Wortgewaltig, obwohl Deutsch nicht ihre Muttersprache ist: die bundesweit bekannte Comedian Liza Kos bei ihrem Auftritt im Schwenninger Capitol. Foto: Trenkle Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Kabarettistin begeistert Zuschauer im fast voll besetzten Capitol / Sehr gut in Deutschland "intrigiert"

VS-Schwenningen. Ohne nationale Klischees hätte sie mit ihrer Comedy ein Problem: Liza Kos liebt es, mit ihnen virtuos zu spielen. Am Freitagabend tat sie dies mit trockenem, lakonischem Humor vor fast vollem Haus im Schwenninger Capitol.

Egal, ob die 37-Jährige Vorurteile über Russen, Deutsche oder Türken auf der Bühne ausbreitet, kann ihr dies zugestanden werden, denn sie hat mit den zugehörenden Kulturen engsten Kontakt. Jeder Gag beinhaltet durch ihren biografischen Hintergrund ein großes Maß an Selbstironie. Dass jeder kulturelle Einfluss deutliche Spuren hinterlässt und Verwirrung in der Person stiftet, drückt sie mit dem Programmtitel "Was glaub’ ich, wer ich bin?!" unter Verweis auf den Philosophie-Bestseller von Richard David Precht gut aus. "Gelesen hab‘ ich das Buch trotzdem nie." Mit russischem Akzent tritt sie anfangs vors Publikum: "Ich habe mich inzwischen gut intrigiert", witzelt sie und nimmt damit Bezug auf die Migration ihrer Eltern mit ihr als Teenager vor rund 22 Jahren aus Russland nach Deutschland.

Noch aufgewachsen in der ehemaligen Sowjetunion erinnert sie sich an dortige dreckige Luft und hohen Alkoholkonsum der Erwachsenen. Das Buch hieße dort eher: "Wer bin ich und wenn ja, wie voll?“ Dafür gäbe es in Russland aber richtige Männer, die eine Frau beschützen könnten. In Deutschland fänden sich nur hervorragende männliche Mülltrenner, "die können höchstens mal mit Sperrmüll werfen".

Die kulturelle Anpassung in Deutschland sei ihr gelungen, präzisiert sie später in inzwischen perfektem Hochdeutsch: "Mein erster Freund in Deutschland hieß Achmed!" Tatsächlich heiratete Liza Kos früh einen türkischstämmigen Mann und konvertierte zum Islam. Ihrem Publikum zeigte sie versiert am Freitag wie man sich in ein Kopftuch hüllt. Vier Jahre tat sie dies tatsächlich täglich. Für die Fähigkeit, sich daraus wieder zu befreien steht sie jedoch auch: "Achmed war manchmal sogar nett und zwang mich nicht, ein Kopftuch zu tragen – ich hätte auch zur Burka wechseln dürfen."

Sowohl für türkische als auch russische, wohl auch für deutsche Ehefrauen sieht sie Chancen der Befreiung im Kochen. "Das können die Männer nicht und damit sind sie abhängig von uns. Wenn sie nicht spuren, dann machen wir sie fertig mit Fertiggerichten!"

In der Rolle als Swetlana Kalaschnikowa, geborene Molotow blickte sie, optisch aufgetakelt mit weißen Stiefelchen, langem blondem Perückenhaar und auffällig glitzerndem Halstuch, nur nach außen hin naiv wirkend ins Publikum. "Ich bin auf der Suche nach einem neuen reichen Ex-Mann", verriet sie und gestand, dass bedingungslose Liebe im Leben unglaublich wichtig sei, genauer "die bedingungslose Liebe gegenüber dem Geld."

Vorurteile? In der Rolle als Swetlana lehnt sie solche selbstverständlich ab: In einem Elektronikladen habe man sie neulich mit ihrem Bruder des Diebstahls verdächtigt, "aber wir sind doch keine Polen." Witzig, mit allerlei Wendungen und sprachlich anspruchsvoll gestaltete Liza Kos ihren erneuten Auftritt in Schwenningen. Bereits im Frühjahr war sie schon einmal in der Neckarstadt – damals gemeinsam mit vier weiteren Comedians Ende März zur Eröffnung der neuen Neckarhalle. Längst ist Kos bundesweit bekannt. Die Wahl-Aachenerin, die sich sogar bewusst einem dortigen Karnevalsverein angeschlossen und Öcher Platt (Aachener Dialekt) erlernt hat, findet man immer wieder auch in TV-Sendungen wie NightWash oder Ladies Night. Aktuell steht sie fast täglich auf Bühnen zwischen Flensburg und Freiburg.

"Deutschland, ich hab‘ an dich mein Herz verloren", singt sie denn auch mit der eingedeutschten Balalaika, der Gitarre, und betont dabei mit bewusstem Widerspruch den "Geruch nach Döner, den herrlichen holländischen Käse und den hervorragenden französischen Wein".

Ihren Schwenninger Capitol-Besuchern gestand sie gegen Ende ein ganz besonderes Interesse an Sprachen. Dieses war auch deutlich im gesamten Auftritt herauszuhören: Viele deutsche Muttersprachler scheinen weitaus weniger versiert in der Anwendung des Deutschen. "Aber", so Kos, "Russisch bleibt meine Muttersprache".

Dass sie auch musikalisch ein großes Talent besitzt, zeigte sich abgesehen von im Programm eingestreuten Liedern in der Zugabe: Kos, die früh, damals noch in der Sowjetunion, von ihren Eltern musikalisch gefördert wurde, wollte einst Jazz-Sängerin werden und gab zum Schluss ein anspruchsvoll gehaltenes Lied in diesem gänzlich anderen Genre zum Besten.