Uhr braust ein Lieferwagen der Deutschen Post auf den Parkplatz einer Spielothek In den Ziegelwiesen. Eine untersetzte Briefträgerin Mitte, Ende 30 steigt aus. Doch statt Post in Briefkästen wirft sie Geld in Automaten. Bis der letzte Euro im Münzschacht versunken ist. Langfristig gibt es in jedem Casino eben nur einen Gewinner: die Bank.

Millionen-Geschäft für VS

Fakten

In Villingen-Schwenningen stehen 505 Automaten, 181 davon in Gaststätten, 324 in Spielhallen. Die 31 Spielhallen stehen an 15 Orten, eine Spielothek besteht oft aus mehreren Spielhallen. Die Spielhallen in Villingen-Schwenningen werden von elf Aufstellern betrieben.

Steuersätze

Inhaber von Spielautomaten müssen in Villingen-Schwenningen pro Geldspielautomat monatlich Vergnügungssteuern entrichten. Zur Anwendung kommen verschiedene Steuersätze. Bei deren Bemessung ist beispielsweise relevant, ob es sich um Spiel-, Geschicklichkeits- und ähnliche Unterhaltungsgeräte mit oder ohne Gewinnmöglichkeit handelt oder gar um Geräte, mit denen unter anderem »Gewalttätigkeiten gegen Menschen, Verherrlichung oder Verharmlosung des Krieges, pornographische oder die Würde des Menschen verletzende Praktiken oder ähnliches dargestellt werden« (Kategorie III). Auch der Stellplatz spielt eine Rolle, – in Spielhallen kosten die Geräte 100 Euro Steuer (mit Gewinnmöglichkeit 110), in Gaststätten 50 Euro monatlich (51 Euro), jene der Kategorie III sogar 330 Euro monatlich.

Einnahmen

Für Villingen-Schwenningen ist Glücksspiel ein einträgliches Geschäft. Die Vergnügungssteuer-Einnahmen steigen – inbegriffen sind neben dem Glücksspiel Steuern aus dem Sex- und Erotikbereich sowie Veranstaltungen dieser Sparten. Nachdem 2010 die Erhöhung der Vergnügungssteuer auf 18 Prozent beschlossen worden war, stiegen die Einnahmen 2011 auf fast zwei Millionen Euro, etwa das Doppelte.

Grund für die Steuererhöhung war die Hoffnung, dadurch die Anzahl von Geldspielautomaten einzudämmen. Der Plan ging nicht auf. 2014 deshalb die nächste Erhöhung auf jetzt 23 Prozentpunkte und ein Plus von einer halben Million Euro bei den Einnahmen. Doch auch dieser Plan scheiterte offenbar: 2014 nahm man 2,576 Millionen Euro ein, 2015 sollen es drei Millionen Euro sein, für 2016 rechnet die Stadt mit 3,1 Millionen Euro.

Kommentar

Spielhölle, das ist, wo die Besucher Eurozeichen in den Augen haben, sich gegenseitig aber keines Blickes würdigen. Die Recherche in den zahlreichen Spielotheken der Stadt zeigt: Die Bezeichnung Vergnügungsstätte haben diese Orte nicht verdient.

Vergnügungssteuer hin oder her. Und auch mit dem Glück und dem Spiel ist das hier so eine Sache. Obgleich Casinos in Villingen-Schwenningen wie Pilze aus dem Boden sprießen, ward hier noch selten ein echter Glückspilz geboren.

Der Schein trügt hier mehrfach: Angeblich geht keiner hin, leidet niemand unter Spielsucht und sind Spielhöllen nur eine unbedeutende Randerscheinung in einer Art Parallelwelt. Tatsächlich aber ist in den Spielotheken im Oberzentrum schon nachmittags kein freier Platz an den Automaten zu finden. Das schnelle Geld aber machen nicht die vor, sondern jene hinter den Spielgeräten.