Bis zu seinem Rausschmiss was das der Arbeitsplatz von Christoph Hess. Jetzt hat der Insolvenzverwalter Volker Grub den Chefsessel inne - und will ihn am liebsten sofort wieder räumen. Nach erfolgreichem Verkauf, versteht sich. Foto: Spitz

"Unvorstellbar, was da abgegangen ist". Volker Grub drängt auf schnellen Verkauf. Standort Villingen soll erhalten bleiben.

Villingen-Schwenningen - Er saß als Sanierer schon jahrelang auf Chefsesseln in Firmen. Den von Hess möchte er aber schnellstmöglich loswerden: Insolvenzverwalter Volker Grub drängt auf einen schnellen Verkauf des Leuchtenherstellers. Diesen am deutschen Markt und am Standort Villingen zu halten, "wird gelingen", meint er "sehr zuversichtlich".

Anfang Mai soll das Insolvenzverfahren eröffnet werden, Ende April will Insolvenzverwalter Volker Grub das fertige Restrukturierungskonzept für die Firma Hess vorstellen. Derweil laufen die Verkaufsgespräche auf Hochtouren. An Interessenten mangele es nicht – es gebe eine Fülle von Investoren bei 1000 Leuchtenherstellern in Europa. Rund 30 strategische Interessenten, also "Wettbewerber auf gleichem Gebiet", zählte Grub. Mit manchen seien schon "sehr intime" Gespräche geführt worden.

Kurz vor dem Abschluss stehe man aber noch nicht, "man verkauft ein Unternehmen ja auch nicht wie eine Semmel, die man über den Ladentisch reicht", sagt er und lacht. Stattdessen sei ein formaler Investorenprozess in Gang gekommen, in den auch ein Unternehmensberater eingeschaltet wurde, um mögliche Interessenten ihrerseits zu beleuchten. Werden die Gespräche konkret, bekommen Kaufinteressierte einen Zugang zum elektronischen Datenraum. Dort eingestellt sind vertrauliche Zahlen und Dokumente rund um das Unternehmen.

Ob der Bilanzskandal die Verkaufsverhandlungen überschattet? "Nein, das spielt keine Rolle für den Deal", sagt Grub entschieden und erklärt, warum: Hess soll in einem Asset Deal verkauft werden, das heißt, der Verkauf bezieht sich auf alle Wirtschaftsgüter, Grundstücke, Vermögensgegenstände, Mitarbeiter, Maschinen und dergleichen, nicht aber auf die AG – "die Hess AG ist auf jeden Fall Geschichte" – oder gar deren Verbindlichkeiten. Nur so, stellt Grub klar, sei Hess überhaupt verkaufsfähig. "Mit dem, was sich da abgespielt hat, ist die AG unverkäuflich." Steuerliche Probleme und hohe Schadensersatzansprüche kämen sonst auf die neuen Eigentümer zu. Schon jetzt wenden sich Aktionäre mit Briefen an Grub, schreiben von den Anzeigen, die sie erstattet haben, und wollen Schadenersatz. Grubs Antwort: "Wir müssen auf die Insolvenzeröffnung warten", dann würden Ansprüche geprüft.

Und auch Grub macht für das Unternehmen Ansprüche geltend: Vor Ostern habe er Forderungen an die geschassten Vorstände Christoph Hess und Peter Ziegler geltend gemacht, ebenso an die Grundstücksverwaltungs GmbH & Co. KG. Wie hoch die Ansprüche werden, sei noch unklar, allerdings sollen sie "mindestens" so hoch wie die Beratungskosten für den Börsengang liegen – sechs Millionen Euro. Eingenommen wurden mit dem Börsengang im Oktober 2012 laut Grub 36 Millionen Euro. Der große Coup war es trotzdem nicht, im Gegenteil: Nach Akteneinsicht steht für Grub fest, dass die negative Entwicklung schleichend einher gegangen, der "Bruch" aber mit dem Börsengang gekommen sei.

Eine Übersicht zu bekommen, fiel schwer. Und ob es letztlich aus Unvermögen oder anderen Motiven heraus in den 45 Gesellschaften schief lief, weiß Grub noch immer nicht zu sagen. Unternehmenssprecher Marco Walz glaubt: "Man wollte zu schnell zu viel", und Grub pflichtet bei: "Alles ist überdimensioniert", auch in puncto Internationalisierung habe man offenbar "alles auf einmal" gewollt. Das prognostizierte Wachstum sei unrealistisch gewesen, zudem habe man in seinen Augen zu viel Personal im Overhead beschäftigt – beispielsweise für das kleine Unternehmen Hess alleine eine zwölfköpfige Marketingabteilung unterhalten, kurzum: "Das Geld wurde mit vollen Händen ausgegeben."

"Unvorstellbar, was da abgegangen ist", findet Grub. nachdem die Umsätze nicht in geplanter Höhe gekommen seien, habe man sie zunächst über Kreditaufnahmen finanziert. Der Einstieg des holländischen Unternehmens HPE brachte Geld, später sollte der Börsengang weiteres bringen. "Dann sind die Umsätze nicht so gekommen, dann hat man sie eben erfunden."