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Für Gesamtelternbeirat kommt völlig falsche Weichenstellung auch noch zur völlig falschen Zeit. 

Hatten wir das nicht alles schon mal? Ja, hatten wir. Es ist Januar 2021, und wie vor einem Jahr spielt die Stadt Villingen-Schwenningen mit dem Gedanken, die Gebühren für die Kindertagesstätten teils kräftig zu erhöhen. Das riecht nach massivem Ärger.

Villingen-Schwenningen - Vor genau einem Jahr, im Januar 2020, demonstrierten Eltern vor dem Matthäus-Hummel-Saal in Villingen, vor einer Sitzung des Verwaltungsausschusses, gegen die Erhöhung der Kitagebühren. Parallel dazu machten auch soziale Netzwerker ihren Unmut laut. Die deutliche Botschaft von Anna-Maria Milia aus VS im Netz fand ein überwältigendes Echo. Ob sie Ähnliches plant? Das blieb bis zum Abend offen, da Milia am Montag nicht erreichbar war.

Hier geht es zur Online-Petition gegen eine Kita-Gebührenerhöhung.

Nun bringt die Haushaltsstrukturkommission des Gemeinderats das Thema zum zweiten Mal auf den Tisch und handelt sich damit auch jede Menge Protestnoten ein, von Elternvertretern wie teils auch von Politikern. Überraschend ist dies nicht, die Gebührenerhöhung, sollte sie kommen, wäre saftig: Nutzen Eltern, und das tun viele, das Angebot der verlängerten Öffnungszeiten, dann steigen die monatlichen Gebühren von 185 auf 345 Euro und damit um 86 Prozent. Wer seine Drei- bis Sechsjährigen jeden Morgen in die Kita schickt, der würde statt 98 künftig 146 Euro im Monat bezahlen.

Für die Vertreter des Gesamtelternbeirates (GEB) der Kindertagesstätten kommt eine ohnehin völlig falsche Weichenstellung auch noch zur völlig falschen Zeit. Der GEB Kita verbindet in seiner ausführlichen Stellungnahme seine massive Kritik an der diskutierten Anhebung der Gebühren mit einer Abrechnung in Bezug auf die gesamte Kita-Politik der Stadt. "Wir fragen uns: Herr Roth, wie stellen Sie sich das vor, wie sollen Familien gerade jetzt, in der aktuellen Situation höhere Gebühren finanzieren, wo die wirtschaftlichen Folgen der Krise noch nicht abzusehen sind?" Allein "aus unseren Reihen befinden sich über 35 Prozent der Eltern in Kurzarbeit". Familien müssten sich um die Betreuung ihrer Kita- und Schulkinder kümmern, haben teilweise pflege- oder unterstützungsbedürftige Großeltern und müssten dies mit ihrer Arbeit (falls sie noch eine haben) und/oder finanziellen Sorgen unter einen Hut kriegen, heißt es weiter.

Zugang zu Bildung

"Durch eine Kita-Gebührenerhöhung werden sich vor allem die mittelständischen Familien aus VS, denen keinerlei staatliche Unterstützung zusteht, gut überlegen müssen, ob es sich finanziell noch lohnt, ihr/e Kind/er in der Kita betreuen zu lassen oder ob ein Elternteil nicht zuhause bleiben sollte. Somit würden sich höchst wahrscheinlich viele Mütter die Frage stellen, ob sie den Beruf lieber sein lassen, um den Nachwuchs zu versorgen." Deshalb die nächste Frage an die Stadtspitze: "Wir fragen uns auch hier: Herr Roth, was tun Sie für die Familien und Frauen in VS, damit sie ihren Kindern ein modernes Rollenbild vorleben können?"

Der GEB macht deutlich: Kindern müsse der Zugang zu (frühkindlicher) Bildung ermöglicht werden. "Wir sagen daher ganz klar NEIN zur Kitagebührenerhöhung, da frühkindliche Bildung nicht von der Fülle des Geldbeutels der Eltern abhängen darf!" Und: "Es braucht mehr Familienfreundlichkeit in VS! Hohe Kitagebühren tragen nicht zu einer familienfreundlichen Kommune bei! Wir fragen uns des Weiteren: Was wurde im Hinblick auf die Wahlversprechen von Herr Roth zum Thema ›Förderung der Familienfreundlichkeit‹ in VS bisher überhaupt getan?"

Und: "Wir fragen uns: Herr Roth, warum scheuen Sie den Vergleich mit Städten und Bundesländern, die günstigere oder kostenfreie Kitas anbieten?" Was sind die wahren Gründe für die Pläne? Stecke hinter einer Erhöhung der Kitagebühren die Absicht, dass weniger Eltern ihren Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz wahrnehmen und die Stadt dadurch weniger Druck habe, diese Plätze zeitnah bereit zu stellen? Das Statement schließt mit einer klaren Ansage: "Wir fordern, dass die Stadt VS, OB Roth und der Gemeinderat sich über unsere dargelegten Probleme und Herausforderungen unserer Familien in VS Gedanken machen."

Fraktionen nehmen Stellung

"Ganz meine Meinung", sagt Nicola Schurr. Eine Anhebung der Kita-Gebühren lehnt der SPD-Chef aus VS und Gemeinderat strikt ab. "Der Vorstoß ist eine saftige Ohrfeige für die Eltern." Mit dem GEB sei er bereits im Austausch, ergänzt er. Warum drehe die Stadt nicht an der Grundsteuer-Schraube? "Das wäre gerechter."

Für Frank Bonath von der FDP ist klar: Was im Januar 2020 galt, das gilt auch ein Jahr später. Die Liberalen stehen einem solchen Vorstoß unverändert und damit ableh nend gegenüber. Widerspruch regt sich, weil eine solche Erhöhung eine Mehrbelastung für die arbeitende Bevölkerung und vor allem den Mittelstand darstelle. Denn sozialschwache Familien, erläutert er, bekämen die Gebüh ren ohnehin erstattet. Dennoch mahnt Bonath, erstmal nur die Fakten zu sehen. Denn bei den aktuellen Haushaltsberatungen spielten solche Überle gungen überhaupt keine Rolle.

Bei der erbosten Diskussion geht für Dietmar Wildi so einiges unter. Sicher habe er Verständnis für betroffene Eltern und ihren Protest. Doch der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat stellt eine andere Rechnung auf: Man müsse die Gesamtkosten der Stadt und die Gesamtkosten für die Kitas ins Auge fassen. Die Gebühren für die Kindertagesstätten seien in Bezug auf die Gesamtkosten lediglich ein Tropfen auf einem heißen Stein. Zudem seien sie seit geraumer Zeit nicht mehr angehoben worden. "Wir müssen die Verhältnismäßigkeit sehen." Deshalb ist für ihn die ehrliche Konsequenz: "Wir müssen die Gebühren anheben." Auch mit Blick in die Zukunft, um möglicherweise massivere Erhöhungen zu vermeiden.

Ähnlich ist die Stimmungslage bei den Freien Wählern. Verständnis für die Eltern ja, dennoch plädiert auch Dirk Gläschig für eine Anhebung der Gebühren und dafür, das gesamte Paket an Einsparungsvorschlägen nicht zu zerpflücken. Wie Wildi sieht er die Gefahr, dass als Konsequenz in ein paar Jahren von übergeordneter Stelle Einsparungen verordnet würden. "Und dann hätten wir womöglich ganz andere Erhöhungen."